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Italien, Kärnten, NÖ: Ära der Polit-Freaks?

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relevant Redaktion

Italien, Kärnten, NÖ: Ära der Polit-Freaks?

28.02.2013
Show schlägt Sparsamkeit: In der Krise haben Comedy-Kandidaten Aufwind.

Was haben Italien, Kärnten und Niederösterreich gemein? Verhaltenskreative Kandidaten zu politischen Wahlen und – gewiss, in unterschiedlicher Brisanz – wirtschaftliche Not.

Was trennt Italien von Kärnten und Niederösterreich? Italien steht bereits bis zum Stiefelschaft im übel riechenden Ergebnis seiner Wahlen, Kärnten und NÖ haben den Urnengang noch vor sich.

 

Die wirtschaftliche (Bauch-)Lage

Der in Mailand lebende Fabio Ghelli schildert für Die Zeit, wie sehr Italiens "schlimmste Rezession der Nachkriegszeit" im Alltag angekommen ist: "Die fortdauernde Kreditklemme zwang viele Unternehmen in die Knie. Dabei wurden etwa 400.000 Arbeitnehmer gezwungen, in Frührente zu gehen." Und "Ich sehe viele junge Menschen, die ziellos durch die Straßen zu streifen scheinen. (…) Arbeitslos zu sein ist in der Wirtschaftshauptstadt Italiens eine Schande."

Auch wenn NÖ und Kärnten nicht als europäische Krisenherde gelten (schon gar nicht welche, die einen Flächenbrand auslösen können), so ist die wirtschaftliche Lage nicht allzu rosig: "Nimmt man die Pro-Kopf-Verschuldung, liegen Kärnten (2552 €) und Niederösterreich (2458 €) Nase an Nase, weit vor allen anderen Ländern", wundert sich Matthäus Kattinger in der Neuen Zürcher Zeitung.

Schulden erfordern Solidarität. Österreich wird  nicht Kärnten fallen lassen, Europa nicht Italien. Wenn aber nicht an einem Strang gezogen wird, könnte Letzteres zu einer unlösbaren Aufgabe werden. Vor allem, wenn die drittgrößte Volkswirtschaft der EU und drittgrößte Schuldnernation der Welt (!) mit Außenständen von mehr als 2 Billionen Euro unlenkbar wird.

Christian Gattringer, ebenfalls in der NZZ: "Hat der Mittelmeerstaat keine handlungsfähige Regierung oder eine, die die Zügel schleifen lässt, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Italien seine hohen Schulden auch wirklich zurückzahlen kann – mit womöglich desaströsen Folgen für Wirtschaftswachstum und Währungsstabilität in der Euro-Zone."

 


Die Rattenfänger

"Dann schlägt die Stunde von Komikern und Instant-Parteien von Selfmade-Milliardären." (Walter Hämmerle in der Wiener Zeitung)

Je bedenklicher die Realität, desto mehr Gehör wird dem Märchenonkel geschenkt. Kärnten etablierte mit dem System Haider eine Tradition des Glaubens an den Heilsbringer, der Bargeld erfinden und verteilen kann. Die Spätfolgen beschäftigen jetzt Gerichte. Berlusconi stößt natürlich nicht auf Ablehnung bei den wirtschaftlich ausgehungerten Wählern, wenn er von einer Rückzahlung der Immobiliensteuer ans Volk fantasiert.

Der italienische Shooting Star Beppe Grillo ist durchaus mit Stronach vergleichbar: Es eint sie Euro-Skepsis und eine wenig differenzierte Haltung "gegen die da oben" – sowie Komik, beim einen beruflicher Background, beim anderen unfreiwillige Begleiterscheinung.

Politisch korrekter ausgedrückt: "Auch wenn unsere Wirtschaftsdaten besser als die italienischen sind, Grillo und Stronach leben von der Abkehr der Menschen von der bisherigen Politik." (Helmut Brandstätter im Kurier).

 

Medienmanege frei!

Wenn Grillo brüllt: "Egal, ob links oder rechts, alle Politiker gehören einfach weg!" – dann ist ihm Medienpräsenz gewiss. Programm ist Nebensache. Auch Silvio Berlusconi weiß, wie er in den Schlagzeilen bleibt, und zwar nicht nur in denen, die von ihm bezahlte Journalisten produzieren.

Frank Stronach geht auf Nummer sicher und tritt nur in Erscheinung, wo ihm gehuldigt wird. Siehe Email an Profil: Frank inseriere nur in Medien, die ihm "freundlich gesinnt" seien. TV-Diskussionsrunden sagt er mangels Interesse an anderen Meinungen ab, dafür strahlt ein kleiner Privatsender zur besten Sendezeit eine opulent gemachte Hommage an den Aufsteiger aus – eine "hagiografische Dokumentation aus devoter Bauchlage-Perspektive" (Guido Tartarotti, Kurier).

Mittlerweile ist klar, dass Geld geflossen ist ("zur Bewerbung der 'Doku' und fürs Videomaterial"- what else).

Erwin Pröll ist sich seit jeher eines apportierenden ORF gewiss. Pröll kommt, wie TV-Media erheben ließ, mit Abstand häufiger in den ORF-Bundesland-heute-Sendungen vor als seine Amtskollegen. Nicht umsonst wird das Landesstudio NÖ "Schwarzfunk" genannt.

Peter Turrini in der Kleinen Zeitung über Prölls NÖ: "Das hat in der Tat etwas Nordkoreanisches an sich."

 

Unregierbarkeit droht

Unterschiedliche Vorzeichen, ähnliches Fazit: Freakshow schlägt politische Performance. Nach den Wahlen  - ein großes Fragezeichen.

"Die Herren Berlusconi, Orbán, Tsipras, Haider et alii haben objektiv geschadet. Populisten schaden immer, letztlich auch den eigenen Wählern." (Hans Rauscher, Der Standard)

"Ob Kärnten nach der drohenden Protestwahl noch eine arbeitsfähige Regierung schafft, ist höchst fraglich." (Wolfgang Fellner, Österreich)

"Europas Komödianten haben politische Saison." (Karl Weidinger, Die Presse)

Sascha Bém

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