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Warum Wehrpflicht nicht Neutralität schützt

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relevant Redaktion

Warum Wehrpflicht nicht die Neutralität schützt

25.10.2012
Die Wehrpflicht-Debatte ist eine Debatte voller Missverständnisse.

Anfang 2013, noch vor der Nationalratswahl, sollen die Österreicher im Rahmen einer Volksbefragung über die Einführung eines Berufsheeres abstimmen. Darauf haben sich SPÖ und ÖVP vor wenigen Wochen verständigt. Wiens Bürgermeister Michael Häupl hatte diese Diskussion erstmals im Herbst 2010 ins Rollen gebracht.

Auch in der aktuellen Debatte kommen die Fakten zu kurz. Denn die Fragen um Wehrpflicht vs. Berufsheer bzw. Neutralität werden irrigerweise in einem Atemzug genannt, wie auch Michael Sprenger von der Tiroler Tageszeitung bestätigt: "Wehrpflicht und Neutralität haben nichts miteinander zu tun. Auch wenn Politiker dies behaupten."

 

Aufgaben des Heeres

Ob Basisaufgaben des Heeres von Freiwilligen oder Berufssoldaten wahrgenommen werden, ist keine Frage der Neutralität; sondern eine der Präferenz. In seinem Gastkommentar für Der Standard zählt Universitätsprofessor Heinz Gärtner die überwiegend auf eigenem Grund und Boden zu erfüllenden Funktionen auf: "Internationales ziviles und militärisches Krisenmanagement; nationale, europäische und internationale Solidaritätsleistungen im Falle von Menschen gemachten oder Naturkatastrophen; Konfliktverhütung; Postkonflikt-Stabilisierung und Friedenssicherung."

Ob Berufsheer oder Wehrpflicht: Neutralität bleibt Neutralität. Aber: Seit Österreichs Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 ist jene eine andere. Denn: Die EU ist ein Staatenbund; und Österreich als sein Mitglied, das politisch und wirtschaftlich aufs engste mit Europa verschweißt ist, nicht mehr unabhängig. Neutral ist Österreich also de facto nur noch, als es keinem Militärbündnis (konkret der NATO) angehört.

Schon jetzt käme Österreich in die Bredouille, wenn ein EU-Staat von einem Drittstatt (sprich: einem Nicht-EU-Mitglied) militärisch bedroht würde. Denn auch Wien hat sich in dem Vertrag von Maastricht (1992) zu einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik verpflichtet.

 

Österreich unter Druck

Der - derweil noch sanfte - internationale Druck auf Österreich, sich auch militärisch einzureihen, steigt unweigerlich, je mehr EU-Staaten der NATO beitreten. Damit fiele die österreichische Neutralität - oder besser gesagt das, was davon noch übrig ist - endgültig.

Eine Kooperation Österreichs mit der NATO gibt es schon heute: Seit 1994 arbeitet es im Rahmen einer Partnerschaft für den Frieden eng mit dem Militärbündnis zusammen. Aber: Österreichs Aktivitäten beschränken sich derzeit mehr oder weniger auf humanitäre Hilfe.

Die Kehrseite: Dass Österreich hinter dem Neutralitätsschild in Deckung geht, während die meisten anderen europäischen Staaten ihren militärischen Beitrag leisten (müssen), führt auf Sicht in eine diplomatische Sackgasse.

Völkerrechtler Hanspeter Neuhold schreitet diese in seinem Bericht "Österreichische Sicherheitspolitik zwischen Alleingang und Integration" ab: "Die Teilnahme nur an Einsätzen kooperativer Sicherheit mit verhältnismäßig geringem und abschätzbarem Risiko, während das viel verlustreichere Einschreiten gegen Friedensbrecher den anderen Ländern überlassen bleibt, reicht in einer echten Solidargemeinschaft nicht aus, sondern stellt letztlich eine Form 'sicherheitspolitischen Trittbrettfahrens' dar."

Über kurz oder lang wird die Frage eines NATO-Beitritts für Österreich also schlagend werden. Das weiß auch die Bundesregierung, die aus einer wahltaktischen Wehrpflicht-Debatte eine grundsätzliche über den Neutralitätsstatus Österreichs drehte.

 

Nur ein kleiner Schritt bis zur NATO

Der Schritt in Richtung NATO ist demnach weit kleiner und zwingender, als bisher von den Parteien zugegeben. Diese scheuen offenbar davor, die Katze aus dem Sack zu lassen; auch, weil Umfragen zufolge der Mehrheit der Österreicher die Neutralität immer noch heilig ist. Dass diese jedoch aufgrund internationaler Vereinbarungen und Zusagen im Grunde ausgehöhlt ist, wagt offenbar keiner so deutlich zu sagen.

So hat es nur den Anschein, als ob sich Österreich immer noch entscheiden könnte - für oder gegen die Neutralität. Doch ist diese nur noch ein juristisches Schlagwort; die strategischen und realpolitischen Weichen wurden längst gestellt: nämlich am 1. Jänner 1995 - dem Tag, als Österreich der EU beitrat.

Ute Rossbacher

 

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