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"Manchmal frustrierend, hier Musiker zu sein"

Franco Garzarolli

relevant Redaktion

"Manchmal frustrierend, hier Musiker zu sein"

03.10.2012
Die Rounder Girls im entspannten Interview über Musik-Machen in Österreich, weibliche Rundungen und eingeschüchterte Männer.

Man hört sie vielleicht nicht im Radio, dafür aber gelten sie als Geheimtipp in der österreichischen Musikszene: die Rounder Girls. Wo Tini Kainrath, Lynne Kieran (geboren in London) und Kim Cooper (geboren in New York) auftreten, regieren absolute stimmliche Einheit und jede Menge Selbstbewusstsein. Stilsicher wie kaum jemand sonst bewegen sich die "Girls", die 2013 ihr 20-jähriges Jubiläum feiern, zwischen Jazz, Pop und Gospel. Ein Hör-Erlebnis der Sonderklasse.

Einen Tag vor der Live-Premiere ihrer neuen CD "Women" sprachen Kainrath und Kieran mit relevant-Redakteur Manuel Simbürger.

 

relevant: Was tut sich aktuell bei den Rounder Girls?
Lynne Kieran: Am 3. Oktober feiert unsere neue CD  "Women" im Lokal "Kulisse" Premiere, worauf wir uns schon sehr freuen. Im November kommt außerdem unsere Gospel-CD. Wir sind also sehr fleißig! (lacht)

Tini Kainrath: Jetzt gerade kommen wir von einer Probe mit Marianne Mendt. Sie hat uns eingeladen, bei ihrem Joe Zawinul-Tribute in St. Pölten dabei zu sein.

Ist Marianne Mendt so etwas wie ein Vorbild für euch?
Kainrath: Ich habe selten ein Vorbild, am ehesten jene Leute, die mit 80 noch auf der Bühne stehen und singen. Marianne ist eher wie eine Schwester, eine ganz tolle Kollegin. Für mich als Österreicherin ist sie eine Ikone des Wiener Liedes. Man vergisst leicht, dass sie, und nicht der Ambros, die erste war, die Pop-Lieder auf Wienerisch gesungen hat. Das rechne ich ihr hoch an!

 

"Als Sängerin hat man Sonderstatus"

Ist es härter, sich als Frau in der österreichischen Musikbranche zu bewähren?
Kainrath: Als Sängern hat man per se einen Sonderstatus, was zugleich gut und schlecht ist. Einerseits wird man als Sängerin nie gänzlich voll genommen, man wird leicht für dümmlich gehalten. Zugleich befindet man sich aber auch in der Position des Leaders. Eine schwierige Frage.

Kieran: Ich denke schon, dass man es als Sängerin schwerer hat. Ist man in Begleitung eines Mannes, wird automatisch der Mann angesprochen, da angenommen wird, er hat das Sagen. Verschafft man sich als Frau Gehör, ist man bald als Diva verschrieen. Das ist nicht nur im Musik-Biz so.

Kainrath: Wir sind Gott sei Dank von Grund auf starke Frauen, die wissen, was sie wollen. Deshalb fällt es uns persönlich nicht schwer, uns durchzusetzen.

Bei so starken Persönlichkeiten – kommt es da innerhalb der Gruppe manchmal zu Reibereien?
Kainrath: Natürlich! (lacht)

Kieran: Aber: Wir feiern nächstes Jahr unser 20-jähriges Jubiläum! Das sagt ja schon einiges darüber aus, wie toll wir uns verstehen. Wir sind sehr gute Freundinnen und halten jeweils der Anderen den Rücken frei.

Kainrath: Wir ringen gemeinsam um Lösungen. Und gerade weil wir das können, gibt es uns auch schon so lange. Wir sind zwar sehr verschieden, aber unsere individuelle Stärke verbindet uns.

 

"Wir sind eine Familie"

Wie würdet ihr euch gegenseitig beschreiben?
(beide lachen) Kainrath: Lynne ist Widder mit Aszendent Steinbock. Das heißt, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann hat es nicht viel Sinn, dem etwas entgegenzusetzen. Das zeichnet sie aber auch aus. Außerdem hat sie ein unglaublich großes Herz. Es ist zwar sehr schwer, dass sie einen hineinlässt, aber wenn man das geschafft hat, bleibt man für immer und ewig drin. Lynne ist wie eine Kathedrale, in der man sich sehr wohl fühlt.

Kieran: Tini ist Liebe für mich. Sie strahlt Geborgenheit aus. Und sie ist sehr analytisch, löst jedes Problem. Egal, was passiert – sie ist für einen da. Das ist ein unglaublich schönes Gefühl. Wir drei sind eine Familie.  

Kainrath: Wir schätzen sehr, was wir aneinander haben. Das Leben ist oft einsam genug.

Wie sind die Rounder Girls eigentlich entstanden?
Kainrath: Wir haben alle zur gleichen Zeit im "Roten Engel" gesungen. Wir waren von Anfang an fasziniert voneinander. Weil wir alle damals eine Frauengruppe gründen wollten, haben wir uns zusammen getan. Männer haben sich keine gefunden! (lacht) Die US-amerikanische Band En Vogue hat uns inspiriert.

Und woher kommt der Name "Rounder Girls"?
Kainrath: Lynne hat einen gleichnamigen Song geschrieben, ein starkes, positives Lied über runde Frauen. Und natürlich bezieht sich der Name auf unsere weiblichen Rundungen. Damit nehmen wir den Kritikern auch gleich den Wind aus den Segeln.

