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Fleischskandal: Pferdefuß mit System

Elisa Al Rashid  / pixelio.de

relevant Redaktion

Fleischskandal: Pferdefuß mit System

21.02.2013
Diese Fleischpanscherei ist Folge einer pervertierten Nahrungsmittelindustrie.

Nun ist also der Pferdefleischskandal endgültig in Österreich angekommen, in Kärntner Würsten und in Wiener Kebabfleisch. Angesichts der vernetzten Nahrungsmittelindustrie war das wohl nur eine Frage der Zeit.

 

Die Fakten

 

  • Es handelt sich bei Lasagne, Würsten & Co. um Betrugsfälle, bei denen Zulieferer Pferdefleisch als Rindfleisch ausgaben.
  • Pferdefleisch ist nicht minderwertig, aber derzeit am Markt günstiger als Rindfleisch.
  • Die Aufregung um eine mögliche gesundheitsschädliche Wirkung von Phenylbutazon ist umsonst – es sei denn, Sie ernähren sich ausschließlich und jahrelang von stark gedopten Rennpferden.

So übersichtlich die Faktenlage zu sein scheint, so sehr wirft dieser Skandal Fragen auf über eine offensichtlich völlig aus dem Ruder gelaufene Industrie.

 

Mehr Transparenz?

Natürlich wird der Ruf nach einer besseren Kennzeichnung von Lebensmitteln laut. Martina Salomon formuliert im Kurier: "Angesichts des Pferdefleischskandals wünschen sich die Konsumenten aber zu Recht noch bessere, noch auffälligere Kennzeichnung der Lebensmittel Das soll bitte auf einen Blick und ohne Lupe ersichtlich sein!"

Was aber nützt die konkreteste Angabe, wenn dem Produzenten selbst ein Pferd für ein Rind vorgemacht wurde? Daran knüpft auch Einkaufsvorstand der Rewe-Gruppe, Manfred Esser in der FAZ an: "Wenn Kriminalität im Spiel ist, dann wird dagegen keine Deklarationspflicht der Welt helfen."

 Es aber lediglich auf ein paar kriminelle Einzeltäter zu schieben, greift aber angesichts des Flächenbrandes sicher zu kurz.

 

Wer ist schuld – die EU?

Zulieferer stehen gewiss unter Druck – gibt es doch immer weniger große Abnehmer. Frank Dopheide im Handelsblatt: "Hat der Handel die Preisschraube überdreht? Natürlich finden Aldi, Metro, Lidl und Co. mit ihrer Einkaufswucht immer jemanden, der noch billiger produzieren kann."

Und diese Preisschraube lässt sich offenbar ewig drehen, weil es irrelevant geworden ist, wie weit Billigstanbieter entfernt sind.

Katja Tichomirowa in der Frankfurter Rundschau: "Ein vielfach subventioniertes System, das es ermöglicht, Lebensmittel grundsätzlich preisgünstiger anzubieten, die tausende Kilometer entfernt produziert wurden, kann nicht höchsten Qualitätsstandards genügen." Und wozu diese Odysseen? Sibylle Hamann gibt die Antwort in der Presse: "Offenbar ist der Hauptzweck: die Unterschiede zwischen den Vorschriften, Grenzwerten und Produktionsbedingungen der verschiedenen Länder auszunützen und die Nachvollziehbarkeit so sehr zu verschleiern, bis die Kontrollinstanzen sich nicht mehr auskennen und w.o. geben."

 

Abgekartetes Spiel?

Aber hat die EU überhaupt Interesse, die Konsumenten zu schützen, oder ist es doch wichtiger, potente Wirtschaftszweige zufrieden zu stellen? Letzteres vermutet nämlich Reinhard Göweil in der Wiener Zeitung: "Tiermehl wird als Futtermittel wieder erlaubt, zuerst in der Fischzucht, danach bei Hühnern und Schweinen. Das vergällt einem nicht nur den Appetit, sondern auch den Glauben an eine verantwortungsvolle EU. Es bleibt die Erkenntnis, dass eine unheilige Allianz aus Agrar- und Lebensmittellobby schalten und walten kann, wie sie will."

Dafür, dass Fleischpanscherei mehr ein abgekartetes Spiel als ein krimineller Einzelfall ist, spricht auch Folgendes: Die Tierschutzorganisation Humane Society International hatte bereits 2012 in einer Studie vorgerechnet, dass in europäische Märkte mehr Pferdefleisch importiert wurde als offiziell konsumiert. Der Bericht inklusive Verdacht, Pferdefleisch könne in Fertiggerichte beigemengt werden, wurde veröffentlicht – und blieb ohne Folgen.

Sascha Bém

 

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