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Eine "Roma-Dekade" mit Rückschlägen

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Eine "Roma-Dekade" mit Rückschlägen

08.01.2013
Frankreich und Ungarn geraten wegen ihrer Roma-Politik zusehends unter internationalen Druck. Mit dem Problem stehen die beiden Länder allerdings nicht alleine da.

Ein Kommentar des rechtsextremen ungarischen Publizisten Zsolt Bayer sorgt seit Wochenbeginn für Diskussionen über die Landesgrenzen hinaus. Roma, so der Autor, seien "Tiere" und "nicht geeignet, unter Menschen zu leben". Sie sollten "nicht existieren, nirgendwo". Wasser auf die Mühlen in Ungarn, wo Roma nicht nur verbalen Attacken, sondern auch körperlichen Übergriffen ausgesetzt sind.

 

Auch Frankreich in der Kritik

Dass Neo-Präsident Francois Hollande die Roma-Politik seines Amtsvorgängers Nicolas Sarkozy im Kern fortsetzt, sorgt auch in Frankreich für Befremden bei Opposition und politischen Kommentatoren. Noch im vergangenen Sommer wurden zahlreiche Roma-Siedlungen in Paris, Lyon oder Lille geräumt und die dort lebenden Familien im großen Stil abgeschoben; mit 300 Euro pro Erwachsenen und 150 Euro pro Kind sollte den Betroffenen die Rückkehr in ihre Heimatländer - meist Rumänien oder Bulgarien - schmackhaft gemacht werden.

Die erzwungenen Abschiebungen rufen die Vereinten Nationen auf den Plan: Sonderberichterstatter Francois Crepeau wittert hinter dem Vorgehen Frankreichs den Versuch, letztlich alle Roma aus dem Land zu drängen. Wie Crepeau betont, verstoße diese Vorgehensweise gegen internationales Recht. An diesem Umstand ändert auch nichts, dass Präsident Hollande die Auflagen, die es den Roma erschweren, in Frankreich Arbeit zu finden, lockern und die Regierung die Unterkünfte für Roma-Familien besser ausstatten will.

Derzeit gilt: Als rumänische und bulgarische Staatsbürger hatten Roma noch bis 2013 keinen Zugang zum Arbeitsmarkt in acht EU-Ländern, einschließlich Frankreich und Österreich.

 

"Roma polarisieren"

Die mit dieser Entscheidung einhergehenden Vorbehalte will auch Gerd Niewerth von Der Westen nicht verschweigen: "Die Roma polarisieren. (...) So sind ein Viertel der jungen Roma einer aktuellen Studie zufolge Analphabeten, die noch nie eine Schule von innen gesehen haben. Die Bildungsmisere hat katastrophale Folgen: Wer nicht Lesen und Schreiben kann, findet kaum Arbeit. Wer keine Arbeit hat, lebt in Armut und landet eher auf der schiefen Bahn."

Nicht nur Frankreich setzt daher auf eine Politik der harten Hand: Wie Heidi Rriepl von den Salzburger Nachrichten in ihrem 2010 zu diesem Thema erschienenen Artikel erinnert, schieben neben Frankreich auch Deutschland, Skandinavien und nicht zuletzt Österreich Roma ab. In der Slowakei werden sie - an den Rand der Gesellschaft gedrängt - als lästiges Problem wahrgenommen.

Die Frage, wie mit den Roma umzugehen ist, betrifft daher den gesamten EU-Raum. Aus den Erläuterungen der ARD geht auch eindeutig hervor, warum: "Die Roma stellen die größte ethnische Minderheit in Europa. Heute leben zwischen sieben und neun Millionen von ihnen hauptsächlich in Mittel- und Südosteuropa, die meisten in Rumänien, Ungarn und der Slowakei."

Für Rudolf Balmer von die taz gibt es daher keinen Zweifel: "Die Integration der Roma bleibt eine Aufgabe für ganz Europa, für die sich die Herkunftsländer (vorab Rumänien und Bulgarien) und die westlichen Zufluchtsstaaten nicht länger die Verantwortung zuschieben dürfen."

 

Bekenntnis der EU

Zumindest offiziell liegt ein klares Bekenntnis der EU vor, die Roma besser in die Gesellschaft zu integrieren. 2005 hatten zwölf EU-Mitglieder eine Erklärung zur "Roma-Dekade" (Decade of Roma Inclusion) unterzeichnet. Gezielte finanzielle Unterstützung durch EU und Weltbank sollen die Lage der Roma bis 2015 deutlich verbessern. Auch wenn die Geste löblich ist: Bis diese Maßnahmen richtig greifen, werden noch einige Jahre vergehen. Bis die Vorurteile gegen Roma überwunden sind, vermutlich noch mehr.

Ute Rossbacher

 

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