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"Herzschwäche wird oft übersehen"

fotodienst/Anna Rauchenberger

relevant Redaktion

"Herzschwäche wird oft übersehen"

10.05.2012
Kardiologe Hans Altenberger im relevant-Gespräch zum Thema Herzinsuffizienz (HI) und wie sie sich behandeln lässt.

In Europa sind es rund 28 Millionen Menschen, in Österreich allein geschätzte 300.000, die unter Herzinsuffizienz (HI) - also Herzschwäche - leiden; die in 50 Prozent der Fälle innerhalb von vier Jahren tödlich endet.

Dies liegt jedoch weniger an den Behandlungsmethoden, die mittlerweile weit fortgeschritten sind, sondern vielmehr daran, dass die Krankheit immer noch zu selten korrekt diagnostiziert wird oder von den Betroffenen trotz enormer Einschränkungen im Alltag - wie Atemnot in Ruhe, Abnahme der Leistungsfähigkeit oder Depressionen - hingenommen wird.

Prim. Dr. Hans Altenberger, Leiter der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz, hat es sich daher - gemeinsam mit anderen KollegInnen in Österreich - zur Aufgabe gemacht, ÄrztInnen und PatientInnen über diese Krankheit und ihre Behandlung aufzuklären und sich für eine stärkere mobile Betreuung von HI-PatientInnen einzusetzen. Dazu gibt es vielversprechende Initiativen am LKH Krems (Telefonbetreuung), in Salzburg (Kardiomobil) bzw. am Linzer Elisabethinen Krankenhaus (Telemonitoring für Schwerkranke).

Aus Anlass des Europäischen Tages der Herzschwäche am 11. und 12. Mai hat relevant-Redakteurin Ute Rossbacher mit Hans Altenberger gesprochen.


relevant: Es heißt, dass Herzinsuffizienz (HI) nicht immer korrekt diagnostiziert wird. Woran liegt das?

Hans Altenberger: Das hängt damit zusammen, dass sich Herzschwäche oftmals mit anderen Erkrankungen überschneidet. Gerade die Atemnot – ein Symptom der Herzschwäche – ist auch für andere Leiden wie Blutarmut oder Lungenerkrankungen typisch und kann überdies altersbedingt auftreten. Deshalb wird Herzschwäche als Ursache oftmals übersehen.

Erschwerend gilt, dass Herzschwäche nicht selten jahrelang einfach als gegeben hingenommen wird. Dabei nimmt das Leben eines Herzinsuffizienz-Patienten oftmals einen tragischen Verlauf, weil die Leistungsfähigkeit stetig abnimmt und die stationären Aufnahmen in immer kürzeren Abständen erforderlich sind. Und das zusammen genommen weiter in den Abgrund führt.


"Frauen gehen in der Kardiologie oft unter"

Was die Symptome angeht, kündigt sich zum Beispiel der Herzinfarkt bei Frauen anders als bei Männern an. Gibt es auch bei Herzschwäche geschlechtsspezifische Unterschiede, was die Warnzeichen oder den Krankheitsverlauf betrifft?

Was die Symptome angeht, sind keine markanten Unterschiede bekannt. Aber es gibt geschlechtsspezifische Besonderheiten: Wenn man sich eine Herzinsuffizienz-Ambulanz ansieht, sind dort durchschnittlich 80 Prozent der Patienten Männer und 20 Prozent Frauen.

In jüngeren Jahren sind mehr Männer betroffen, weil die koronale Herzerkrankung eine Domäne der Männer ist. Im Alter holen die Frauen jedoch stark auf. Auffällig ist hier eine besondere Form der Herzschwäche: die diastolische Herzinsuffizienz (Durchblutung normal, aber der Herzmuskel ist nur eingeschränkt dehnbar, Anm.). Diese ist häufig bei Frauen im höheren Alter, auch weil sie durchschnittlich älter als Männer werden, zu beobachten. Diese Form der Herzschwäche ist genauso bösartig wie die klassische.

Generell gilt aber auch: Frauen sind in der Regel sehr besorgt um ihre Männer. Dadurch geht ihr Schicksal in der Kardiologie oftmals drunter.


"Therapie langsam beginnen"

Die Medikation gegen Herzschwäche ist nicht immer korrekt auf die PatientInnen eingestellt, meist unterdosiert. Wie erklären Sie sich diese Problematik?

Die Medikamente, die wir in diesem Fall verwenden, senken fast alle den Blutdruck. Bei fortgeschrittener Krankheit haben die PatientInnen jedoch meist schon einen niedrigen. Wenn jetzt ein Patient bei Blutdruck 100 zwei bis drei Medikamente erhält, die diesen zusätzlich senken, ist das kritisch. Deshalb scheuen Patienten aber auch Ärzte, mit solchen Medikamenten in die Behandlung einzusteigen, geschweige sie höher zu dosieren.

Mittlerweile wissen wir aber: Wenn wir ganz langsam beginnen und die PatientInnen über den Sinn der Therapie genau aufklären, sinkt der Blutdruck nicht so stark, wie man erwarten würde. Aber dazu braucht es eben Erfahrung, Genauigkeit und Kontrolle. Auch die PatientInnen sind hier gefragt, täglich ihren Blutdruck zu messen, darüber Protokoll zu führen und ihre Aufzeichnungen zur Untersuchung mitzubringen.

Inwieweit unterscheiden sich die Behandlungen bei jüngeren und älteren PatientInnen, die an Herzschwäche leiden?

Das ist ein schwieriger Punkt. Denn die verfügbaren Therapien wurden im Grunde alle an deutlich jüngeren Menschen erforscht. Und das wiederum, weil Ältere aufgrund ihres Gesundheitszustandes für Medikamenten-Studien so gut wie nicht mehr infragekommen.

Die Behandlung ist also im Prinzip ident, aber man weiß inzwischen, dass man bei älteren Patienten die Dosis der Medikamente nicht so stark steigern kann wie bei jüngeren. Dennoch sollte man diese Grenzen ausloten, weil PatientInnen mit höherer Dosierung einen besseren Behandlungserfolg verzeichnen.


"Man muss das Herz entlasten"

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Was treibt Sie an, sich mit dem Thema Herzschwäche so intensiv auseinanderzusetzen?

Mich hat diese Erkrankung schon immer sehr interessiert. Früher habe ich sehr häufig erlebt, wie arm dran PatientInnen sind, die Wasser in der Lunge oder in den Beinen haben. Damals lautete noch der Grundsatz: schwaches Herz – also muss man die Herzkraft steigern. Heute weiß man: Man muss das Herz entlasten.

Dieser Paradigmenwechsel führte vor circa 15 Jahren zu einer Veränderung der medikamentösen Therapie gegen Herzschwäche. Ich erlebte noch die Zeit, als dieser Gedanke formuliert, aber nicht umgesetzt wurde. Deshalb gründete ich eine eigene Herzinsuffizienz-Ambulanz im Landeskrankenhaus Salzburg. Es tut gut zu wissen, dass man PatientInnen auf diese Weise helfen kann.

Interview: Ute Rossbacher


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