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Sagenwanderung in der Südwestpfalz

24.09.2012 - 15:22
Der Blick von Burg Drachenfels auf Busenberg© APA (dpa)Der Blick von Burg Drachenfels auf Busenberg

Ermordete Geliebte, versteinerte Brüder, Burggeister: In der Südwestpfalz gibt es fantastische Geschichten zuhauf. Auf speziellen Wanderungen lernen Besucher sie kennen. Und erfahren, was es mit den Elwetritschen auf sich hat.

Das Burgfräulein ist außer sich. "Es brennt, es brennt", schreit die Frau im weißen Kleid. Jede Hilfe kommt zu spät. In ihrer Not stürzt sie sich vom Turm in die Tiefe. Seitdem ist sie verflucht und treibt als Gespenst auf Burg Berwartstein ihr Unwesen. Sagenfiguren wie dem Burgfräulein begegnen die Besucher in der Südwestpfalz auf Schritt und Tritt.

Ihre große Zusammenkunft haben sie zwar erst im Oktober 2013 bei der Felsenland Sagenwoche mit Lesungen, Mittelalter-Festessen und Schatzsuchen auf den Burgen. Wanderer bekommen aber schon jetzt auf dem 90 Kilometer langen Felsenland Sagenweg das volle Programm von Schauermärchen und Fabelwesen.

Berwartstein ist einer der Schauplätze. Die Felsenburg, 1591 abgebrannt, wurde Ende des 19. Jahrhunderts von einem Industriellen aus Ostpreußen wieder aufgebaut - ein Stein gewordener Jungentraum. In der Waffenkammer stehen zwei vollständige Rüstungen, an der Wand hängen Schwerter, Hellebarden und Turnierlanzen. Die Streckbank in der Folterkammer erinnert an die düsteren Seiten des Mittelalters, als hier oben der Raubritter Hans Trapp Händlern aus dem nahen Elsass auflauerte.

Um den Burgbrunnen, angeblich 104 Meter tief in den Fels geschlagen, rankt sich eine eigene Legende: Der Graf habe eine Zigeunerin, die Geliebte seines Sohnes, unter einem Vorwand hierher gelockt und in den Schacht gestoßen. Der liebestolle Sohn sprang hinterher. Seitdem spukt die Zigeunerin als Gespenst umher.

Von den anderen Burgen auf dem Sagenweg ließen Eroberer und der Zahn der Zeit nur Ruinen übrig. Im Falle von Drachenfels sind diese beeindruckend genug. Peter Zimmermann, Leiter der Tourist-Information Dahner Felsenland, führt durch das Tor in der roten Sandsteinmauer hinauf auf den Turm. Die Wendeltreppe wurde aus dem Fels gemeißelt, ebenso wie die meisten Kammern der Burg.

Oben schweift der Blick weit über die bewaldeten Hügel, hinüber zu anderen Burgruinen und hinab zum Dorf Busenberg. Es verdankt seinen Namen der Burg: böser Berg. Auch auf Drachenfels hausten Raubritter. Der letzte war Franz von Sickingen. Wo er hinkam, verbreitete er Angst und Schrecken.

Viele Felsen, die am Sagenweg liegen, geben der Fantasie Nahrung: der Hexenpilz, der Teufelstisch oder der Jungfernsprung, wo ein Mädchen auf der Flucht vor einem allzu aufdringlichen Verehrer 70 Meter in die Tiefe sprang - und überlebt haben soll.

Kletterer bevorzugen den 43 Meter hohen Hochstein. Routen bis zur Schwierigkeitsstufe IX ziehen sich die Wand aus Buntsandstein empor, in die sich verkrümmte Kiefern krallen.

In die Spalten lege die Elwetritsche ihre Eier, erklärt Zimmermann. Bei der Elwetritsche handelt es sich um ein Rauhfußhuhn, das deutlich älter ist als der bayerische Wolpertinger, belehrt der selbst ernannte Tritschologe, und seine Augen leuchten listig hinter der runden Brille. Im Kurpark Dahn haben die stolzen Pfälzer ihrem Fabelvogel einen eigenen Elwetritscheweg gewidmet.

2011 hatte der Hochstein seinen großen Auftritt im "Tatort". Bei den Dreharbeiten musste die Feuerwehr 5.000 Liter Wasser auf den Felsen bringen, um Regen zu simulieren. "Sie sehen, bei uns ist schon was los", sagt Zimmermann.

Tatsächlich ist die Südwestpfalz ein verschlafenes Eck Deutschlands. Das Städtchen Rodalben mit seinen 7.500 Einwohnern ist schon ein Zentrum. 80 Prozent der Arbeitsplätze gingen verloren, als erst die Schuhindustrie zusammenbrach und dann die US-Soldaten abzogen. Jetzt gibt es vor allem Wald, Burgen und Felsen. Und die sollen Touristen anlocken.

Dafür wurde der Rodalber Felsenwanderweg auf Vordermann gebracht, und die Wegemarkierung erneuert. 2010 bekam er vom Wanderverband das Prädikat Qualitätsweg, als erster in der Pfalz. Die neuen Schilder zeigen neben dem grünen "F" die Entfernung zu den nächsten Orten und die GPS-Daten an. 45 Kilometer weit führt der Weg rings um Rodalben durch den Pfälzerwald.

In die rosaroten Felsen entlang des Pfades hat die Erosion waagerechte Rillen, Waben und dramatische Überhänge in den Buntsandstein gefräst. Stellenweise legt sich Moos wie eine lindgrüne Tapete darüber. Der Rappenteichfelsen ist so weit ausgehöhlt, dass ein Picknicktisch unter das Felsdach passt. Und die zwei fast identischen Steinsäulen des Bruderfelsens? Zwei Brüder, die im Streit versteinert wurden. Noch so ein Schauermärchen aus dem Land der Elwetritsche.

Anreise: Mit dem Zug über Mannheim nach Hinterweidenthal, von dort fahren Busse nach Dahn und Rodalben.

Reisezeit: Auf den Pfälzer Wanderwegen kann man das ganze Jahr gehen. Besonders schön ist die Gegend im Herbst und im späten Frühling.

Unterkunft: Am günstigsten sind Mehrbettzimmer auf einer Pfälzerwaldhütte für rund 20 Euro pro Person und Nacht. Hotels gibt es bis zur Kategorie Vier Sterne Superior.

Wandern: Die leichten Wanderwege können auch Eltern mit Kindern problemlos gehen. Kurze Beschreibungen der Wege lassen sich über die kostenlose App "Tourenplaner Rheinland-Pfalz" auf dem Smartphone speichern.

INFO: Dahner Felsenland: http://www.dahner-felsenland.net; Felsenwanderweg Rodalben: http://www.felsenwanderweg.rodalben.de

(APA/dpa)

 

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