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"Es gibt sie - die Quoten-Kabarettistin"

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relevant Redaktion

Maleh: "Es gibt sie - die Quoten-Kabarettistin"

27.08.2012
Die Kabarettistin Nadja Maleh im Interview über Humor, Frank Stronach und was es bedeutet, heutzutage Frau zu sein.

Nadja Maleh hat sich mit ihren Kabarettprogrammen "Flugangsthasen" und "Radio Aktiv" sowie diversen Auftritten in ORF-Sendungen in die Herzen der ÖsterreicherInnen gespielt. Ihr Talent, in Sekundenschnelle zwischen (außergewöhnlichen) Figuren zu wechseln und dabei immer punktgenau den Zeitgeist zu treffen, brachte ihr 2010 den Österreichischen Kabarettförderpreis ein.

Zurzeit steht sie im kabarettistischen Rockmusical "Augustin" im Wiener Stadtsaal auf der Bühne und singt sich dort die Seele aus dem Leib. Was sie auch gerne tut, wie die sympathische Wienerin, die auch Schauspielkurse und Workshops anbietet, im Gespräch mit relevant-Redakteur Manuel Simbürger bestätigt.


relevant: In ein paar Stunden stehen Sie wieder für das Kabarett-Rockmusical "Augustin" auf der Bühne. Sind Sie vor Auftritten eigentlich noch nervös?

Nadja Maleh: Ein bisschen Adrenalin verspürt man natürlich, das gehört dazu. Der Schritt hinaus auf die Bühne ist dann doch aufregender als der Gang in den Supermarkt. Aber mir schlottern nicht die Knie oder ähnliches.


"Aufregendes Big Business"

Ich muss zugeben, ich muss bei Ihnen immer an die deutsche "Wochenshow" denken ... (Maleh war von 2001 bis 2002 Teil der erfolgreichen Sat1-Sketchshow; Anm.d.Red.)

Ja, immer wieder. Manche Leute haben vor allem im Kopf, dass da eine Österreicherin mit dabei war ... und dann kommen sie langsam drauf, dass ich das war!

Denken Sie gerne an diese Zeit zurück?

Natürlich war es aufregend, im Big Business mitzumischen und den Sprung nach Deutschland zu machen. Ich erinnere mich gerne daran.

Unterscheidet sich die Arbeit einer Kabarettistin in Deutschland deutlich von jener in Österreich?

Nein, würde ich nicht sagen. Da wie dort gibt es sympathische und weniger sympathische Kollegen, da wie dort wird professionell gearbeitet. In Süddeutschland spiele ich übrigens am liebsten, dort ist die Mentalität der österreichischen sehr ähnlich. Und auch in Österreich gibt es Bundesländer, die einem näher stehen als andere und in denen man besonders gern auftritt.

Nämlich?

Lustigerweise spiele ich besonders gern in Vorarlberg. Die Landschaft dort ist herrlich, das Publikum ist toll. Leider trete ich dort nur sehr selten auf.

In "Augustin" singen Sie ...

Genau, auch im Kabarettprogramm "Radio-Aktiv". Bei "Augustin" begleitet uns aber eine Live-Band, das ist natürlich ein ganz besonderes Erlebnis.

Ist es eine Überwindung, auf der Bühne zu singen?

Ich habe zwar im Rahmen meiner Schauspielausbildung auch Gesang gelernt, aber es ist sehr wohl immer wieder eine kleine Überwindung. Trotzdem ist für mich das Singen auf der Bühne das Tollste und Aufregendste überhaupt.


"Mädchen sollen harmonisieren, nicht polarisieren"

Andrea Händler hat im relevant-Interview vor einigen Monaten gemeint, dass Frauen auf der Bühne, im Gegensatz zu Männern, keine Fäkalausdrücke oder ähnlich harte Schimpfwörter benützen dürfen – das Publikum würde dies nicht tolerieren. Stimmen Sie dem zu?

Ich würde dies auch unterschreiben. Schimpfwörter werden als "unweiblich" betrachtet. Hier geht es um gesellschaftliche Normen. Hässlichkeit, Unerotik, Aggressivität – das alles verbindet man nicht mit Frauen, also wird es auch nicht gerne auf der Bühne gesehen. Und wenn man sich doch traut, muss man es ganz harmlos und charmant verpacken.

Auch im Kabarett?

Natürlich, das Kabarett ist von der Gesellschaft nicht ausgeschlossen, im Gegenteil: Es spiegelt die Gesellschaft wider. Es stimmt, das Kabarett ist dazu da, um Normen aufzusprengen. Aber trotzdem: Mädchen wird bis heute beigebracht, zu harmonisieren anstatt zu polarisieren. Wenn eine Frau energisch auf den Tisch haut, ist sie eine Zicke, hysterisch oder ein Mannsweib. Haut ein Mann energisch auf den Tisch, ist er stark und eine Autorität. Kurz gesagt: Den Geschlechtern werden bis heute unterschiedliche Werte zugesprochen.


"Frauen sind zu selbstkritisch"

Muss sich eine Frau im Kabarett mehr durchsetzen als ein Mann?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Man muss sich immer durchsetzen, auch Männer haben oft ein sehr hartes Arbeitsleben. Was das Kabarett betrifft: Es trifft wohl beides zu. Einerseits hat man es als Frau leichter, weil man mehr auffällt – schließlich gibt es nicht sehr viele Kabarettistinnen. Andererseits sagen viele Veranstalter noch immer, dass sie "etwas Lustiges" auf ihrer Bühne sehen wollen – also "bitte keine Frau". Es gibt auch die "Quoten-Kabarettistin", die einmal im Jahr vom Veranstalter organisiert wird, um die Frauenquote halbwegs zu erfüllen. Aber natürlich sind viele Veranstalter auch sehr offen und denen es egal ist, ob eine Frau oder ein Mann auf der Bühne steht.

