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Politik nach dem Salzburger Finanzskandal

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relevant Redaktion

Politik nach dem Salzburger Finanzskandal

19.12.2012
Im Finanzskandal gibt es noch einige offene Punkte zu klären. Für die Kommentatoren stellt sich bereits die Frage, welche Konsequenzen die Politik daraus ziehen muss - nicht nur in Salzburg.

In Salzburg bleibt nach Bekanntwerden des Finanzskandals am 6. Dezember kein Stein auf dem anderen: Finanzreferent David Brenner legt mit 23. Jänner 2013 sein Amt zurück, Anfang Februar wird der Landtag Neuwahlen beschließen, die im Mai stattfinden sollen.

Hofrat Eduard Paulus, der Leiter der Finanzabteilung des Landes Salzburg, wurde vor wenigen Tagen von der anonymen Gruppe "Salzburger Beamtenschaft" wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und Untreue angezeigt.

 

Brisante Details

Unterdessen werden täglich neue Details bekannt. So soll die Salzburger Landesregierung jahrelang mit Wohnbaugeldern spekuliert und damit gegen die Richtlinien der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) verstoßen haben, die die Veranlagung von Bundesmitteln untersagt.

Von den rund 1,8 Milliarden Euro, die das Land Salzburg an Krediten bei der ÖFBA aufgenommen hat (doppelt so viel wie andere Bundesländer), ist der Verbleib von rund 445 Millionen Euro noch ungeklärt. Die Schulden des Landes belaufen sich auf geschätzte 2,3 Milliarden Euro.

Unheilvoll resümiert Christoph Reiser von den Salzburger Nachrichten: "Griechenland rückt jeden Tag ein Stück näher."

 

Es begann 2001 ...

Wie es dazu kommen konnte, zeichnen Gernot Bauer und seine Kollegen von profil eindrucksvoll in ihrer Chronologie nach, die sich von 2001 bis 2012 erstreckt.

Auf Betreiben des damaligen Finanzlandesrates, Wolfgang Eisl (ÖVP), soll zum Zwecke des besseren Schuldenmanagements mit Zinstauschverträgen (Swaps) gearbeitet werden dürfen. In weiterer Folge erhält eine ausgesuchte Runde Beamter eine Vollmacht, um Gelder zu veranlagen. Unter ihnen ist auch jene Mitarbeiterin, durch die der Fall im Herbst dieses Jahres ins Rollen kommt.

Dass Salzburg mit dieser Entscheidung damals durchaus im Trend liegt, bestätigt Manfred Perterer von den Salzburger Nachrichten: "Damals herrschte noch Aufbruchstimmung. (...) Politiker wollten endlich gestalten und nicht nur verwalten. Und sie wollten vor allem verteilen und nicht sparen."

Andreas Schauder von Der Standard setzt nach: "Ob Bund, Länder oder Gemeinden: Die hohe Schuldenlast verlockt zu allerlei Finanztricks, mit denen man vermeiden will, ineffiziente Verwaltungsstrukturen und Subventionen zum Wohle der eigenen Klientel zu beseitigen."

 

Neue Regierung, alter Kurs

Auch die neue Salzburger Regierung unter Gabi Burgstaller (SPÖ), die seit 2004 Landeshauptfrau ist, sieht offenbar keinen Grund, am Gebahren ihrer Beamten, die im großen Stil Gelder veranlagen, etwas zu ändern.

Das Blatt wendet sich vier Jahre später. Der bereits erwähnte Gernot Bauer und seine Kollegen von profil bilanzieren nüchtern: "Im Jahr 2003, als sämtliche Börsen boomten, waren derartige Finanzprodukte State of the Art, nach dem weltweiten Zusammenbruch der Märkte und der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 sind sie Teufelszeug."

 

Spekulation trotz Krise

2009 wird die Frage nach Veranlagungen von Steuergeldern im Landtag virulent, als die Grünen entsprechende Anfragen zu finanziellen Vorgängen der vergangenen Jahre einbringen.

Zu denken gibt in diesem Zusammenhang die Bemerkung von Markus Staudinger von den Oberösterreichen Nachrichten: "Es war nie ein Geheimnis, dass das Land wie kein anderes mit riskanten Derivatgeschäften operierte."

