Quelle: ZAMG

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Ein Österreicher in Berlin: Harald Schrott

Konrad Fuchs

relevant Redaktion

Schrott: "Tirol wird immer meine Heimat bleiben"

13.07.2012
Ein Schauspieler aus Leidenschaft, mit Liebe zur Stadt und Sehnsucht nach dem Land: Harald Schrott im relevant-Interview über seinen Alltag als Schauspieler, seine Traumrolle und Heimatgefühle.

Schon in jungen Jahren ging der österreichische Schauspieler Harald Schrott nach Deutschland, wo er sich rasch zu einem anerkannten Bühnendarsteller mit einem umfangreichen Rollen-Repertoire entwickelte. Seit einigen Jahren überzeugt der gebürtige Tiroler, der mit seiner Familie in Berlin lebt, überdies als Darsteller in populären Fernseh- und Filmproduktionen.

relevant-Redakteurin Ute Rossbacher bat den 44-Jährigen um eine kleine persönliche Zwischenbilanz.


"Schauspielen gegen das Heimweh"

relevant: Sie stammen aus Tirol, wo Sie auch Ihre Schauspielausbildung absolvierten, gingen jedoch schon früh nach Deutschland, um an den Theatern von Mainz, Ulm, später auch Berlin, zu arbeiten. Wie haben Sie diese Jahre geprägt?

Harald Schrott: Die Angebote von österreichischen bzw. Schweizer Theatern hatte ich abgelehnt. Insofern war es eine sehr bewusste Entscheidung, mein geliebtes Land Tirol mit 20 Jahren zu verlassen und "hinaus" nach Deutschland zu gehen, um mich dort zu behaupten. Das Heimweh und das Gefühl der Einsamkeit habe ich bekämpft, indem ich mich wie ein Besessener in meine Rollen geschmissen und buchstäblich um mein Leben gespielt habe. Diese 13 Jahre im Festengagement haben mir ein Fundament geschaffen, auf dem ich heute noch aufbaue. Ich habe in allen Genres gearbeitet (Schauspiel, Musical, Oper, Operette, Märchen; Anm.), stand bis zu 26 Mal monatlich auf der Bühne und hatte zeitweise zehn verschiedene Rollen im Repertoire.

Ich hatte die Möglichkeit, mich mit großen Texten auseinanderzusetzen und darüber ein Gefühl für Sprache zu entwickeln. Vor allem aber habe ich gelernt, wie viele unterschiedliche Wege es gibt, sich einer Figur und ihrer Wahrheit zu nähern und dass man nicht umhinkommt, immer wieder bei Null anzufangen. An jedem Abend und vor jedem Take.

Gibt es eine Bühnenrolle oder bestimmte Figur, die Sie einmal besonders gerne darstellen würden?

"Macbeth" war und ist eine meiner Traumrollen am Theater, die ich noch nie gespielt habe. Beim Film bin ich immer wieder erstaunt und glücklich, welch gegensätzliche Charaktere mir angeboten werden. Die Spannweite ist enorm und ich empfinde diesen differenzierten Blick der Caster und Regisseure auf mich als Herausforderung und großes Geschenk.


"Vor der Kamera zu stehen war ein Schock"

Als Sie das erste Mal für eine Filmproduktion vor der Kamera standen, waren Sie Anfang 30. Wie erlebten Sie diesen Unterschied zwischen Bühne und Filmset?

Als Schock, in positiver wie negativer Hinsicht. Die Kamera ermöglicht ein intimes und hochkonzentriertes Arbeiten. Jeder einzelne am Filmset leistet seinen Betrag zu diesem großen Ganzen und es gibt keine "unbeteiligten" Zuschauer. Das finde ich befreiend und inspirierend. Zudem kann die Kamera Gedanken lesen, das ist für einen Schauspieler die ultimative Aufforderung, nichts dazu zu erfinden, aber auch nichts zu unterschlagen. Nach einem gelungenen Take stellt sich ein wahres Glücksgefühl ein - in dem Wissen, dass das eben Geschehene auf Film gebannt ist und - falls im Kopierwerk nix schief ging - auch bleibt.

Eine große Umstellung bedeutet dafür das unchronologische Arbeiten und das Fehlen von wochenlangen Proben. Beim Spielen vor der Kamera sucht der Schauspieler die wahren, überraschenden Momente, aus denen dann in der Summe eine Figur entsteht. Den am Theater oft erlebten "Bogen einer Rolle" und die Euphorie der körperlichen Verausgabung an einem mehrstündigen Abend erlebt man beim Film natürlich kaum.

Große Anerkennung brachte Ihnen unter anderem die Verkörperung des Hitler-Attentäters Claus Graf Schenk von Stauffenberg im Fernsehfilm "Die Stunde der Offiziere" (2004) ein. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Ich habe natürlich viel über Stauffenberg und seine Zeit gelesen, gesehen, studiert. Auch das Leben mit Augenklappe und nur drei Fingern der linken Hand versuchte ich mir anzueignen. Vor allem aber wollte ich vorgefasste Meinungen und Klischees über Bord werfen, um dem idealistischen, leidenschaftlichen Naturell dieses Mannes auf die Spur zu kommen, sozusagen den Menschen hinter der Legende freizulegen.


"Meine Sehnsucht nach 'Land' wächst"

Heute leben Sie in Berlin. Wie würden Sie Ihr Leben in dieser Stadt beschreiben?

Ich lebe nach wie vor gern in Berlin, obwohl ich das Gefühl habe, die Möglichkeiten dieser Stadt immer weniger zu nutzen. Nach bald 18 Jahren und mit den vielen großartigen Freunden und meiner Familie, die ich mittlerweile dort habe, ist es mein Zuhause geworden. Gleichzeitig empfinde ich es aber auch als eine große Herausforderung, meinen Kindern ein Gefühl der Sicherheit und das Erleben von Natur in dieser Umgebung zu ermöglichen. Wahrscheinlich wächst auch deshalb meine Sehnsucht nach "Land" kontinuierlich ...

Was verbinden Sie nach all den Jahren in Deutschland noch mit Österreich?

Tirol ist der Hafen - oder sollte ich passenderweise "Talstation" sagen, von dem aus ich meine kleine, persönliche Reise angetreten habe und in den ich immer wieder zurückkehre. Zur Überprüfung, aus Sentimentalität, aber auch, weil dieser Flecken Erde einfach unbeschreiblich schön ist. Dort leben meine treuesten Freunde, meine Ursprungsfamilie. Tief in meinem Herzen wird es immer meine Heimat bleiben.

Interview: Ute Rossbacher

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