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Nach Brexit-Bremse in London: EU erwägt Fristverlängerung

23.10.2019 - 14:32
Niederlage für Premier Johnson© APA (AFP)Niederlage für Premier Johnson

Nach der vom britischen Parlament erzwungenen Vollbremsung beim Brexit erwägen die übrigen EU-Staaten nun eine Fristverlängerung. EU-Ratschef Donald Tusk und EU-Parlamentspräsident David Sassoli plädierten für einen Aufschub des britischen EU-Austritts bis Ende Jänner 2020. Frankreich zeigte sich zunächst nur offen für eine kurze Verschiebung.

Der britische Premierminister Boris Johnson hatte zwar am Dienstagabend eine erste Abstimmung im Unterhaus über seinen mit der EU vereinbarten Austrittsvertrag gewonnen. Das Parlament lehnte aber eine Gesetzgebung im Eiltempo ab.

Damit kann Johnson einen geregelten Austritt zum 31. Oktober praktisch nicht mehr erreichen, und er legte die Gesetzgebung auf Eis. Daraufhin empfahl Tusk, den seit dem Wochenende vorliegenden Antrag Großbritanniens auf Fristverlängerung bis Ende Jänner anzunehmen. Am Mittwochnachmittag wollen sich die EU-Botschafter in Brüssel damit befassen.

Die französische Europa-Staatssekretärin Amélie de Montchalin brachte in Paris aber eine kürzere Frist ins Spiel. "Wir werden Ende der Woche sehen, ob eine rein technische Verlängerung von einigen Tagen gerechtfertigt ist", sagte sie nach Regierungsangaben am Dienstagabend.

Johnson will sich am Mittwochnachmittag im britischen Unterhaus äußern. Spekuliert wird über eine Neuwahl in Großbritannien im Dezember. Je nach Wahlausgang könnte Johnson das die Chance geben, seinen Deal glatt durchs Parlament zu bringen und sein Land danach mit Vertrag aus der EU zu führen. Ein Teil der Opposition signalisierte am Mittwoch grundsätzliche Bereitschaft, einer Neuwahl nicht im Wege zu stehen. Johnson hatte sich am Mittwoch auch mit Oppositionsführer Jeremy Corbyn getroffen.

Daneben ist auch ein EU-Austritt ohne Vertrag immer noch nicht völlig ausgeschlossen. So hatte Johnson am Dienstagabend gesagt: "Es bleibt bei unserer Politik, dass wir keine Verzögerung haben sollten, dass wir die EU am 31. Oktober verlassen sollten." Er wolle nun mit den Verantwortlichen in Brüssel reden, gleichzeitig aber die Vorbereitungen für einen No-Deal-Brexit beschleunigen.

Allerdings kann das die EU-Seite mit einem Beschluss zur Fristverlängerung einfach verhindern. Ratschef Tusk hatte zuletzt bekräftigt, dass sich die EU niemals selbst für einen No-Deal-Brexit entscheiden werde. Denn befürchtet werden danach wirtschaftliches Chaos, Unsicherheit und Versorgungsengpässe.

EU-Parlamentspräsident Sassoli warb um einen Aufschub um drei Monate, damit Großbritannien seine Position klären könne und noch genug Zeit für die Ratifizierung eines Austrittsvertrags auf EU-Seite bleibe. Nach Darstellung von Diplomaten ist eine "Flextension" im Gespräch - eine flexible Frist. Sollte die Ratifizierung des Brexit-Vertrags in London früher gelingen, wäre ein Austritt vor Fristende möglich.

Der Grünen-Europapolitiker Philippe Lamberts begrüßte die wahrscheinliche Verschiebung. "Das ist eine gute Nachricht", sagt der Grünen-Fraktionschef im Europaparlament in Straßburg. Seine Partei wolle ohnehin keinen Brexit, der für alle nur Verluste bringe. "Das gibt uns mehr Zeit, die Schlacht zu schlagen." Eine Fristverlängerung bis Ende Jänner nannte er vernünftig.

Der Chef der britischen Brexit-Partei, Nigel Farage, sagte indes einen längeren Aufschub voraus. "Ich würde annehmen, dass die Verlängerung sechs Monate betragen wird", sagte der Europaabgeordnete in Straßburg. Die EU "wird diesmal Johnson Zeit geben und sagen: Klär das!"

Im Unterhaus waren die Mehrheiten am Dienstagabend ein weiteres Mal verwirrend. Zwar gewann Johnson - der im Parlament nur über eine Minderheit der Sitze verfügt - tatsächlich genügend Stimmen zum Start der Gesetzgebung über seinen Brexit-Deal. Der Zeitplan fiel dann aber durch, weil eine Mehrheit der Abgeordneten Spielraum für eine genaue Prüfung des 110 Seiten starken Gesetzespaketes möchte.

Österreich dürfte einer Verlängerung wohl zustimmen. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hatte sich beim EU-Gipfel in Brüssel dafür ausgesprochen, einen ungeordneten EU-Austritt Großbritanniens zu verhindern.

(APA/dpa/ag.)

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