Geht man nach den Ausführungen von Eva Komarek vom Wirtschaftsblatt, handelte Salzburg dabei wider besseres Wissen: "Die OeNB (Österreichische Nationalbank, Anm.) hat sofort nach Ausbruch der Krise gewarnt, der Rechnungshof zeigt immer wieder die Missstände auf und sogar der Gemeindebund hat seinen Mitgliedern schon 2009 einen Katalog an Empfehlungen übergeben, um diese vor Spekulationsabstürzen zu bewahren. Allein, geholfen hat es offensichtlich nicht."

Bis 2012 spitzen sich die finanziellen Probleme Salzburgs zu. Besagter Beamtin wird untersagt, die Spekulationen fortzusetzen. Zu jenem Zeitpunkt wird von offizieller Seite noch von 50 Derivatgeschäften ausgegangen. Im Herbst jedoch wird bekannt, dass es noch weitere 253 gibt, die in den Bilanzen nicht aufscheinen.

Markus Staudinger (Oberösterreichische Nachrichten) schüttelt wie so viele den Kopf: "Ein Bundesland ist keine Investmentbank."

Durch die Anzeige gegen die Beamtin, eingebracht von der anonymen Gruppe "Die Salzburger Beamtenschaft" im November, gewinnt die Causa an Dynamik. Anfang Dezember wird Gabi Burgstaller über die Lage ins Bild gesetzt, wenige Tage danach erstattet David Brenner Anzeige gegen die Beamtin wegen Untreue, Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung. Dass niemand von ihrem Vorgehen gewusst haben soll, ist für den Laien schwer zu glauben.

Burgstaller tritt wenige Tage danach vor den Landtag und entschuldigt sich unter Tränen bei den Bürgern.

Aus Sicht von Daniela Kittner vom Kurier hat jedoch nicht nur Salzburgs Regierung Erklärungsbedarf: "Rechnungshof-Präsident Josef Moser muss die Schmach ausbügeln, dass am Tag des Bekanntwerdens der Spekulationsverluste ein lobender Rechnungshof-Bericht über das Salzburger Finanzmanagement erschien."

Die Ermittlungen laufen.

 

Neue Politik gefragt

Die Ereignisse lassen für Alois Vahrner von der Tiroler Tageszeitung nur einen Schluss zu: "Ausstieg aus allen riskanten Deals."

Nicht genug aus Sicht von Manfred Perterer (Salzburger Nachrichten): "Politiker müssen wieder etwas von der Materie verstehen, die sie betreuen. Derzeit ist dies nicht Voraussetzung für eine Funktion. So können Beamte tun und lassen, was sie wollen."

Der Leiter des Instituts für Föderalismus in Innsbruck, Peter Bußmüller, hat dazu noch eine bezeichnende Anmerkung in seinem Gastkommentar für Die Presse - Stichwort Steuerautonomie: "Da müssten nämlich die verantwortlichen Politiker primär vor ihrer eigenen Bevölkerung ihr Verhalten rechtfertigen. Die Bürger wüssten auch, wem sie Steuererhöhungen zu verdanken haben, wenn die Verluste einmal schlagend werden."

 

Bund vs. Länder

In diesem Punkt ist das letzte Wort zwischen Bund und Ländern noch nicht gesprochen. Letztere beraten aktuell in Innsbruck bei einer außerordentlichen Tagung über künftige Finanzregeln. Die Regierungsparteien wollen mit ihrem separaten Entwurf im Jänner an die Öffentlichkeit gehen. Ob es dabei auf eine Ergänzung der Verfassung (wie es die SPÖ favorisiert) hinausläuft oder ein einfaches Gesetz (wie es die ÖVP anstrebt), ist noch unklar.

Klar dagegen ist, dass Salzburg kein Einzelfall sein dürfte. Und dass es nicht weitergehen kann, wie bisher. Steht auch für Bernhard Felderer, den Leiter des Staatsschuldenausschusses, der sich für bundesweit einheitliche gesetzliche Richtlinien ausspricht, außer Zweifel. Er ist überzeugt: "Die Länder werden zum ersten Mal eine Beschränkung akzeptieren müssen."

Ute Rossbacher

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