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Netanyahu bei Parlamentswahl in Israel knapp hinten

18.09.2019 - 18:46
Netanyahus politische Zukunft ist mehr ungewiss© APA (AFP)Netanyahus politische Zukunft ist mehr ungewiss

Israel steht nach der Parlamentswahl eine äußerst schwierige Regierungsbildung bevor. Nach Auszählung fast aller Stimmen lagen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und sein wichtigster Herausforderer Benny Gantz am Mittwoch nahezu gleichauf. Gantz' Liste Blau-Weiß kann laut Berichten israelischer Medien mit einem Sitz mehr rechnen als Netanyahus Likud, eine eigene Mehrheit hat keines der Lager.

Diskutiert wurde die Möglichkeit einer Einheitsregierung, aber auch ein Ende der Ära Netanyahu schien denkbar. Nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmzettel kam Netanyahus rechtsgerichteter Likud auf 31 Sitze im Parlament, wie mehrere Medien berichteten. Die Liste Blau-Weiß von Ex-Generalstabschef Gantz holte demnach ein Mandat mehr. Damit kann keine der beiden Parteien alleine oder mit ihren traditionellen Verbündeten eine Regierung bilden. Das offizielle Wahlergebnis sollte noch am Mittwoch veröffentlicht werden.

Sollte es bei dem Patt bleiben, wäre dies ein schwerer Rückschlag für Netanyahu. Zusammen mit den ultraorthodoxen Parteien Shas (neun Sitze) und Vereinigtes Torah-Judentum (acht Sitze) sowie der rechtsradikalen Partei Yamina (sieben Sitze) unter Vorsitz der ehemaligen Minister Naftali Bennett und Ayelet Shaked käme Netanyahu nur auf 56 Sitze. Zur Regierungsbildung wäre eine Mehrheit von 61 Sitzen in der Knesset notwendig.

Netanyahu, der mit gut 13 Jahren an der Regierungsspitze der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels ist, sagte am Mittwoch wegen der unklaren Lage nach der Wahl seine Reise zur Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York in der kommenden Woche ab, wie AFP aus Regierungskreisen erfuhr.

Bereits nach der Parlamentswahl im Frühjahr hatte es eine Pattsituation gegeben, so dass Netanyahu mit einer Regierungsbildung scheiterte. Durch das Ansetzen einer erneuten Parlamentswahl verhinderte der Likud, dass Präsident Reuven Rivlin einen anderen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragte.

Rivlin will eine dritte Wahl nun vermeiden. Beobachter sehen deshalb die Möglichkeit, dass er diesmal nicht wieder Netanyahu, sondern Gantz mit der Regierungsbildung beauftragen könnte. Netanyahu droht zudem eine Anklage wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs.

Netanyahu sagte am frühen Mittwochmorgen, er sei bereit zu Verhandlungen über die Bildung einer "starken zionistischen Regierung". Damit schien er Offenheit für die Bildung einer Einheitsregierung zu signalisieren. Herausforderer Gantz sprach sich hingegen offen für die Bildung einer Einheitsregierung aus. "Wir werden uns dafür einsetzen, eine breite Regierung der nationalen Einheit zu bilden, die den Willen des Volkes zum Ausdruck bringt", sagte Gantz.

Gantz könnte sich mit der Demokratischen Partei (fünf Sitze) und der Arbeitspartei (sechs Sitze) zusammenschließen. Rein hypothetisch könnte auch die Vereinigte Liste der arabischen Parteien, die nach jetzigem Stand mit 13 Mandaten drittstärkste Kraft wurde, Gantz unterstützen.

Eine von Netanyahu angeführte Koalition will die Liste nicht unterstützen. Ob sie eine Allianz mit Gantz eingehen würde, ist unklar. Parteichef Ayman Odeh kann sich nach eigenen Angaben vorstellen, Gantz für die Bildung einer Koalition vorzuschlagen. Doch selbst dann bekäme Gantz nur 55 Abgeordnete zusammen.

Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat sich bereits für eine Große Koalition ausgesprochen, wird vermutlich aber nicht in ein Regierungsbündnis mit arabischen und linken Parteien einwilligen. "Es gibt nur eine Option für uns, und das ist die Bildung einer breiten Regierung der nationalen Einheit", sagte Lieberman. Er schlug ein Bündnis seiner laizistisch-nationalistischen Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) mit dem Likud von und Blau-Weiß vor.

Fraglich ist, wer eine Regierung der nationalen Einheit anführen könnte. Denn Gantz hat im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er mit Netanyahu keine Koalition eingehen würde - ohne allerdings die Idee einer Einheitsregierung auszuschließen. Liebermans Partei könnte mit voraussichtlich neun Sitzen somit die Rolle des Königsmachers zufallen.

(APA/dpa/ag.)

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