Quelle: ZAMG

Interviews

Weitere Meinungsthemen

Schärfere Waffengesetze nach Amoklauf?

Peter Foley/EPA/picturedesk.com

relevant Redaktion

USA: schärfere Waffengesetze nach Amoklauf?

18.12.2012
Rund 40 Prozent der US-Haushalte verfügen über Waffen. Sie den Amerikanern zu verbieten, ist schwierig; ihnen den Zugang zu erschweren, jedoch nicht mehr unmöglich.

"Es ist das schrecklichste, das ich in mehr als 30 Berufsjahren gesehen habe", zeigt sich der leitende Gerichtsmediziner H. Wayne Carver nach dem jüngsten Amoklauf in der Kleinstadt Newtown im US-Bundesstaat Connecticut tief erschüttert.

20 Kinder im Alter von sechs bzw. sieben Jahren streckte der Amokläufer Adam Lanza an der Sandy-Hook-Schule mit seinem Sturmgewehr am vergangenen Freitag nieder, weiters sechs Mitarbeiterinnen der Einrichtung. Zuvor hatte der 20-jährige Mann noch in seinem Elternhaus seine Mutter, die ebenfalls als Lehrerin an der Schule beschäftigt war, erschossen. 

Beklemmend ist dabei die Kalblütigkeit, mit der der Mann, der sich nach der Bluttat selbst richtete, zu Werke ging: Bis zu elf Mal schoss er jeweils auf die Opfer.

Die Motive, die den als introvertiert geltenden Mann zu seiner Schreckenstat veranlassten, liegen für die Ermittler noch im Dunklen. Bekannt ist dagegen, dass Lanza zurückgezogen bei seiner Mutter, die seit 2008 geschieden war, lebte. Sie soll, weiß die New York Times zu berichten, Waffennärrin gewesen sein, ihren Sohn zum Schießstand mitgenommen haben. Dazu passt, dass die Polizei in ihrem Haus drei registrierte Waffen - ein halbautomatisches Sturmgewehr und zwei Pistolen - sicherstellte.

 

Zahl der Waffengegner steigt

Wenig überraschend hat der Amoklauf, der sich in eine bedenklich lange Liste vergleichbarer Ereignisse einreiht, die Debatte über eine Verschärfung der Waffengesetze neuerlich entfacht. Die Zeichen dafür stehen gut wie lange nicht: Jüngsten Umfragen der Agentur Reuters zufolge sind 50 Prozent der Befragten dafür. 158.000 US-Bürger unterschrieben überdies eine entsprechende Petition.

Mit ihnen allen auf einer Linie sind Kommentatoren führender Medien des Landes, unter ihnen David Gergen von CNN: "In einem Land, in dem rund 300 Millionen Waffen im Umlauf sind, die obendrein leicht zugänglich für Geisteskranke sind, läuft etwas verheerend falsch. (...) Wenn wir unsere Kultur bzw. Gesetze nicht ändern, ermöglichen wir es dem nächsten Einzelgänger zuzuschlagen. Dann klebt das Blut auch an unseren Händen."

 

Mehr Betreuung für Geisteskranke

Bei Keith Ablow stößt Gergen vor allem mit einem ganz bestimmten Punkt auf offene Ohren, hat doch der Psychiater gerade erst einen alarmierenden Weckruf per Fox News gestartet: "Einige meinen, dass Waffenkontrolle die Lösung ist, aber diese geht am Offensichtlichen vorbei: Nicht zu viele Waffen sind das Problem; zu wenig ärztliche Versorgung für Geisteskranke ist es."

Diese, so der Gastautor weiter, werden höchstens ambulant betreut und bleiben ohne erforderliche Aufsicht, wenn sie nicht entsprechend versichert seien. Der Autor aufgebracht: "Ein geisteskranker Patient erhält wahrscheinlich gerade einmal eine Stunde Beratung pro Woche durch einen Sozialarbeiter (wenn überhaupt). Die Diagnose seines Zustandes ist wahrscheinlich nicht eindeutig, und er bekommt permanent wechselnde starke Psychopharmaka von einer Krankenschwester verschrieben."

 

Leichtes Spiel für Amokläufer

Nicht weniger berunruhigend ist der Befund, den die New York Times zum Zustand der amerikanischen Nation ausstellt: "Je mehr Waffen es gibt, desto mehr Morde. Im Falle der USA sogar auffällig mehr: Die Mordrate ist gut 15 Mal so hoch wie in anderen Wohlstandsländern, die über wesentlich strengere Waffengesetze verfügen."

Deshalb ist die Universitätsprofessorin Lucinda Roy in ihrem Gastkommentar für USA Today auch überzeugt: "Wir sollten uns eingestehen, dass diese Massaker in den USA keine Ausnahmen sind, sondern die Regel."

Ein Schluss, zu dem auch Robert Wright vom Magazin The Atlantickommt, der Magazine ab sechs Kugeln aufwärts hinterfragt, da erst durch diese Amokläufer leichtes Spiel haben.

An dieser Stelle verliert auch für Jeffrey Goldberg von Bloomberg der Anspruch, dass jeder private Haushalt über Schusswaffen aller Art verfügen dürfe, jegliche Berechtigung: "Aus meiner Sicht ist nicht einzusehen, warum ein Jäger oder jemand, der seine Familie vor Einbrechern schützen will, um jeden Preis ein Magazin mit einer Kapazität von bis zu 30 Kugeln braucht. Sollte Ihr Heim von 20 oder 30 Einbrechern gleichzeitig bedroht werden, haben Sie ohnehin ein unlösbares Problem."

 

Nicht ohne NRA

Als größtes Hindernis auf dem Weg zu einer Verschärfung der Waffengesetze sieht Goldberg übereinstimmend mit anderen Autoren die NRA - die amerikanische Waffenlobby "National Rifle Association". Wobei deren Standpunkte nicht immer so radikal wie in den vergangenen Jahren gewesen seien, gibt der Autor zu bedenken: "Bis die Hardliner 1977 die Macht in der Vereinigung übernahmen, stand diese lange Zeit durchaus für Maßnahmen zur Kontrolle privaten Waffenbesitzes."

Um diese wiederzubeleben, zeigt sich Adam Cohen vom Magazin Time kompromissbereit: "Man sollte akzeptieren, dass die Unterstützung für Waffen groß bleiben wird, und auf einen beidseitigen 'großen Kompromiss' hinarbeiten, der attraktive Anreize für Waffenbesitzer im Tausch für vernünftige Beschränkungen gewährt."

 

Politische Schritte

US-Präsident Barack Obama ist jedenfalls entschlossen, diese zu erzielen. Seine Unterstützer blicken dabei nach Kalifornien, wo der Waffenbesitz im Vergleich zu anderen Bundesstaaten bereits strenger geregelt ist.

Mit Spannung erwartet wird in diesem Zusammenhang der 3. Jänner 2013: An diesem Tag will die demokratische Senatorin Dianne Feinstein einen Antrag zu einem Verbot von Sturmgewehren und Magazinen mit mehr als zehn Patronen zur Abstimmung einbringen. Eine Absegnung des Gesetzesentwurfs wäre für amerikanische Verhältnisse ein echter Durchbruch. Und überdies ein erster Schritt, um die erschreckend hohe Zahl jener Amerikaner, die jährlich durch Schusswaffen sterben, zu reduzieren. - Derzeit sind es rund 30.000.

Ute Rossbacher

Home
Politik
Chronik
Wirtschaft
Sport
Kultur
Society
Life
Reise
Motor
Hightech