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Jürgens: "Die Altersarmut wird zunehmen"

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relevant Redaktion

Jürgens: "Die Altersarmut wird zunehmen"

26.06.2012
Die Schauspielerin im relevant-Interview über ihre Initiative gegen Altersarmut, ihren künstlerischen Werdegang und die Kraft der Träume.

Bekannt wurde sie einst als Tochter von Sänger Udo Jürgens. Bekannt ist sie heute als Schauspielerin, die sich sozial engagiert und sich erfolgreich an Neuem versucht - z.B. Kinderbücher zu schreiben.

Im Interview mit relevant-Redakteurin Ute Rossbacher gibt sich Jenny Jürgens entspannt, aber auch nachdenklich. Vor allem, wenn sie auf ein ganz bestimmtes Thema zu sprechen kommt: ein Leben im Alter unter der Armutsgrenze.


relevant: Frau Jürgens, Sie sind Botschafterin für Senioren beim Deutschen Roten Kreuz und engagieren sich seit 2009 mit Ihrem Projekt "Herzwerk" gezielt gegen Armut im Alter in Ihrer Wahlheimat Düsseldorf. Wie sieht Ihre persönliche Zwischenbilanz nach drei Jahren aus?

Jenny Jürgens: Unser Projekt "Herzwerk" steht inzwischen auf sehr stabilen Beinen. Wir unterstützen Senioren, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Voraussetzung für diese Hilfe ist es, über 70 Jahre zu sein, die Grundsicherung zu beziehen oder eine Pflegestufe zu haben. Dann wird ein Antrag gestellt, dieser wird geprüft, und dann leisten wir relativ schnell und unbürokratisch Hilfe.

Berührend ist dabei, dass die Bedürftigkeit oft in den ganz kleinen Dingen liegt. Dinge die für uns absolut selbstverständlich sind - eine neue Brille, Dinge für den Haushalt, ein Zahnarzt- oder Friseurbesuch. Die Liste ist unendlich ... und umfasst eben alles, was man sich mit 320 Euro Grundsicherung nicht erlauben kann.


"Das Motto: Wer teilt, beschenkt sich selbst"

Reicht die Unterstützung über das Finanzielle hinaus?

Ja, denn bei diesem Thema geht es auch um die Scham und die daraus resultierende Einsamkeit. Deshalb haben wir einen ehrenamtlichen Besucherdienst eingerichtet und wir stiften Patenschaften und Zeitspenden. Man kann eine Patenschaft für einen Senior/in übernehmen, monatlich einen selbstgewählten Betrag überweisen und sich kümmern. Wer teilt, beschenkt sich selbst - das ist das Motto. Ich selbst hatte drei Jahre lang eine Patenschaft inne. Der betreffende Herr ist leider vor zwei Monaten verstorben.

Sicher ist: Die Problematik der Altersarmut wird sich verschärfen, nicht verbessern. Deshalb ist das Projekt so wichtig.

Sie wurden in München geboren, haben mit Ihren Eltern kurze Zeit in Kitzbühel gelebt, bevor Sie in der Schweiz Ihre Schulzeit verbrachten, und kehrten für Ihre Schauspielausbildung wieder nach München zurück. Gibt es besondere Erinnerungen oder Empfindungen, die Sie mit diesen Orten verbinden?

Zu München werde ich immer eine tiefe Bindung haben. Ich bin dort geboren, habe meine Jugendjahre dort verbracht, und mein Bruder lebt heute noch mit seiner Familie dort. Kitzbühel ist eine tiefe Kindheitserinnerung. Dort in der Natur, in den Bergen aufzuwachsen und nicht in einer Großstadt, hat mich sehr geprägt. Bis heute verbindet mich eine tiefe Liebe zur Natur und zu Tieren. Ich bin allerdings sehr lange nicht mehr dort gewesen. Kitzbühel ist ein Jet-Set-Ort geworden und das interessiert mich nicht so sehr, auch wenn es dort wunderschön ist.


