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"'Muttertag' würde heute noch funktionieren"

Robert Peres

relevant Redaktion

Händler: "'Muttertag' würde heute noch funktionieren"

14.05.2012
Kabarettistin Andrea Händler im relevant-Gespräch über ihre Zeit bei Schlabarett, das Älterwerden, Spießigkeit und Strandurlaube.

Andrea Händler gehört zu den wenigen erfolgreichen Kabarettistinnen des Landes. Seit rund 30 Jahren steht sie bereits auf der Bühne und vor der TV- und Filmkamera, war Teil von Kult-Produktionen wie "Kaisermühlen Blues", "Poppitz" oder "Muttertag". Derzeit tourt sie mit ihrem neuen Kabarettprogramm "Naturtrüb" durch Österreich, in dem sich alles um die Spießigkeit und das Älter-Werden geht.

relevant-Journalist Manuel Simbürger bat die sympathische Kabarettistin kurz vor ihrem Auftritt im Wiener Orpheum zu einem entspannten und sehr persönlichen Gespräch.


relevant: Wie ist die Idee zu "Naturtrüb" entstanden?

Andrea Händler: Ich hab' geschaut, was in meinem eigenen Leben gerade so passiert. Ich hab' mich also beobachtet und gemerkt: Oh je, ich werde alt! (lacht) Und mit dem Älter-Werden kommt auch die Spießigkeit. Das habe ich dann in ein Kabarettprogramm umgewandelt.

Ist Andrea Händler also tatsächlich spießig, wenn sie nicht auf der Bühne steht?

Naja, ich finde mich im Vergleich zu früher schon sehr spießig! Ich habe mit meinem Freund eine Kabane an der Alten Donau, freu' mich, wenn ich dort einfach sitzen und einen weißen Spritzer trinken kann. Vor allem muss ich mir nicht mehr überlegen, was wir am Samstagabend unternehmen. Nämlich gar nichts! Wunderbar!

Waren Sie in jungen Jahren eine Party-Tigerin?

Es war immer klar: Samstags wird fortgegangen, egal wohin. Mit 15 Jahren habe ich begonnen, fortzugehen. Und ich habe wirklich alle Clubbings durch, die es in Wien gibt: Technisches Museum, Sofiensäle, usw.! Ins U4 habe ich mich mit meinen 16 Jahren damals reingeschummelt.


"Alte Zeiten waren nicht besser, ich war nur jünger"

Welche Spießigkeit würden Sie den Österreichern abgewöhnen?

Das Misstrauen! Offen gegenüber Neuem sind wir wirklich nicht – am besten sollte immer alles so bleiben, wie es früher schon war. (lacht) Nach dem Motto "Früher war alles besser!". Aber wenigstens sind wir friedlicher als die Deutschen – die sind nicht misstrauisch, sondern gleich dagegen!

Denken Sie auch, dass früher alles besser war?

Ich erwische mich manchmal dabei. Aber dann reiße ich mich zusammen und sage mir: Die Zeiten waren nicht besser – ich war nur jünger! Das ist der einzige Unterschied. Es ist schon gut so, wie es jetzt ist. Man muss halt damit leben, dass z. B. der Druck immer größer wird. Ich muss sagen, ich bin froh, dass ich keine Kinder habe, mit denen ich lernen muss!

War das etwas, das Sie in jungen Jahren angestrebt haben – heiraten und Kinder bekommen?

Kinder bekommen überhaupt nicht. Ich habe immer gesagt, ich warte auf den Moment, wenn ich Kinder haben will – und wenn dieser Moment da ist, ist es egal, ob ich gerade einen Mann habe oder nicht! Dieser Moment ist aber nie gekommen. Vielleicht kommt er irgendwann nach dem Wechsel, aber dann ist es zu spät. Werde ich mir wohl einen Hund zulegen müssen! (lacht)

Heiraten wollte ich einige Zeit lang schon. Mein Freund hat mich damals nicht gefragt, obwohl er sollte. Da war ich grantig. Aber egal, wir sind immer noch zusammen, und das seit 12 Jahren!

Sind unsere Politiker "naturtrüb"?

Jo kloa! Mit fällt da eine gewisse Frau F. ein. Wobei ich es strikt vermeide, Kommentare zur Politik abzugeben oder gar ein politisches Kabarett zu machen. Das überlasse ich anderen. Dafür interessiert mich Politik zu wenig. Und mittlerweile immer weniger.


"Vorurteil, Frauen sind nicht witzig"

Themenwechsel: Es gibt sehr wenige Kabarettistinnen. Ist es als Frau schwieriger, sich in der Kabarettszene zu behaupten?

Ja, auf jeden Fall. Vor den Kollegen muss man sich nicht behaupten, damit hätte ich auch gar kein Problem. Aber beim Publikum sehr wohl. Gegenüber Frauen gibt es mehr Vorbehalte, besonders seitens der Männer. Die haben Angst, welche Witze die Frau dort auf der Bühne über sie machen wird. Und es gibt immer noch das Vorurteil, dass Frauen nicht witzig sein können. Nach der Vorstellung bekomme ich öfter von Männern die Reaktion zu hören: "Sie waren eh lustig!" Männer sind halt viel schneller beleidigt als Frauen. Frauen können sich wunderbar über sich selbst lustig machen.

