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Ein Jahr, das Norwegen veränderte

Xinhua/Action Press/picturedesk.com

relevant Redaktion

Ein Jahr, das Norwegen veränderte

24.08.2012
Am 22. Juli 2011 sterben bei zwei Anschlägen 77 Menschen. Die Folgen dieses Ereignisses wirken bis heute nach.

Die verheerende Anschlagserie vom 22. Juli 2011, für die Anders Behring Breivik zur Rechenschaft gezogen wird, hat deutliche Spuren in Norwegen hinterlassen. Wer etwa heute durch das Regierungsviertel von Oslo geht, dem bietet sich immer noch ein beklemmendes Bild.

Nachdenklich versucht Hannes Gamillscheg von der Berliner Zeitung, seine Eindrücke in Worte zu fassen:

"Das durch die Bombe zerstörte Regierungsgebäude ist weiterhin abgeriegelt, die Fensterluken sind verschalt. Einige Ministerien sind in ihre Büros in den nicht so stark betroffenen Teilen der Ruine zurückgekehrt, andere müssen noch lange in ihren provisorischen Unterkünften bleiben."

Auch auf der Insel Utøya, wo am 22. Juli 2011 zahlreiche jugendliche Teilnehmer eines Ferienlagers der Sozialistischen Partei erschossen wurden, regiert mittlerweile statt Kinderlachen gespenstische Ruhe.


Viele kleine Zeichen

Aus Anlass des ersten Gedenktages sollen für die insgesamt 77 Opfer an beiden Orten Mahnmale errichtet werden. Bei weitem nicht die einzigen Zeichen, die das Land setzt. Bereits im Juni wurde die Zwangsverwahrung unzurechnungsfähig erklärter Täter verschärft; nach dem Willen des Justizministeriums soll überdies die Vorbereitung terroristischer Handlungen ohne Beihilfe anderer unter Strafe gestellt werden.

Das stärkste Augenmerk jedoch legen die Beobachter zur Zeit auf den Umgang der Öffentlichkeit mit dem Angeklagten Anders Behring Breivik. Dieser hatte bei Prozessbeginn Mitte April noch versucht, den Gerichtssaal als Bühne für seine persönliche Inszenierung zu nutzen. Doch die Ermittler versuchten - so schwer es den meisten von ihnen offenbar auch fiel - ihn wie jeden gewöhnlichen Angeklagten zu behandeln.

Die Strategie ging auf: "Anders Behring Breivik kann sich vor diesem Gericht nicht als moderner Kreuzritter in Szene setzen. Seine Botschaft findet keine Zuhörer", schildert Sebastian Balzter von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - nicht ohne Genugtuung.


Die Fangemeinde von Breivik

Der öffentlichen Betroffenheit über die Ereignisse des vergangenen Sommers stehen jedoch auch andere, beunruhigende Tendenzen gegenüber. Anne Rentzsch von Der Standard skizziert sie: "Gleichwohl erhält Breivik täglich Fanpost, darunter von jungen Mädchen und Familien. Wie Sachkundige vor Gericht betonten, werden seine politischen Auffassungen von tausenden Norwegern geteilt."

Die sich unter anderem an den 200 bettelnden Roma in Oslo abreagieren, indem sie Hass und Vorurteile in ihren Foren schüren. Angriffe, die ihren Nährboden in der Bevölkerung finden - mit politischen Folgen: "Statt einem Stimmenanteil von 11 Prozent wie bei der Kommunalwahl vor zwei Monaten ist die ausländerfeindliche Partei (Rechtspopulisten, Anm.) nun für mehr als 20 Prozent der NorwegerInnen wieder erste Wahl", resümiert Reinhard Wolff von die taz.


Warten auf das Urteil

Unterdessen ziehen andere mit dem Urteil einen symbolischen Schlussstrich unter die Causa Breivik. Wenn auch nicht unter die brisanten Fragen, die sein Fall angestoßen hat.

Ute Rossbacher


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