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Großer Kater nach kurzem Börsen-Rausch

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relevant Redaktion

FB: großer Kater nach kurzem Börsen-Rausch

20.08.2012
Facebook dürfte seinen Kurs-Rutsch verkraften. Für die Börse und die Aktionäre dagegen fällt die Bilanz deutlich nüchterner aus.

Rund 16 Milliarden Dollar versprach sich das erst acht Jahre alte Unternehmen Facebook noch vor wenigen Monaten vom Verkauf seiner Firmenanteile. Waren beim Börsengang im Frühjahr 421 Millionen Aktien zu 38 Dollar veräußert worden, brach die Nachfrage jedoch bereits am zweiten Handelstag ein. Ein Negativtrend, der anhalten sollte. Denn wer im Mai noch Facebook-Aktien zu 38 Dollar gekauft hatte, hat mittlerweile fast die Hälfte seines Einsatzes eingebüßt. Keine Überraschung also, dass vergangene Woche, als die erste Haltefrist fiel, zahlreiche Aktionäre ihre Facebook-Anteile auf den Markt warfen, und der Kurs damit um weitere sechs Prozent auf einen neuen Tiefstand fiel.

Aus Sicht von Branchenkennern hatte sich diese Entwicklung abgezeichnet. Und das nicht nur, weil kein anderer Börsengang in den USA seit 2007 so schlecht wie jener von Facebook verlaufen sei, wie das Wall Street Journal in seiner Analyse bestätigt. (Das lag zum einen an den Verträgen, aber auch technischen Pannen am ersten Handelstag, die noch Gegenstand der Ermittlungen durch die Börsenaufsicht sein werden.)

Für weit größere Aufregung sorgte jedoch die Bilanz, die den Angaben von Axel Postinett vom Handelsblatt zufolge so eindeutig wie einseitig ausgefallen ist:

"Er (der Börsengang, Anm.) hat insgesamt 16 Milliarden Dollar in die Kassen der Alt-Investoren und des Unternehmens gespült und den beteiligten Banken 167 Millionen Dollar an Gebühren beschert. Den neuen Aktionären blieben bislang hingegen nur Kursverluste."


Morgan Stanley in der Kritik

Wie es dazu kommen konnte, ist für Marcus Gatzke von Die Zeit schnell erklärt: "So sollte der vermeintlich letzte Dollar aus dem Börsengang herausgequetscht werden. Dieses Ziel wurde jetzt erreicht, allerdings auf Kosten der Aktionäre."

Verantwortlich dafür wird Morgan Stanley gemacht - jene US-Großbank, die den Börsengang für Facebook abwickelte. Den Preis für die Aktie hatte das Finanzinstitut in den Wochen vor dem Börsenstart nach oben korrigiert, um möglichst viele Kunden an Land zu ziehen, die auf das große Geld hofften.

Von den Folgen dürfte sich Morgan Stanley nicht allzu rasch erholen, schätzt Holman W. Jenkins vom Wall Street Journal: "Künftig wird es (für die Bank, Anm.) schwieriger werden, Unternehmen einen Börsengang zu verkaufen."


Aktionäre: Verlierer und Gewinner

Was die Aktionäre auf der anderen Seite betrifft, hält sich das Verständnis bei Jonathan Weil von Bloomberg dagegen in Grenzen, denn: "Niemand hat die Leute gezwungen, Facebook-Aktien zu kaufen. Die Führung des Unternehmens für den Absturz der Aktie anzuklagen, ist, als ob man im Casino Geld verliert und sich danach über die Gepflogenheiten des Hauses beschwert."

Auch Lars Halfter von n-tv relativiert und erinnert dabei an einen bewährten Grundsatz: "Auf den Hype um ein beliebtes IPO (engl. für Initial Public Offering - Börsengang, Anm.) sollte es Anlegern einfach nicht ankommen, sondern ganz schlicht um die Erfolgsaussichten des Unternehmens, auch wenn die nicht poppig und spritzig daherkommen, sondern sich in langweiligen Zahlenkolonnen verbergen."

Wobei beim Facebook-Börsengang nicht alle leer ausgegangen sind, gibt Joachim Dreykluft von der Financial Times Deutschland zu bedenken: "Nicht berücksichtigt wurde, dass es neben den neuen Aktionären beim IPO auch viele Altaktionäre gibt, die in den vergangenen Jahren bei Privatplatzierungen Facebook-Aktien weit unter 38 Dollar kauften und die trotz des Kurssturzes noch mit prächtigem Gewinn verkaufen können."


Chancen für Facebook

Für Zuckerbergs Unternehmen selbst ist der verpatzte Börsengang nach Einschätzung von Patrick Bernau und Martin Hock (Frankfurter Allgemeinen Zeitung) verschmerzbar: "Letztlich hat Facebook lediglich seinen Börsengang und nicht sein Geschäft vermasselt." Das im vergangenen Jahr einen Gewinn von einer Milliarde Dollar erzielt hat.

Die beiden Autoren denken dabei auch an die Börsengänge von Yahoo! und Google vor einigen Jahren. Jene zogen nach holpernden Anfängen letztlich noch kräftig an.

Ganz anders schätzt Dan Bigman von Forbes dagegen die Lage von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ein: "Er lebt fürs Produkt, nicht für die Firma. Und wie für jeden überzeugten Erfinder (...) ist Kontrolle für ihn alles und Ablenkung ein Albtraum." Gilt es doch für ihn, der mit 57 Prozent immer noch die Mehrheit der Stimmrechte hält, auch weiterhin das Sagen zu haben.


Angst vor Ansteckung

Für Facebook wird es weitergehen. Branchenkenner jedoch betrachten die Kursentwicklung des Unternehmens mit gemischten Gefühlen, gehen sie davon aus, dass der verpatzte Börsenstart ausreicht, um auch die Kurse anderer - bislang weitestgehend stabiler - Technologie-Aktien nach unten zu ziehen.

Ute Rossbacher


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