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Coffeeshops: Novelle mit Nebenwirkungen

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relevant Redaktion

Coffeeshops: Novelle mit Nebenwirkungen

05.10.2012
Seit Mai 2012 ist ausländischen Touristen der Zutritt zu Coffeeshops im Süden der Niederlande verwehrt. Ein Gesetz, das seine Tücken hat - für alle Beteiligten.

Seit Mitte der 1970er-Jahre verzeichneten die Niederlande alljährlich Millionen Touristen nur allein ihrer Coffeehops wegen, in denen neben Kaffee offiziell auch Cannabis verkauft werden durfte. Damit ist seit dem 1. Mai 2012 - zumindest in den südlichen Provinzen des Landes Limburg, Nordbrabant und Seeland - Schluss. Denn laut Gesetz dürfen nur noch jene Kunden in den Coffeeshop, die über einen Wohnsitz in den Niederlanden und überdies einen "Wietpas" (Cannabis-Ausweis") verfügen, ein behördliches Dokument, das sie als Mitglied eines bestimmten Coffeeshops ausweist. Coffeeshops haben nun den Status eines Vereins, der jeweils nicht mehr als 2.000 Mitglieder aufnehmen darf.  

Bis Jahresende weichen die Touristen - bevorzugt aus Belgien, Frankreich und Deutschland - noch in Scharen auf den Norden des Landes aus, doch spätestens ab Jänner 2013 gilt das viel diskutierte Gesetz auch dort.

 

Arbeitslosigkeit und Datenschutz

In jenen Regionen, in denen die Novelle bereits seit Mai in Kraft ist, sind die Auswirkungen deutlich zu spüren: Laut offiziellen Angaben haben die Coffeeshops, von denen es landesweit insgesamt 670 gibt, rund 90  Prozent ihrer Kunden verloren und infolge dieser Entwicklung die meisten ihrer Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet. Die Interessensvertretung der Coffeeshop-Angestellten (SBCN) schätzt ihre Zahl auf 600. Mit weiteren aberhundert sei zu rechnen, wenn auch die Coffeeshops im Norden dem Gesetz folgen, ist jene überzeugt.

Fatal, urteilt die Deutsche Presseagentur (dpa), denn "für die Betroffenen sei es schwierig, neue Arbeit zu finden: Eine frühere Tätigkeit in einer Haschisch-Kneipe mache sich nicht gut bei Bewerbungen."

Wer meint, dass sich vor diesem Hintergrund zahlreiche Niederländer um einen "Wietpas" bemühen würden, irrt: Seit Inkrafttreten des Gesetzes sollen erst knapp 1.000 Anmeldungen eingegangen sein, wie Tobias Müller (die taz) bestätigt. 

Auf volles Verständnis stoßen jene, die darauf verzichten, bei Helmut Hetzel (Der Westen): "Viele Niederländer haben keine Lust, sich als Kiffer bei den Behörden registrieren zu lassen."

Aus Protest gegen diese Entwicklungen haben einige populäre Coffeeshops - vor allem im Raum Maastricht - ihre Pforten geschlossen. In Amsterdam wird die Entwicklung mit gemischten Gefühlen beobachtet.

 

Motive der Politik

Ihnen gegenüber stehen jene, denen die Coffeeshops schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge waren: vor allem Lokalpolitiker, die im Namen verärgerter Anrainer gegen das Gedränge vor den Coffeeshops, den Müll und die überfüllten Parkplätze angehen wollten.

Ausländischen Kunden den Zutritt zu den Coffeeshops zu verweigern und diesen niederländischen Bürgern nur noch unter Auflagen zu gewähren, bringt jedoch auch unerwünschte Nebenwirkungen mit sich: Der illegale Handel mit Drogen jeder Art verlagert sich zusehends auf die Straßen. Genau das jedoch beschert den Anrainern neue Probleme und widerspricht nebenbei dem Grundsatz der niederländischen Drogenpolitik. Denn, kehrt Tobias Müller (die taz) hervor: "Anders als die Coffeeshops fühlen sich die Dealer nicht an den Auftrag gebunden, weiche Drogen von den harten zu trennen."

Die neue Situation, der sich die niederländischen Städte und ihre Bevölkerung gegenübersehen, sorgte nicht nur im Vorfeld der Parlamentswahl im September für politischen Zündstoff, sondern beschäftigt auch die Forschung.

Laut Erhebungen der Universität Tilburg, die sich mit den Auswirkungen näher beschäftigt, fürchten Experten über kurz oder lang eine "Gefahr für die öffentliche Gesundheit", denn: "Die Mehrheit der Konsumenten kauft nun Cannabis auf der Straße. (...) Weder die Qualität des Krauts lässt sich überprüfen, noch das Alter des Käufers." Und der illegale Straßenhandel floriere, wie die Autoren der Studie hinzufügen.

In den Coffeeshops wurde Cannabis dagegen erst an Personen ab 18 Jahren verkauft bzw. war pro Tag und pro Person auf fünf Gramm Hasch begrenzt.

 

Erhebungen und Klagen

Die Regierung spricht trotz der neuen Probleme, die das Bild der niederländischen Städte prägen, von einem Erfolg und will im Oktober mit einer Zwischenbilanz an die Öffentlichkeit gehen. Unterdessen versuchen führende Betreiber von Coffeeshops per Klage die Aufhebung des Gesetzes, das ihrer Meinung nach eine Diskriminierung ausländischer Touristen bedeutet, zu erwirken. Bislang ohne Erfolg.

Ute Rossbacher

 

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