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Deutsch: "Beschneidung ist unverzichtbar"

Herbert Neubauer/APA/picturedesk.com

relevant Redaktion

"Zirkumzision ist unverzichtbare religiöse Praxis"

10.08.2012
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, im relevant-Gespräch über Beschneidung und Religion.

Die jüdischen Gemeinden im deutschsprachigen Raum schließen sich in der Debatte um die Beschneidung neugeborener Buben zusammen. Die Organisation übernimmt die Israelitische Kultusgemeinde Wien unter Präsident Oskar Deutsch. In einer Pressekonferenz Ende Juli zeigte er sich zuversichtlich, die Debatte im Sinne der jüdischen Gemeinden entscheiden zu können. Und auch im Gespräch mit relevant-Journalist Manuel Simbürger zeigt sich Deutsch kämpferisch.


relevant: Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie die Beschneidungs-Debatte?

Oskar Deutsch: Mit Erstaunen.

Sie empfinden ein Beschneidungs-Verbot als Bedrohung der Religionsfreiheit. Können Sie das näher erläutern? Zudem werden ja Beschneidungen auch aus nicht-religiösen Gründen durchgeführt ...

Ein Beschneidungsverbot würde aber ausschließlich religiös motivierte Beschneidungen betreffen. Da die Beschneidung von neugeborenen Buben eine unverzichtbare Praxis der jüdischen Religion ist, wäre ein staatliches Verbot derselben eine Einschränkung unserer Religionsfreiheit.


"Anders-Sein scheint Dorn im Auge zu sein"

Haben Sie das Gefühl, dass es bei der Debatte nicht nur um die Beschneidung geht, sondern allgemein gegen (jüdische und muslimische) Religion gehetzt werden soll?

Es geht allgemein um gelebte religiöse Praxis. Den Gegnern wäre es am liebsten, alle Religionen würden sich auf ihre theoretischen Glaubensinhalte beschränken, denn das gelebte Anders-Sein scheint ihnen ein Dorn im Auge zu sein.

Welche religiöse Bedeutung hat die Beschneidung von Jungen?

Es ist eines jener 613 biblischen Gebote und Vorschriften, die das Judentum seit nunmehr 3.500 Jahren in der gelebten Praxis beachtet. Aber eben nicht nur eines von 613, sondern ein äußerst zentrales.


"'Körperverletzung' ist wertneutral"

Ist es nicht so, dass man im allmächtigen "Namen" der Religion darüber hinwegtäuschen möchte, dass es sich hier um Körperverletzung handelt?

"Körperverletzung" ist ein juristischer Begriff, der an und für sich wertneutral ist. Ob eine Körperverletzung jedoch als strafbar bezeichnet wird oder nicht, darüber entscheidet der Gesetzgeber. In Österreich ist die Zirkumzision sowohl aus medizinischen, wie aus kosmetischen, hygienischen oder religiösen Gründen nicht "strafbar". Jenen, die dies fordern, muss man die Frage stellen, ob es ihnen um den Akt der Beschneidung der Vorhaut, oder um die Beschneidung von Religion geht.

Denn die Forderung, einen Eingriff, der von der WHO prinzipiell empfohlen wird, und weltweit über ein Drittel aller Männer betrifft, nur eben in Europa nicht so üblich ist, als "unethisch" oder "sittenwidrig" abzustempeln, nur weil und nur dann, wenn es religiös motiviert durchgeführt wurde, bedarf einer guten Erklärung, die die Beschneidungs-Gegner in der aktuellen Debatte bis heute schuldig geblieben sind.


"Peinlicher Argumentationsversuch"

In sehr vielen Staaten ist die Beschneidung weiblicher Genitalien verboten – ist die Beschneidung von Mädchen denen von Jungen gleichzusetzen?

Anatomisch und physiologisch sind dies zwei vollkommen unterschiedliche Eingriffe. Wenn auf polemische Art und Weise die Zirkumzision bei Männern mit der weiblichen Genitalverstümmelung verglichen oder gar gleichgesetzt wird, ist dies ein äußerst peinlicher Argumentationsversuch. Das ist so, als würden Sie Haarschneiden mit Köpfen vergleichen. Die WHO hat erst kürzlich wieder auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien bestätigt, dass die Zirkumzision bei Männern keinerlei Einfluss auf das sexuelle Empfinden hat.

Glauben Sie, wird ein Beschneidungs-Verbot durchgesetzt werden?

Nein.

Interview: Manuel Simbürger


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