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USA wollen nach INF-Ende neue Raketensysteme entwickeln

02.08.2019 - 23:19
Die ersten Raketen wurden gemäß dem INF-Abkommen 1988 abtransportiert© APA (dpa)Die ersten Raketen wurden gemäß dem INF-Abkommen 1988 abtransportiert

Nach dem endgültigen Aus des INF-Abrüstungsvertrags haben die USA eine beschleunigte Entwicklung neuer Raketensysteme angekündigt. Die USA hätten bereits begonnen, "mobile, konventionelle, landgestützte Marschflugkörper und ballistische Raketensysteme" zu entwickeln, erklärte Verteidigungsminister Mark Esper am Freitag.

Zuvor hatte US-Außenminister Mike Pompeo nach mehr als drei Jahrzehnten den formalen Ausstieg der USA aus dem Abkommen verkündet. Russland schlug den USA unterdessen ein Moratorium bei der Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen vor.

Esper warf Russland "nachhaltige und wiederholte Verstöße" gegen den INF-Vertrag vor. Die USA hätten sich hingegen "gewissenhaft" an ihre Verpflichtungen in dem 1987 mit der damaligen Sowjetunion geschlossenen Abkommen gehalten. Die neuen Raketenprogramme seien noch in einer "frühen Phase". Nach dem Rückzug vom Vertrag werde das Verteidigungsministerium nun "vollauf" die Entwicklung der Raketensysteme verfolgen, hieß es weiter.

US-Außenminister Pompeo verkündete bei einem Besuch in Bangkok, der Ausstieg der USA aus dem Vertrag "tritt heute in Kraft". Für das Ende des Abkommens wies er Russland die "ausschließliche" Verantwortung zu. Washington wirft Moskau vor, mit dem neuen russischen Marschflugkörper 9M729 gegen das INF-Abkommen verstoßen zu haben. Diesen Vorwurf erhebt auch die NATO.

Das russische Außenministerium gab seinerseits Washington die Alleinschuld am Aus des INF-Vertrags. Dieser habe "auf Veranlassung" der USA seine Gültigkeit verloren. Die US-Regierung habe einen "schwerwiegenden Fehler" gemacht und sei aus Eigennutz aus der Abrüstungsvereinbarung ausgestiegen. Die Vorwürfe gegenüber Russland bezeichnete Moskau als "Propagandakampagne".

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte das Abkommen bereits im Februar gekündigt, erst nach einer sechsmonatigen Auslaufphase wurde der Ausstieg nun aber formal wirksam. Als Reaktion auf die US-Schritte hatte Russlands Staatschef Wladimir Putin seinerseits die Umsetzung des Vertrags im Juli ausgesetzt.

Die USA begründeten den Vertragsausstieg auch damit, dass das Abkommen nicht daran beteiligten Staaten wie China freie Hand bei der Entwicklung und Stationierung von Raketen gelassen habe. Pompeo sagte nun, seine Regierung strebe eine "neue Ära der Rüstungskontrolle an, die sich über die bilateralen Verträge der Vergangenheit hinaus bewegt".

Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow schlug seinerseits laut der Nachrichtenagentur Tass den USA und anderen NATO-Ländern ein Moratorium bei der Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen vor. Wenn die USA "in bestimmten Regionen" keine Waffen stationierten, werde auch Russland darauf verzichten.

US-Präsident Donald Trump bekräftigte, dass ein neues Abrüstungsabkommen mit Russland auch China mit einbeziehen müsse. Man müsse China sicherlich irgendwann einbeziehen, so Trump. Er habe mit der chinesischen Seite gesprochen und sie sei "sehr begeistert" über mögliche Verhandlungen, fügte der Republikaner hinzu. Trump hat sich immer wieder dafür ausgesprochen, bei neuen Abrüstungsgesprächen auch China ins Boot zu holen. Peking hat aber klar gemacht, dass es kein Interesse daran hat. Deswegen blieb am Freitag zunächst unklar, worauf Trump sich bezog.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg reagierte ablehnend auf den Vorschlag. Russland habe den INF-Vertrag "immer wieder" verletzt, sagte im ZDF-"heute journal". "Der russische Vorschlag eines Moratoriums entbehrt jedweder Glaubwürdigkeit." Frankreich bedauerte das Ende des Abrüstungspakts und warnte vor einem daraus resultierenden höheren Sicherheitsrisiko in Europa.

Außenminister Alexander Schallenberg sprach ebenfalls von einer Gefährdung der Sicherheit in Europa und warnte vor einem neuen Rüstungswettlauf auf dem Kontinent. "Der INF-Vertrag war ein Meilenstein auf dem Weg zur Beendigung des Kalten Krieges und ein notwendiger Schritt zur Erfüllung der nuklearen Abrüstungsverpflichtungen der beiden Großmächte. Das Ende des Vertrages ist ein herber Rückschlag für die Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen und für die internationale Sicherheit", so Schallenberg.

"Das sehe ich noch nicht so", sagte dagegen der Militärstratege Walter Feichtinger. Es gebe noch keine konkreten Hinweise für eine Gefährdung der europäischen Sicherheit, sagte der Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement in der "ZiB2". Er wies darauf hin, dass "nur ein Bruchteil" der Waffensysteme im Mittelstreckenbereich lägen. Es gebe heute eine "neue Mächtekonstellation, wo keiner irgendwelchen Handlungseinschränkungen unterliegen will", verwies Feichtinger auf die aufstrebende Militärmacht China. Dem in zwei Jahren auslaufenden New-Start-Abrüstungsabkommen gab er wenig Überlebenschancen. Wichtig wäre vielmehr ein "trilaterales Format" zu haben, bei dem auch China an Bord komme.

Der einst von US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow unterzeichnete INF-Vertrag war ein Meilenstein der Abrüstungsbemühungen in der Schlussphase des Kalten Kriegs. Besonders für Europa stellte das Abkommen eine wichtige Sicherheitsgarantie dar. Der Vertrag verbot landgestützte Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern, die Atomsprengköpfe tragen können.

Nach dem Ende des INF-Vertrags zeichnet sich bereits der nächste Streit um ein historisches Abrüstungsabkommen zwischen Washington und Moskau ab: Auch die Zukunft des sogenannten New-Start-Abkommens für atomare Abrüstung ist höchst unklar. Dem Vertrag zufolge muss die Zahl atomarer Sprengköpfe in den jeweiligen Arsenalen deutlich unter dem Stand des Kalten Krieges liegen. Das Abkommen wurde 2010 geschlossen, läuft aber 2021 aus.

(APA/ag.)

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