Quelle: ZAMG

Interviews

Weitere Meinungsthemen

Der Kongo findet keinen Frieden

Dai Kurokawa/EPA/picturedesk.com

relevant Redaktion

Der Kongo findet keinen Frieden

27.11.2012
Die Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo sind ein erbitterter Kampf zwischen verfeindeten Volksgruppen. Die Gründe dafür liegen jedoch nicht nur in Afrika.

Seit mehr als einer Woche ist die Demokratische Republik Kongo wieder täglich in den Schlagzeilen zu finden. Der grausame Konflikt, der die Region seit Jahrzehnten in Atem hält, hat jedoch nie pausiert.

Seit 1999 ist die mit 20.000 Mann umfassende UN-Stabilisierungsmission Monusco als größte ihrer Art im Kongo stationiert. Der Sicherung der Zivilbevölkerung ist sie dabei kaum gewachsen. Zu enorm ist die Ausdehnung des Staates, der etwa 2,3 Millionen Quadratkilometer misst und rund 72 Millionen Einwohner zählt. Vor allem in den Grenzregionen zu den Nachbarstaaten Ruanda und Uganda befinden sich zahlreiche ethnische Gruppierungen, die zum Teil in erbitterter Feindschaft Seite an Seite leben - und sterben.

 

Ein Leben auf der Flucht

Ihre Zugehörigkeit ist jedoch nicht der Auslöser der blutigen Dauerkonflikte, wie Experte Christoph Vogel gegenüber der ARD Tagesschau betont: "Hauptursache sind die koloniale Grenzziehung und die sogenannte Ethnisierung von außen. Denn Huti und Tutsi sind streng genommen keine verschiedenen Ethnien, wurden aber in der Kolonialzeit als solche klassifiziert. Das hat Auswirkungen bis heute."

Als blutiger Höhepunkt ging der Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 in die Geschichte ein, bei dem binnen 100 Tagen zwischen 800.000 und 1.000 000 Tutsi ermordet wurden. Nachdem eine von Tutsis geführte Regierung das Kommando über das Land übernommen hatte, setzte eine Massenflucht der Hutu in den benachbarten Kongo ein, wo sich jene geschätzten 100.000 unter ihnen, die am Völkermord beteiligt gewesen waren, mit den dortigen Hutu-Rebellen verbündeten. Übergriffe auf die Tutsi des Landes trieben wiederum Hunderttausende in die Flucht. Eine grausame Spirale, die in insgesamt drei Kongo-Kriegen mit Millionen Opfern mündete. Politologe Séverine Autesserre wird in seinem Gastkommentar für die New York Times konkreter, wenn er von fünf Millionen Toten allein zwischen 1998 und 2007 berichtet.

Antje Diekhans von der ARD zitiert Dominic Keyzer von der Hilfsorganisation World Vision, um die Dramatik der Lage zu verdeutlichen: "Für viele Menschen besteht ihr gesamtes Leben nur aus Flucht."

 

Reiches Land, armes Volk

Nur eines von vielen Problemen, die die Region geiseln. Gemäß dem Human Index Development der Vereinten Nationen ist die Demokratische Republik Kongo das ärmste Land der Welt. Weitere beklemmende Zahlen hält noch Séverine Autesserre (New York Times) parat: "Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 48 Jahren, mehr als 80 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als zwei Dollar am Tag."

Gleichzeitig ist das Land reich wie kaum ein anderes, zeigt Tom Schimmeck von der Berliner Zeitung auf: "Bis heute giert die Welt nach den enormen Vorräten an Gold und Diamanten, Kupfer, Kobalt, Zink und das für unsere Handys so wichtige Coltan. Das Land steht im Zentrum eines neuen, globalen Gerangels um Afrikas Schätze."

Begonnen hatte dieser bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Kongo von belgischen Kolonialherren unterdrückt und ausgebeutet wurde. 1960 kam zwar die ersehnte Unabhängigkeit von Europa, dafür jedoch die Diktatur. Diese währte mehr als 30 Jahre. Seit Mitte der 90er-Jahre toben die erbitterten Kämpfe, die die Region ins Chaos stürzten.  

 

Einst Kriegsverbrecher, heute Soldat

Auch wenn sich aktuell die Rebellentruppe M23 (Bewegung 23. März, benannt nach jenem Tag im Jahr 2009, als ein Friedensabkommen in der Region geschlossen wurde), bereit erklärt hat, aus den Städten, die sie seit mehr als einer Woche in Ostkongo besetzt hält, abzuziehen, um mit der Regierung unter Präsident Joseph Kabila zu verhandeln, ist die Region von einem Ende des Konflikts weit entfernt.

Denn, so Alan Doss, der bis 2010 die UNO-Mission im Kongo leitete, ernüchtert in der Basler Zeitung: "Alle M23-Rebellen sind eigentlich kongolesische Soldaten. Als man die Friedensverträge 2002 abschloss, war unklar, was man mit den 350.000 Milizionären machen sollte. Demobilisieren oder in die Armee integrieren?, das war die Frage. Rückblickend muss man sagen, es war falsch, sie zu integrieren."

Warum, weiß Andrea Böhm von Die Zeit: "Es gibt kein 'screening', um jene Anwärter auszusortieren, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. (...) Es wird integriert ohne zu disziplinieren. Wer Amok läuft oder plündert, geht meist straflos aus."

Zusätzlich schwächt die Truppenmoral, dass Gehälter nur unregelmäßig gezahlt werden. Die Soldaten sind daher versucht, sich mit dem Schmuggel wertvoller Bodenschätze über Wasser zu halten. Und sind dabei nicht allein. Vor einigen Jahren sorgte für Schlagzeilen, dass Mitglieder der UN-Truppen in den illegalen Handel von Gold und Elfenbein verstrickt sein sollen.

 

Schuldfrage

Für Simon Tisdall von The Guardian nur einer von vielen Beweisen, dass die Verantwortung an der verfahrenen Lage im Kongo nicht nur in Afrika liegt: "Theoretisch nimmt die Welt Anteil, deshalb ist auch die UNO (im Kongo, Anm.) stationiert. Aber aus welchem Grund auch immer wird der Kongo weltweit nicht als Problem oder Anliegen wahrgenommen. Es ist ein Makel im Bewusstsein der internationalen Gemeinschaft, der weitestgehend ignoriert wird. Aufgrund dieser tödlichen Verweigerungshaltung machen sich alle schuldig."

Nicht nur er plädiert für ein stärkeres Engagement der internationalen Gemeinschaft für einen dauerhaften Frieden in der von beispielloser Gewalt, Armut und Not gezeichneten Region.

 

Erster Schritt

In Afrika selbst ist die Sorge jedenfalls groß, geht man nach den dortigen Medien. Die südafrikanische Tageszeitung Times Live etwa legt der kongolesischen Regierung nahe: "Eine langlebigere Lösung verspricht, wenn Joseph Kabila (kongolesischer Präsident, Anm.) mit den Rebellen verhandelt, zusichert, dass die Gewinne aus der Förderung der Bodenschätze zwischen den Ländern der Region gerechter verteilt werden, und die Armee überprüft wird."

Zumindest den ersten Punkt hat das Staatsoberhaupt bereits auf seiner Agenda. Die Rebellen haben sich am (heutigen) Dienstag zu Verhandlungen mit ihm bereit erklärt.

Ute Rossbacher

Home
Politik
Chronik
Wirtschaft
Sport
Kultur
Society
Life
Reise
Motor
Hightech