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Mitt Romneys Heimatstadt Detroit

11.09.2012 - 14:03
Detroit hat mit vielen Problemen zu kämpfen© APA (DMCVB/Vito Palmisano)Detroit hat mit vielen Problemen zu kämpfen

Detroit erfindet sich gerade neu. Nach dem Niedergang der Autoindustrie ist das auch bitter nötig. Teilweise scheint die Zeit einfach stehen geblieben zu sein, seitdem Mitt Romney hier seine Kindheit verbrachte.

Es ist idyllisch in Palmer Woods, sehr idyllisch. Die Wassersprenger befeuchten die Grünflächen in den gepflegten Vorgärten, die Bürgersteige sind sauber gefegt, Blumen blühen - Unkraut Fehlanzeige. Mittendrin in dieser noblen Wohngegend von Detroit lag jahrelang ein Schandfleck: 1860 Balmoral Drive. Ein Haus, das sich die Natur langsam zurückholte. Eine Ruine, die kaum noch zu retten war: das Elternhaus des US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney.

"Heute sieht man hier nur noch eine Wiese, einen guten Bauplatz", sagt Rob Dewaelsche, der für die Bewohner des Vorortes spricht. Sie haben sich in einem Verein zusammengeschlossen und kümmern sich um ihr Viertel - auch, wenn mal ein Haus zwangsversteigert oder eben abgerissen werden muss. "Beim Haus der Romneys war nichts mehr zu machen - auch nicht mit viel Geld", sagt er.

Als Willard Mitt Romney 1947 geboren wurde, starb ein noch bekannterer Sohn der Stadt: Henry Ford. Er hatte das legendäre "Model T" erfunden, das erste Auto, das sich auch die Mittelschicht leisten konnte.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Detroit eine florierende Stadt - der Nabel der US-Automobilindustrie. Das gesellschaftliche Leben konnte jedem Vergleich mit Metropolen wie New York, Boston oder San Francisco standhalten.

Und mittendrin die Romneys. Der Vater arbeitete viele Jahre in den Chefetagen der American Motors Corporation, später wurde er Gouverneur von Michigan. Die Mutter, eine Hausfrau, bekam erst zwei Töchter und einen Sohn - dann brachte sie Mitt zur Welt, den Nachzügler. Die Familie lebte jahrelang in Palmer Woods, diesem sehr gepflegten, sehr ordentlichen, sehr idyllischen Ort, etwa eine Viertelstunde entfernt vom Zentrum der Stadt.

Der Junge besuchte zunächst öffentliche Schulen. Als am anderen Ende der Stadt der Motown-Sound geboren wurde, kam Mitt Romney in die siebte Klasse - und seine Eltern schickten ihn auf die Cranbrook School in Bloomfield Hills, einem weiter nördlich gelegenen Stadtteil. Sehr elitär, sehr abgeschieden - und, wenn das überhaupt möglich ist, noch ein bisschen idyllischer als Palmer Woods.

Die Schule ist - heute wie damals - aufgebaut wie der Campus eines amerikanischen Colleges. Klassenräume, Laboratorien, eine Mensa und Schlafräume für die Internatsschüler. Aber Mitt Romney verbrachte die ersten Jahre als sogenannter Tagesschüler dort. Er lebte weiterhin bei seinen Eltern, die von Palmer Woods hierher zogen.

Die Schule liegt auf einem großen Gelände, ist denkmalgeschützt, hat etliche Sportfelder - und im Gegensatz zu anderen Schulen gleich eine Kunstgalerie und ein Wissenschaftsmuseum. Bis heute gilt sie als eine der elitärsten Schulen in den USA. Und bis heute kostet sie eine Menge Geld: Die Schulgebühren liegen zwischen 30.000 Dollar (rund 24.000 Euro) für Tagesschüler und bis zu 60.000 Dollar für Internatsschüler aus dem Ausland. Trotzdem gibt es für jeden Platz viele Bewerber, wie Steve Pagniani sagt, der für das Marketing der Einrichtung zuständig ist.

Während Cranbrook zu Romneys Zeiten noch eine reine Jungenschule war, drücken heute beide Geschlechter zusammen die Schulbänke. "Die Schlafräume sind natürlich weiterhin strikt getrennt", sagt Pagniani.

In den Gärten stehen Statuen, Skulpturen und Springbrunnen. In den amerikanischen Ferien kann man sich nur sehr schwer vorstellen, wie hier Hunderte Schüler herumtoben. Detroit-Besucher dürfen jederzeit durch die Anlage spazieren - spezielle Führungen werden aber nur für Familien angeboten, die auf der Suche nach einer Schule für ihre Kinder sind.

Mit Detroit hat die Eliteschule nicht mehr viel zu tun. Die Stadt ist gerade dabei, sich neu zu erfinden. Denn die daniederliegende Autoindustrie hat ihr in den vergangenen Jahren schwer zu schaffen gemacht. Zwar haben General Motors, Ford und Chrysler ihre Zentralen hier, doch schon lange wird nicht mehr so viel produziert wie in den Hochzeiten des Autobaus.

Allein zwischen 2000 und 2010 hat Detroit ein Viertel seiner Einwohner verloren. "In Detroit haben mal gut zwei Millionen Menschen gelebt, heute sind es nur noch knapp 600.000", sagt Kim Rusinow, die Touristen durch Detroit führt.

Sie kennt die teils gut versteckten schönen Seiten der Stadt - und sie kennt die Entwicklungen der vergangenen Jahre. Sie macht bei ihren Touren auch vor den Spukhäusern nicht Halt. In ihnen haben sich ganze Fledermaus-Kolonien angesiedelt, in den Wohnzimmern wuchert inzwischen das Unkraut. Aber sie kennt auch die vielen Projekte, mit denen die Stadt versucht, der schlechten Lage entgegenzusteuern. "Wir merken, dass das Erfolg hat. Junge Leute kommen wieder, fast alle Mietwohnungen sind vergeben."

Auch junge Unternehmen richten Büros in Detroit ein - jüngst siedelte sich Twitter mit Hunderten Beschäftigten in Detroit an. "Denn die Stadt hat einige Vorzüge gegenüber anderen Metropolen: Sie ist grün, sie richtet sich auf die jungen Leute ein - und das Leben ist bezahlbar", sagt Rusinow.

Wer sich allerdings auf die Spuren der Romneys begeben will, wird nicht allzu viel finden - außer der Cranbrook School und eben jenem leerstehenden Baugrundstück. Ein paar Schulkameraden haben sich vor geraumer Zeit aus der Deckung gewagt und zu Protokoll gegeben, dass Romney für einige weniger lustige Streiche an der Schule verantwortlich war - sonst ist aber kaum etwas aus den frühen Jahren des heutigen Multimillionärs überliefert. Nur ein paar familiäre Bindungen gibt es noch nach Detroit: Scott, der ältere Bruder von Mitt, arbeitet bis heute als Anwalt in der Stadt.

Reisezeit: Die Winter in Detroit sind eisig und schneereich, im Sommer wird es sehr warm. Die schönsten Reisezeiten sind Frühjahr und Herbst, wenn die Temperaturen moderat sind.

INFO: Detroit: http://www.visitdetroit.com; Cranbrook School: http://schools.cranbrook.edu

(APA/dpa)

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