"Der Beruf hat mich gefunden"

Sie spielen Theater, wirken in Fernsehfilmen und -serien mit. Ab wann wussten Sie, dass Sie Schauspielerin werden wollen?

Der Beruf hat mich gefunden, nicht ich den Beruf. Mit 15 Jahren habe ich meinen ersten Film gedreht und von 18 bis 20 habe ich die Schauspielschule besucht. Ich war damals - und noch lange später - weit davon entfernt, eine gute Schauspielerin zu sein. Man wächst eben mit jeder Herausforderung und entwickelt sich weiter. Das endet nie. Und jede neue Aufgabe ist wie ein neuer Anfang.

Die einzige Sicherheit die ich heute habe ist, dass ich jetzt weiß, worum es geht und wie ich es machen muss. Das bringt die Erfahrung mit sich. Trotzdem tritt nie Routine ein, denn keine Arbeit gleicht der anderen.

Seit vielen Jahren leben Sie in Düsseldorf, wo Sie sich nach eigenen Angaben sehr wohl fühlen. Was macht Ihr persönliches Wohlbehagen in dieser Stadt für Sie aus?

Ich lebe seit 17 Jahren in Düsseldorf. Die Rheinländer sind sehr offen und kommunikativ. Das hat mir immer gefallen. Ich habe hier sehr viel Theater gespielt und mir nun auch mit "Herzwerk" eine Basis geschaffen, die mich mit der Stadt aktiv verbindet. Dazu kommt, dass in Nordrhein-Westfalen sehr viel Wert auf Kunst und Kreativität gelegt wird und der gesamte Lebensstandard sehr hoch und abwechslungsreich ist. Das ist schön.


"Träumen schafft Fluchtpunkte"

Mit "Tini Traum" haben Sie 2010 Ihr erstes Kinderbuch geschrieben. Welche Reaktionen erlebten Sie bei den Kindern auf die Geschichte der elfjährigen Tini, die mit Tagträumen versucht, sich von ihren Sorgen abzulenken?

Wo auch immer ich vorgelesen habe, sind die Kinder sehr mitgegangen. Das Schöne ist, dass Kinder sich immer entführen und mitreißen lassen. Sie tauchen ein in die Geschichten und werden sofort ein Teil davon.

Dr. Rolf Bönnen und ich wollten mit der Geschichte zeigen, dass Träumen wichtig ist. Egal, was die Erwachsenen sagen. Durch das Träumen entwickelt sich unsere Fantasie - wir bauen Ängste ab und schaffen uns Fluchtpunkte. Und manchmal wird ein Traum ja sogar wahr. Das ist wohl das Wichtigste!


"Die Liebe bleibt das Schönste und Wichtigste"

Sie strahlen innere Zufriedenheit aus. Was sind aus Ihrer Sicht die Zutaten eines erfüllten Lebens?

So einiges: Versuche nicht immer und überall gefällig zu sein. Lerne Nein zu sagen und sage Ja zu allem, was dir gut tut. Engagiere dich sozial, denn das erfüllt dich selbst. Lege nicht zu viel Wert auf die Meinung Dritter, aber höre auf das, was Menschen sagen, die dich kennen und lieben. Sei mutig und wähle neue Wege, wenn sie dir gut tun - auch, wenn es schwierig ist. Genieße das Leben, die Musik, das Essen, deine Arbeit, deine Freunde und Familie. Denke nicht ständig an morgen, denn das Morgen existiert nicht, und du verpasst dabei den Augenblick, in dem du gerade lebst ...

Das Schöne am Älterwerden ist, dass all das immer besser funktioniert. Das schönste und wichtigste Gefühl aber ist und bleibt die Liebe!

Interview: Ute Rossbacher


Buchtipp

Jenny Jürgens, Rolf Bönnen Tini Traum (Lokomotion Verlag, 2010)


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