Quelle: ZAMG

Interviews

Weitere Meinungsthemen

"Journalismus ist heute wichtiger denn je"

ORF/Thomas Ramstorfer

relevant Redaktion

Veit: "Journalismus ist heute wichtiger denn je"

27.09.2012
ZiB-Moderatorin Hannelore Veit über freien Journalismus, Bildung in Österreich und das Ende des U-Ausschusses.

Seit 1993 moderiert Hannelore Veit (mit wechselnden Partnern) die "Zeit im Bild", die wichtigste Nachrichtensendung des ORF. Souverän und mit Charme präsentiert sie die Meldungen aus dem In- und Ausland.

Dass sie dabei manchmal aus verschiedenen Gründen um Fassung ringen muss, gibt Veit im relevant-Gespräch mit Manuel Simbürger zu. Und spricht zudem erstaunlich offen über die Situation an den österreichischen Unis und ihren Beruf. Nur über ihre Zukunft beim ORF will sich die sympathische Moderatorin nicht äußern.


relevant: Sie sind seit 27 Jahren Journalistin … immer noch mit Leib und Seele?
Hannelore Veit: Absolut. Eigentlich bin ich in diesen Beruf ja etwas hineingerutscht. Nach der Matura wusste ich nicht wirklich, in welche Richtung ich gehen wollte. Schließlich habe ich mich entschlossen, in den USA "American Studies" zu studieren, weil ich eigentlich Dolmetscherin werden wollte. Da das Studium aber sehr breit gefächert ist, hat sich dann der Journalismus für mich aufgetan.

Was gab für diese Entscheidung den Ausschlag?
Dolmetscher zu sein ist ein toller Beruf. Allerdings wollte ich nicht "nur" vermitteln, sondern selbst etwas einbringen. Journalismus eignet sich ja hierfür ganz gut. Ich habe dann nach und nach begonnen, für Magazine zu schreiben und fürs amerikanische Radio zu arbeiten.

 Seit 1993 moderieren Sie die ZiB. Wird die Aufgabe bereits langweilig?
Nein. Aber es wird zur Routine. Spannend sind immer noch alle Sondersendungen. Die nächste wird es am 6. November geben, wenn die US-Wahl stattfindet. Da freue ich mich sehr darauf, weil man ja nie weiß, was in solch einer Sendung passieren wird.

Stört es Sie, dass Sie vor allem mit der ZiB assoziiert werden? Oder macht Sie das stolz?
Das macht mich auf jeden Fall stolz. Die ZiB ist schließlich das Flaggschiff des ORF.

 

"Fremde Kulturen begeistern mich"

Sie haben in den USA studiert, waren Japan-Korrespondentin für den "European Business Channel" und sind mit einem französischen Journalisten verheiratet. Suchen Sie das Internationale in Ihrem Leben?
(lacht) Ja, das kann man so sagen! Das war immer schon so. Schon in der Schule hat mich alles fasziniert, was anders war. Fremde Kulturen begeistern mich seit jeher. Ich wollte auch immer ins Ausland, weshalb ich mit meinem Stipendium in den USA studiert habe.

Ich bin sehr froh darüber. Ich habe dabei sehr viel gelernt. Heute fällt einem diese Entscheidung etwas leichter als damals, da heute die Welt so sehr miteinander vernetzt ist. Die Welt ist einheitlicher geworden, da man zu beinahe allen Informationen sofort Zugang hat.

Würden Sie Studenten von heute raten, ein Auslandssemester zu absolvieren?
Unbedingt. Es ist ganz etwas anderes, ob man fremde Kulturen virtuell kennenlernt oder tatsächlich in ihnen lebt. Man lernt, die Welt von den verschiedensten Standpunkten aus zu betrachten. Wenn man monatelang in Japan gelebt hat, lernt man auch Europa mit neuen Augen kennen.

 

"Würde nicht in Österreich studieren wollen"

Apropos Studieren: Was halten Sie von der Situation an den österreichischen Unis?
Ich finde die Situation katastrophal. Ich weiß nicht, wie man unter diesen Bedingungen studieren kann. Bildung ist das wichtigste, das es gibt. Schon John F. Kennedy sagte: "Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung."

Ich würde in Österreich nicht studieren wollen. Die Massenabfertigung, wie sie in manchen Studienzweigen herrscht, finde ich schrecklich. Und die Demotivation à la "Du bekommst eh keinen Job!", die von vielen Professoren ausgeht, ist furchtbar. Wie kann man jungen Leuten so derart die Hoffnung nehmen?

Sind Sie für oder gegen Studiengebühren?
Ich bin für Studiengebühren. Verglichen mit den USA handelt es sich bei uns um einen relativ kleinen Beitrag. Die Unis brauchen Geld, und ich denke, dafür kann man auch als Student etwas beitragen. Es ist eine tolle Möglichkeit, studieren zu können. Ich darf nicht nur erwarten, dass mir etwas geboten wird, ich muss auch etwas dafür leisten. Es ist okay, neben dem Studium arbeiten zu gehen.

Kritiker würden nun dagegen halten, dass Bildung nicht nur für die Oberschicht zugänglich sein darf …
Aus diesem Grund halte ich sehr viel von Stipendien. Mir gibt zu denken, dass die soziale Durchlässigkeit in den USA größer ist als in Österreich. Ich bin überzeugt davon, dass Bildung einen zu niedrigen Stellenwert in Österreich hat.

