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Spanien: Bankenhilfe ohne Auflagen?

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relevant Redaktion

Spanien: Bankenhilfe ohne Auflagen?

21.09.2012
Eine Vorstellung, die vielen Kommentatoren missfällt. Und sie erklären auch gerne, warum.

Nicht weniger als geschätzte 100 Milliarden Euro Hilfe benötigt Spanien laut eigenen Angaben, um seine Banken absichern zu können. Woher dieses Geld kommen soll, ist aus Sicht von Issio Ehrich von n-tv so klar noch nicht. Sicher dagegen ist: "Entscheidet sich Madrid für den ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus, Anm.) und brauchen Spaniens Banken das Geld schnell, dann wird es kritisch."

Denn ESM (auch permanenter Rettungsschirm genannt) wurde erst von wenigen Mitgliedsstaaten der Eurozone ratifiziert. Deutschland Verfassungsrichter haben erst vor wenigen Tagen ihren Segen dazu gegeben. Ein wichtiger Schritt, aber am Ende vielleicht doch zu wenig, vor allem, sollte auch Italien unter den Rettungsschirm schlüpfen.

 

Falscher Stolz?

Kein leichtes angesichts der bereits hohen Zeche für Spanien. Dass diese so hoch ausfiel, liegt auch daran, dass sich das Land so lange gegen internationale Hilfe gesträubt hat. Der spanischen Regierung wurde dies als falscher Stolz ausgelegt. Dass sie nach dreistündiger Telefonkonferenz Anfang Juni denn doch die Bankenhilfe annehmen sollte, kann Martin Lanz von der Neuen Zürcher Zeitung daher auch nicht beruhigen. Vielmehr ist er überzeugt: "Das Wasser muss Spanien und Europa schon ganz am Hals stehen."

Umso erstaunlicher ist die demonstrative Entspanntheit, die der spanische Regierungschef Mariano Rajoy an den Tag legte. Von einem Eingeständnis, wie ernst die Lage seines Landes ist, zeigte er sich weit entfernt. Selbst das britische Magazin The Economist analysierte ratlos: "Wonach die Hilfe in der Höhe von 100 Milliarden Euro, die Spanien von den Euro-Staaten zur Verfügung gestellt werden, auch immer aussieht, das Land würde es wohl nicht so bezeichnen."

Martin Winter vom manager magazin macht diese Vorstellung zusehends nervös: "Wenn die Regierung Spaniens (...) erst so tut, als würde sie allein mit den Problemen fertigwerden, um dann einer direkten europäischen Kapitalspritze für ihre Banken das Wort zu reden, dann beschleichen einen Zweifel, ob diese Leute noch wissen, was sie tun."

Tun sie, holt Tom Burns Marañon von der spanischen Zeitung Expansión zur Ehrenrettung für seine Heimat aus und resümiert gekränkt: "Viele in Europa glauben immer noch, dass sich südlich der Pyrenäen 'das Land der Faulheit' erstreckt."

Symbolisch wichtig war freilich, dass die rettenden Maßnahmen noch vor den Neuwahlen in Griechenland verabschiedet wurden. Ein kleiner Kunstgriff sollte dabei verhindern, dass Spanien im Gegenzug für die 100 Milliarden Euro Auflagen erfüllen muss. Der Betrag wird nämlich über den Umweg des spanischen Bankenrettungsfonds FROB an die maroden Institute ausbezahlt. Damit trägt die Summe nicht mehr den Titel Staatenhilfe. Das schien den Verantwortlichen erforderlich, um die Märkte zu beruhigen. Was fürs Erste gelang.

 

Internationale Hilfe ohne Alternative?

Erbost zeigt sich darüber Heike Göbel von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - nicht nur als Journalistin, sondern vielmehr als Steuerzahlerin: "Die Schuldner diktieren weitgehend die Regeln. 'Madame No' (gemeint ist Angela Merkel, Anm.) hat ihren letzten Trumpf aus der Hand gegeben."

Die Folgen dieser Problematik verdeutlicht Martin Bohne von der ARD Tagesschau: "Mit der Währungsunion haben sich die Euro-Staaten zur Schicksalsgemeinschaft zusammengeschlossen. Aber keiner will sich von der Gemeinschaft hereinreden lassen."

Fraglich ist überdies, ob Spaniens Regierung tatsächlich die Hilfe benötigt hat. Oder sich die Krise einzelner Banken nicht auch anders hätte lösen lassen. Zumal die betroffenen Sparkassen, die die Hilfe am dringendsten benötigen, keine systemrelevanten Banken seien, wie Malte Fischer von der WirtschaftsWoche betont:

"Diese Banken muss der Staat retten, um einen Kollaps des globalen Finanzsystems zu verhindern. Doch die spanischen Regionalbanken gehören nicht dazu."

Er plädiert für den Weg, den die US-Regierung in der Finanzkrise eingeschlagen hat: systemrelevante Banken stützen, kleinere und mittlere zur Not pleite gehen lassen.

 

Europa stößt an seine Grenzen

Von einem einheitlichen Kurs in dieser Frage sind die europäischen Staaten derzeit weit entfernt. Die Redaktion der französischen Tageszeitung Le Monde überrascht das wenig: "Europa ist eine Union der Nationalstaaten, die einen Teil ihrer Souveränität an EU-Institutionen übertragen haben." Sprich: ein Hybridmodell, dem Grenzen gesetzt sind, sobald eine gemeinsame Währung ins Spiel kommt. Die Erkenntnis daraus: "Wir können nicht den Euro und die totale Budgethoheit gleichzeitig behalten."

 

Spannung vor Terminen

Wie die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, am (heutigen) Freitag die Öffentlichkeit informierte, dürfte sich der tatsächliche Bedarf der spanischen Banken auf 40 Milliarden Euro belaufen. Noch vor Oktober sollen alle erforderlichen Kennzahlen aus Madrid vorliegen. Die Zeit drängt. Denn dieser Tage wurde auch bestätigt, dass auch Zypern frisches Kapital für seine Banken benötigen wird. Und das ab Jänner 2013.

Ute Rossbacher

 

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