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Frauen an der Spitze: eine Frage der Quote?

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relevant Redaktion

Frauen an der Spitze: eine Frage der Quote?

15.11.2012
Als "Quotenfrau" geduldet zu sein, das möchten wohl nur die wenigsten Arbeitnehmerinnen. Die Signale, die derzeit von der Politik ausgehen, sind dennoch nicht zu verachten.

Es ist eine der stärksten Szenen in der ersten Staffel der dänischen Erfolgsserie Borgen - Gefährliche Seilschaften (Folge: "Wenn Männer lieben"): Die Premierministerin sitzt in ihrem Büro dem größten Unternehmer des Landes gegenüber, der seinen Unmut über ihr Bestreben, eine Frauenquote für Führungspositionen durchzusetzen, zum Ausdruck bringt und dazu sinngemäß folgendes Beispiel ins Feld führt:

"Wenn ein Orchester neue Musiker aufnimmt, spielen die Bewerber hinter einem Vorhang, damit gewährleistet ist, dass wirklich nur die oder der Beste ausgewählt wird."

Der nüchterne Konter der Regierungschefin: "Wie wir beide wissen, werden die Posten in der Wirtschaft nicht auf diese Weise vergeben."

Anschaulich verdeutlicht das auch die ZDF-Serie Der große Bellheim (1992), für die Regisseur Dieter Wedel jahrelang und umfassend recherchierte und dabei tief in die Welt des Großunternehmertums und der Hochfinanz eindrang. Ein Telefonat genügte da bisweilen schon, um einen frei gewordenen Aufsichtsratsposten direkt an einen befreundeten Kollegen zu vergeben.

 

"Durch männlich geprägte Hierarchien ausgebremst" 

Auch Hans-Ulrich Wehler von Die Zeit dürfte dieses Phänomen vertraut sein. Zumindest die Zahlen, die er zitiert, sprechen eine deutliche Sprache: So fänden sich in den 626 umsatzstärksten Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung Deutschlands gerade einmal zwölf Frauen. Für ihn steht außer Frage: "Je höher die Berufsposition gelagert ist, desto ausgeprägter kommt die Vorherrschaft der Männer zur Geltung."

Auf der Suche nach Ursachen stößt Julia Löhr von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf eine Umfrage des deutschen Branchenverbandes BDU unter deutschen Personalberatern, die vielfach bestätigen, "dass qualifizierte Frauen noch zu oft durch männlich geprägte Hierarchien und Karriere-Spielregeln ausgebremst würden."

 Für Johanna Ruzicka von Der Standard steht damit außer Frage: "So etwas lässt sich nur mit einer Quotenregelung aufbrechen."

 

Politische Signale

Auch wenn die Einführung einer gesetzlich verankerten Frauenquote Sache der einzelnen EU-Staaten ist, setzte Brüssel am (gestrigen) Mittwoch ein viel diskutiertes Zeichen: Justizkommissarin Viviane Reding gibt den börsennotierten Unternehmen europaweit vor, ihre Aufsichtsräte künftig zu 40 Prozent mit Frauen zu besetzen. Vorstände sind von dieser Regelung ausgenommen. Im Falle der Nichteinhaltung sind derzeit keine Sanktionen vorgesehen.

Die derzeitige Lage in Österreich: Alle Unternehmen, an denen der Bund mehr als 50 Prozent der Anteile hält, haben sich selbst dazu verpflichtet, bis Ende 2013 25 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen. Knapp die Hälfte der insgesamt 55 Betriebe soll nach offiziellen Angaben die Auflage bereits erfüllen.

Diese auch auf die Privatwirtschaft auszudehnen, lehnen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ebenso wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ab.

Im Gegensatz dazu sind andere europäische Staaten einen Schritt weiter. Sissi Eigruber vom Wirtschaftsblatt erinnert an zwei federführende Beispiele: "Norwegen und Frankreich haben bereits entsprechende Quoten-Gesetzgebungen verabschiedet, die Sanktionen beinhalten."

Eva Linsinger und Edith Meinhart vom profil ergänzen anerkennend: "Selbst in der als besonders wirtschaftsliberal bekannten Schweiz ist die Auftragsvergabe an Gleichstellung in den Firmen gekoppelt."

 

Emotionale Debatte

Große Bedenken gegen diesen Paradigmenwechsel hegt Joachim Jahn von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Die Aktionäre, denen das Mitbestimmungsgesetz schon die Hälfte der Mitglieder in den Aufsichtsräten aufoktroyiert, werden durch dieses gesellschaftspolitische Anliegen noch ein Stück weiter enteignet."

Auch die renommierte Journalistin Hildegard Stausberg macht aus ihrer Meinung zu dieser Frage in ihrem Gastkommentar für Die Welt keinen Hehl: "Eine Frauenquote wird Entscheidungsprozesse dramatisch verkomplizieren und vor allem – durch die nicht an Kompetenzkriterien orientierten Absprachemechanismen – unnötig hinauszögern. Das ist Geschlechterrassismus."