Trotzdem: Darf man als Kabarettistin auf der Bühne manche Witze nicht machen, die männliche Kollegen machen?

Ja. Man darf keine Fäkalsprache verwenden. Ich habe es probiert und es ist schiefgegangen. Benützt man als Frau bestimmte Wörter auf der Bühne, zuckt das Publikum vor Unbehagen zusammen. Genauso bei betrunkenen Frauen: Man(n) findet eine betrunkene Frau immer noch schrecklicher als einen betrunkenen Mann. Das ist wahnsinnig unfair!

Sie haben Ihre Karriere vor fast 30 Jahren mit "Schlabarett" gemeinsam mit Alfred Dorfer und Roland Düringer begonnen. Wäre solch eine Art von Kabarett heute wieder möglich?

Natürlich! Wir waren damals die ersten, die ein Kabarettprogramm mit durchgehender Handlung zeigten. Das hat viele Nachfolger geprägt. Auch "Muttertag" würde heute noch genauso gut funktionieren.

Wie hat sich die Kabarettszene in den letzten 30 Jahren verändert?

Es gibt heute mehr Kabarettisten und Kabarettistinnen als früher. Zu meinen Anfangszeiten war es nicht außergewöhnlich, dass ein Programm vier Wochen durchgehend gelaufen ist. Heute würde das nicht mehr gehen, es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Viele meiner jungen KollegInnen kenne ich auch gar nicht mehr.


"Nicht jung sein um des Jung-Seins willen"

Wären Sie eigentlich gerne jünger?

Ich wäre gerne so, wie ich bin. Klar wäre es nett, dabei zehn Jahre jünger zu sein. Aber ich möchte nicht jung sein um des Jung-Seins willen. Ich bin gerade dabei zu lernen, der Jugend nicht mehr nachzulaufen. Heute weiß ich vieles, was ich früher nicht wusste, habe wichtige Erfahrungen gemacht. Das möchte ich nicht eintauschen.

Welche Erfahrungen?

Ich bin heute gelassener als früher. Ich renne Dingen nicht mehr hinterher, wie ich es früher gemacht habe. Sicher, früher hatte ich mehr das Gefühl, alle Möglichkeiten stehen mir offen. Dieses Gefühl verschwindet, je älter man wird. Das ist nicht schön. Und: Die Pension, mit Dingen abzuschließen, der Tod – das alles bekommt plötzlich eine Bedeutung. Man fürchtet sich ein bisschen.


"Urlaub wichtiger als 'Dancing Stars'"

Zurück zur Spießigkeit: Junge Leute meinen, Dinge wie 'Dancing Stars' anschauen oder Straßenschuhe-Verbot in der Wohnung seien spießig. Wie sehen Sie das?

Bei mir dürfen die Gäste ihre Straßenschuhe anlassen. Das hat aber weniger mit Spießigkeit zu tun, sondern eher mit meinem Frau-Sein: Ich weiß, was sich eine Frau überlegt, wenn sie diese Schuhe zu diesem Outfit anzieht. Deshalb möchte ich ihr nicht zumuten, in meiner Wohnung die Schuhe wieder ausziehen zu müssen.

Und "Dancing Stars" anschauen – ist das spießig?

Keine Ahnung. Ich schaue nicht "Dancing Stars", dafür andere Castingshows wie "The X Factor" zum Beispiel, weil ich Leuten gerne beim Singen zuhöre.

Würden Sie bei "Dancing Stars" mitmachen?

Grundsätzlich ja, ich tanze ja gerne. Man hat mich für diese Staffel sogar gefragt, aber dafür hätte ich den Urlaub mit meinem Freund verschieben müssen. Da sieht man es wieder: Ich laufe Dingen nicht mehr hinterher. Der gemeinsame Urlaub ist mir mittlerweile wichtiger.


"Natur ist spannend"

Wohin ging denn der Urlaub?

Wir waren in Mexico. Normalerweise aber fliegen wir immer Richtung Asien.

Strand- oder Abenteuerurlaub? Oder Kultur?

Eine Mischung aus Strand- und Abenteuerurlaub. Kultur kommt erst an letzter Stelle! (lacht) Ich habe schon genug Tempel gesehen. Was ich aber sehr gerne mag ist alles, was mit Natur zu tun hat. Seen, Berge, Dschungel – wunderbar spannend!

Eine weitere Veränderung, die mit dem Alter kommt: Einen reinen Strandurlaub halte ich mittlerweile nicht mehr aus. Das liegt daran, dass wir heute nicht mehr so lange aufbleiben wie früher. Dafür stehen wir viel früher auf, die senile Bettflucht hat mich anscheinend erwischt. (lacht) Und 12 Stunden am Strand herumliegen – nein danke! Ein bisserl Action muss schon sein.


"Freunde einladen und kochen"

Letzte Frage: Wie darf man sich eine typische Händler-Party vorstellen?

Seitdem ich vor zwei Jahren aufgehört habe zu rauchen, koche ich sehr gerne. Ich liebe es, Freunde einzuladen und sie zu bekochen. Da kann es dann allerdings sehr spät werden. Ich erinnere mich an das letzte Silvester ...

Interview: Manuel Simbürger


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