 

"Österreicher passen sich an"

Themenwechsel: Was können wir Österreicher Ihrer Erfahrung nach von den Franzosen und den Japanern lernen?
Von den Japanern auf jeden Fall die Gelassenheit! (lacht) Und die Franzosen zeigen, dass man nicht immer derart obrigkeitshörig sein muss, wie wir Österreicher es sind. Obwohl es natürlich das Leben leichter macht, wenn man sich gern anpasst.

Wie kann man sich das vorstellen, wenn zwei Journalisten miteinander verheiratet sind? Bleibt die Arbeit betont außen vor oder wird sie mit nach Hause genommen?
Ich würde solch eine Ehe eher als befruchtend bezeichnen. Natürlich reden wir nicht immer nur über die Arbeit, aber es ist schön, wenn der Partner genau versteht, was du meinst, und man sich beruflich austauschen kann.

Stimmt das Gerücht, dass Sie das ORF-Korrespondentenbüro in Washington übernehmen wollen?
Kein Kommentar.

 Sprechen wir trotzdem weiter über freien Journalismus. Gibt es diesen heutzutage überhaupt noch?
Meiner Meinung nach hat die Vernetzung der Welt dem Journalismus nicht nur Positives gebracht. Es gibt immer weniger Auslandskorrespondenten, die die Welt tatsächlich mit eigenen Augen sehen. Journalisten schreiben immer mehr voneinander ab, was ich für sehr bedenklich halte. Außerdem ist es schwierig, aus der Flut an Informationen die richtige Quelle herauszufiltern und dieser zu vertrauen. Aber es ist die Aufgabe des Journalismus, die Welt mit professionellen Augen zu sehen. 

Es gibt das Sprichwort "We are over-newsed, but under-informed". Stimmen Sie dem zu?
Auf jeden Fall. Deshalb ist Journalismus heute wichtiger denn je.

 

"Bin ein Teamplayer"

Inwieweit sind ZiB-Moderatoren in die Beiträge der Sendung miteingebunden?
Eine sehr gute Frage. Gerade die ZiB1 ist die wichtigste Nachrichtensendung des Tages. Hier reden sehr viele Leute mit. Wir haben zu Mittag eine sehr kleine Sitzung, an der nur die Moderatoren, Sendungsplaner und Sendungsgestalter teilnehmen. Hier werden etwaige Themen der ZiB besprochen. Hier kann jeder seine Ideen miteinbringen. Kurz: Wir Moderatoren können mitreden, aber nicht bestimmen, was auf Sendung geht. Man muss sehr teamfähig sein, um in solch einer Sendung arbeiten zu können.

Sind Sie ein Teamplayer?
Absolut.

Können Sie sich an eine besonders peinliche Panne während der ZiB erinnern?
Eine bestimmte Panne fällt mir nicht ein. Aber es geht hinter der Kamera sehr hektisch zu. Wenn da etwas Lustiges passiert oder jemand zu lachen anfängt, kann es schon passieren, dass es sehr schwer fällt, selbst die Fassung zu bewahren.

Natürlich gibt es aber auch den umgekehrten Fall. Beiträge über Kindesmissbrauch und Gewalt gegen Kinder gehen mir sehr nahe. Während solch eines Beitrages beschäftige ich mich bewusst mit etwas anderem, um es in diesem Moment nicht zu nahe an mich heranzulassen. Man eignet sich verschiedene Tricks an, um "unbeschadet" durch die Sendung zu kommen.

Angenommen, ein österreichischer Privatsender würde Sie abwerben wollen. Würden Sie auf dieses Angebot eingehen?
Nein. Ich bin beim ORF, weil ich den ORF mag! (lacht) Will man hochwertigen Journalismus machen, ist der ORF DAS richtige Medium in Österreich.

 

"Oscars machen großen Spaß"

Sie moderieren auch die Oscars-Nacht im ORF…
… und das macht mir sehr viel Spaß. Besonders in Kombination mit Alexander Horwath, Direktor des Wiener Filmmuseums. Er ist ein wandelndes Film-Lexikon! (lacht) Abgesehen davon mag ich, wie erwähnt, Sendungen, bei denen man als Moderatorin zuvor nicht weiß, was einen erwartet.

Sind Sie generell an Kultur interessiert?
Ja, allerdings finde ich neben Familie und ZiB nicht genug Zeit dafür. Wenn man eine tägliche Sendung um 19 Uhr 30 moderiert, kollidiert das mit etwaigen Theaterbesuchen.

 

"Dieses Land braucht Aufklärung"

Letzte Frage: Was halten Sie davon, dass der U-Ausschuss abgedreht wird?
Dieses Land braucht Aufklärung. Bestimmte Dinge müssen offen angesprochen werden. Es ist schade, dass der U-Ausschuss so zu Ende geht.

Profitieren bestimmte Parteien davon, dass es den U-Ausschuss nicht mehr gibt?
Natürlich. Die Absicht, die hinter dem Ende des U-Ausschusses steht, ist durchschaubar.

Interview: Manuel Simbürger

Home
Politik
Chronik
Wirtschaft
Sport
Kultur
Society
Life
Reise
Motor
Hightech