Klaus Werle von Der Spiegel zitiert dazu den früheren Aufsichtsrat der Deutschen Börse, Manfred Gentz, der davon ausgeht, dass es "eine vorübergehende Benachteiligung von gleich oder sogar etwas besser qualifizierten Männern geben wird".

Die möglichen Auswirkungen malt schon sein Kollege Christof Kleinmann (Der Spiegel) an die Wand: "Werden männliche Kandidaten trotz besserer Eignung abgelehnt, können sie das Unternehmen unter Umständen wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung auf Entschädigung oder Schadensersatz verklagen."

Kritikern wie Kleinmann entgegnet Autorin Amelie Fried in der Süddeutschen Zeitung, dass es bei der Frauenquote nicht um Bevorzugung, sondern um Chancengleichheit gehe. Und damit nicht genug: "Selbst bei Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent hätten wir noch immer eine Männerquote von 70 Prozent. Das soll Diskriminierung sein?"

Zu diesem Schlagwort kommen Tina Groll von Die Zeit andere Assoziationen in den Sinn, zum Beispiel Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit ("Gender Pay Gap"). Ihr bitteres Resümee: "Nicht einmal in Zeiten der Euro-Krise scheint es sich für Firmen zu lohnen, die Entscheidungsgremien mit günstigen Frauen zu besetzen."

 

Problem: Studienwahl?

Für Jan Fleischhauer von Der Spiegel ist das Problem der mangelnden Zahl an weiblichen Führungskräften auch hausgemacht. Zu viele setzten immer noch auf geistes- und kulturwissenschaftliche Fächer statt auf technische Studien, gibt er zu bedenken. Eine Frauenquote bringe daher bestimmte Branchen erheblich unter Druck.

 Dazu Amelie Fried (Süddeutsche Zeitung) entwaffend: "Die meisten in deutschen Unternehmen amtierenden Vorstände und Aufsichtsräte haben Jura oder Wirtschaft studiert - auch in Technologie-Unternehmen. Und hervorragende Juristinnen und Wirtschaftswissenschaftlerinnen gibt es wahrhaftig genügend."

 

 Zeichen gegen Vorurteile

Versöhnlich muten da die Ausführungen von Thomas Ludwig vom Handelsblatt an: "Die Frauenquote beflügelt eine notwendige gesellschaftliche Debatte darüber, was für die Zukunft wünschenswert ist. (...)  Ein gewisser politischer Druck wirkt bisweilen Wunder."

Eine echte Chance, auf die Frauen mit Karrierewunsch bauen sollten, ist daher Sozialforscherin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, im Gespräch mit der Financial Times Deutschland zuversichtlich: "Die Unternehmen werden sich mehr und mehr bewusst, dass sie die Frauen nicht nur des Firmenimages wegen fördern sollten, sondern vor allem, um in ein paar Jahren genügend adäquate Führungskräfte zu haben."

 Ein Kurs, der wohl ganz im Sinne der Schweizer Ökonomin Iris Bohnet wäre, die im Interview mit relevant im Frühjahr dieses Jahres betonte: "Solange wir keine Frauen in Führungspositionen sehen, werden sich unsere Stereotype und Vorurteile nicht ändern, und in Österreich, der Schweiz, den USA und auf der ganzen Welt werden Frauen diskriminiert werden."

Dass das nicht aus der Luft gegriffen ist, sieht Sabine Meinert von der Financial Times Deutschland durch eine Umfrage des Berufsverbandes "Die Führungskräfte - DFK" bestätigt: Knapp 62 Prozent der befragten Frauen gaben darin an, aufgrund ihres Geschlechts schon einmal am Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein. Wichtig ist der Autorin dabei der Zusatz: "Egal, welche Altersgruppen, ob Kinder oder keine, im Teil- oder Vollzeitjob - die Diskrimierung zieht sich überall durch."

 

Dänische Lösung?

In der eingangs zitierten Serie Borgen - Gefährliche Seilschaften übrigens verzichtet die dänische Premierministerin letztlich auf eine gesetzlich verankerte Frauenquote. Stattdessen packt sie den in die Jahre gekommenen Unternehmer bei der Eitelkeit. Er habe das Privileg, sich als fortschrittlicher Mann mit Visionen zu präsentieren und mit gutem Beispiel voranzugehen, indem er Frauen in seinen Aufsichtsrat berufe. Und die Regierungschefin verspricht sinngemäß: "Damit haben Sie auch die Chance, sich vor allen anderen die besten Frauen des Landes zu sichern." - Ein Angebot, das der Unternehmer nicht ausschlagen wird.

Bleibt noch die Frage der Alltagsorganisation von Frauen, die in Führungspositionen tätig sind. Eine Herausforderung, die die verheiratete Mutter von zwei Kindern, Iris Bohnet, bereits auf ihre Art gelöst hat, wie sie relevant erzählte: "Mein Mann und ich sind gleichberechtigte Partner und teilen uns die Familienarbeit - und zwar wirklich. Dies hat mir deutlich gemacht, dass es Frauen nicht möglich sein wird, in Beruf, Beziehung und Familie erfolgreich zu sein, solange wir die Gender Gaps zu Hause nicht abbauen."

Aber das ist wieder eine andere Geschichte ...

Ute Rossbacher

 

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