Wieso gibt es immer noch so wenige Kabarettistinnen?

Auch das hat mit gesellschaftlichen Normen zu tun. Frauen mussten sich nie über Humor definieren, sondern vielmehr über Schönheit, Einfühlsamkeit, Mutter-Sein. Weder haben sie sich selbst so gesehen noch wurden sie so gesehen. Humor ist ein neuer Aspekt des Weiblichen, der erst wachsen muss. Außerdem bin ich der Meinung, dass Frauen sehr selbstkritisch sind und sich oft selbst im Weg stehen. Frauen könnten sich manchmal von der Selbstverständlichkeit und der Chuzpe der Männer eine Scheibe abschneiden.


"Wer steht hinter der Frau?"

Sprechen Sie aus Erfahrung?

(lacht) Ich habe lange gebraucht, um mir zuzutrauen, alleine auf der Bühne zu stehen. Man macht sich Gedanken darüber, weil es eben so wenige Kabarettistinnen gibt, aber auch, ob die eigenen Texte lustig genug sind. Wenn man als Frau Kabarett macht, wird das Programm oft als "Frauenkabarett" bezeichnet. Das ist völliger Wahnsinn! Männer machen ja auch kein "Männerkabarett".

Wäre es aber nicht mal lustig, ein sogenanntes "Frauenkabarett" zu machen?

Das würde mich nicht interessieren. Mich würde vielmehr interessieren, welche Art von Unterstützung und Coaching Frauen brauchen, um selbstbewusster und selbstverständlicher mehr Machtpositionen in unserer Gesellschaft einnehmen zu können. Was uns noch fehlt, was wir noch lernen sollten. Wir sind es gewohnt, dass in allen Lebenslagen die Männer top sind. Dass uns Männer die Welt erklären. Was haben wir uns mit Sprüchen wie "Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau" bloß angetan? Wer steht denn hinter der starken Frau? Der Geschirrspüler?!


"Ernsthafte Gedanken"

Themenwechsel: Was muss man haben, um als KabarettistIn erfolgreich zu sein?

Man muss ambitioniert sein, Ausdauer und Spielfreude haben. Der Job muss für einen sinnstiftend und glücksbringend sein. Und man muss den Zeitgeist treffen. Talent und Humor sind natürlich auch wichtig.

Über welche Themen machen Sie sich am liebsten lustig?

Über Dinge, die mir selbst passieren. Das tägliche Leben inspiriert mich. Mein nächstes Kabarettprogramm wird "Jackpot" heißen. Darin geht es um Glück und Unglück und dass man es oft erst im Nachhinein weiß, was es nun war. Ein vermeintliches Unglück kann sich auch als Jackpot entpuppen. Auch der Casino-Kapitalismus der heutigen Zeit wird ein Thema sein.

Klingt sehr ernsthaft ...

Der rote Faden meiner Programme ist immer ernsthaft. Ich muss von einem ernsten Gedanken ausgehen, um ihn ins Gegenteil, also in etwas Lustiges zu verwandeln. Meiner Meinung nach muss bei gutem Humor auch Tragik durchschimmern.


"Geistige Schulung des Humors"

Stimmt es, dass KabarettistInnen in Wirklichkeit ernsthafte Menschen sind?

Hier unterscheiden wir uns nicht von anderen Menschen. Das Leben ist nicht immer eine Aneinanderreihung von lustigen Pointen.

Können KabarettistInnen besser mit schweren Schicksalsschlägen umgehen, weil sie gelernt haben, ernste Dinge humorvoll zu sehen?

Das würde ich nicht sagen. Aber Humor ist auf jeden Fall ein Überlebensmechanismus und die richtige Lebenseinstellung.

Kann man das lernen?

Ich bin überzeugt davon, dass es eine geistige Schulung des Humors gibt. Jeder Mensch spielt und lacht gerne.


"Politik ist Lügengebilde"

Lassen Sie uns zuletzt noch über die Politik sprechen. Sind Sie ein politischer Mensch?

Eher weniger. Ich habe zwar meine Meinung zu verschiedenen Themen, aber ich blicke einfach nicht durch. Ich verstehe Politik nicht. Ich empfinde Politik als großes Lügengebilde und glaube, dass wir nur jene Informationen bekommen, die wir auch bekommen sollen. Es ist mir auch ein Rätsel, wie manche Leute ruhig schlafen und sich in den Spiegel schauen können.

Sie haben also kein Vertrauen in die Politik mehr?

Sagen wir so: Ich habe keinen anderen Vorschlag, wie man Politik machen soll. Zu einem gewissen Grad geht es aber auch nicht anders, als zu vertrauen. Irgendwer muss ja schließlich Politik machen.

Wie wär's mit Basisdemokratie?

Auch hier bin ich überzeugt davon, dass das nicht funktioniert. Man sieht es ja schon in verschiedenen kleinen Ausschnitten des Lebens, dass es jemanden braucht, der die Dinge in die Hand nimmt.

Letzte Frage: Ihre Meinung zu Frank Stronach?

Solange er Aufmerksamkeit und Zuspruch bekommt, wird er natürlich weiter machen. Es gibt ihn und es wird ihn - wenn es nach einigen ÖsterreicherInnen geht - wohl auch in Zukunft in politischer Funktion geben. Das ist alles, was ich dazu sage.

Interview: Manuel Simbürger


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