 

"Es lebe die Vielfalt"

Wollt ihr damit auch gegen den Schlankheitswahn ankämpfen, dem immer mehr junge Mädchen verfallen?
Kieran: Auch ich mag es, in Modemagazinen zu blättern, aber oftmals sind dort solch derart dürre Frauen abgebildet, dass es verstörend wirkt. Und es ist besorgniserregend, wie sehr mit Photoshop getrickst wird, um ein Frauenbild zu erschaffen, das mit der Realität nichts zu tun hat. Für junge Mädchen kann das sehr gefährlich werden.

Das größte Kompliment an uns kam von einer dicken Frau, die uns versichert hat, dass sie sich dank dem Song "Rounder Girls" wieder wohler in ihrer Haut fühlt. Genau das wollen wir erreichen.

Seht ihr euch in diesem Gebiet als Vorbilder?
Kieran: Nein. Wir sind einfach drei runde Girls, die auf der Bühne ihren Spaß haben. Jeder kann sich davon das mitnehmen, was er möchte.

Kainrath: Es lebe die Vielfalt!

Leben wir in einer Zeit, in der sich jeder dem anderen anpassen möchte? In der wir uns nicht mehr trauen, wir selbst zu sein?
Kainrath: Wir leben in einem ständigen Zwiespalt. Einerseits will jeder individuell, einzigartig sein. Zugleich aber will sich keiner unterscheiden, will sein wie der andere. Für eines dieser beiden Dinge muss man sich aber entscheiden.

 

"Wir sind eine Herausforderung"

Ihr habt vorher kurz von Männern gesprochen. Haben Männer Angst vor euch?
Kainrath: Hast du Angst vor uns?

Nicht wirklich.
Kainrath: Es kommt drauf an, was ein Mann von uns will. Möchte er von uns nur ein Interview, hält sich die Angst wahrscheinlich in Grenzen. Will er uns näher kommen, wird die Angst größer. Das kann ich dir versichern! (lacht) Mich stört das nicht. Denn dann bleiben nur die Mutigen übrig, und die gefallen mir sowieso besser.

Kieran: Absolut!

Kainrath: Wir haben auf der Bühne eine starke Präsenz, das schüchtert vielleicht manche Männer ein. Ich denke schon, dass wir verlockend auf Männer wirken, aber wir sind sicherlich auch eine Herausforderung. Und dagegen ist nichts auszusetzen!

"In Österreich muss man schleimen"

Themenwechsel. Wie weit unterscheidet sich die Londoner Musikszene von der österreichischen?
Kieran: Die Szene in London ist natürlich viel größer. Dort gibt es viele verschiedene Radiostationen, also ist es leichter, als Musik-Act auch gespielt zu werden. In Österreich muss man mehr schleimen, um auf die Playlist des Radiosenders zu kommen.

Kainrath: In Österreich glauben sowohl Publikum als auch Musiker, österreichische Musik sei nicht gut genug. Ist das in London auch so?

Kieran: Nein. Londoner Musiker haben mehr Selbstvertrauen. In Österreich wird angenommen, dass Musik aus dem Ausland automatisch besser ist. Das ist natürlich ein großer Irrtum.

Ist es manchmal frustrierend, in Österreich Musik zu machen?
Kainrath: Manchmal schon. Bei aller Liebe zu Wien ist es manchmal frustrierend, hier Musiker zu sein. Denn es ist zwar toll, dass in der Stadt viel passiert, aber dadurch erreicht man auch die Leute immer schwerer. Wirklich frustrierend ist, wenn man Tage nach einem nicht-ausverkauften Konzert gefragt wird, wann man endlich wieder ein Konzert gibt. Wir können es uns buchstäblich nicht leisten, derart Werbung für uns zu machen, wie es politische Parteien für sich tun.

Unterstützen euch die österreichischen Radiostationen zu wenig?
Kainrath: Klavier und drei Stimmen sind natürlich nicht jene Art von Musik, die Radiostationen spielen. Wir machen es trotzdem, denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass man als österreichischer Act auch nicht gespielt wird, wenn man "radiotaugliche" Musik macht, schon gar nicht, wenn man als Österreicher nicht deutsch singt. Außerdem ist man freier, wenn man beim Musik-Machen nicht auf Radiostationen Rücksicht nehmen muss. Wir wollen nicht in ein Schema gepresst werden. Und ich spreche hier von einem ganz bestimmten, bekannten Sender.

 

"In sich selbst zuhause"

Euch zeichnet unter anderem eure Internationalität aus. Was bedeutet Heimat für euch?
Kainrath: Home is where the heart is. Man ist immer in sich selbst zuhause.

Kieran: Dort, wo ich mich wohl fühle, dort bin ich auch zuhause.

Wurdet ihr auch schon Opfer von Ausländerhass?
Lynne: Natürlich wurde ich auch schon in der U-Bahn blöd angesprochen. Ich nehme das mit Humor, denn wenn ich auf Wienerisch antworte, wissen die dann eh nicht mehr, was sie sagen sollen. Solche Menschen tun mir leid. Gott sei Dank sind solche Vorfälle selten.

 

"Song Contest war großer Spaß"

Letztes Thema. Es hat in Österreich bereits wieder die Suche nach KandiatInnen für den Song Contest 2013 begonnen. Ihr wart 2000 dabei. Werdet ihr noch oft darauf angesprochen?
Kainrath: Ich eigentlich nicht.

Kieran: Ich schon. Wir bekommen bis heute sehr positives Feedback auf unseren Beitrag damals. Uns hat es sehr viel Spaß gemacht.

Würdet ihr nochmals mitmachen?
Kainrath: Wenn man beim ersten Mal schon so viel Spaß hatte, sollte man sich diese Erfahrung mit einem zweiten Mal nicht verderben.

Kieran: Meiner Meinung nach sollte der Song Contest für unbekannte Musik-Acts da sein, um ihnen eine Chance zu geben, sich vor einem großen Publikum zu präsentieren.

Interview: Manuel Simbürger

 

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