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"Habe den Boom und den Bust erlebt"

Jens Korte

relevant Redaktion

Korte: "Habe den Boom und den Bust erlebt"

25.04.2012
Börsenexperte Jens Korte im relevant-Interview - über den Wandel New Yorks seit der Finanzkrise, seine Nachrichtenagentur new york german press und Dinge, die er in den USA am meisten vermisst.

Wenn Sie von ihm noch keine Analysen in Zeitungen oder online gelesen bzw. im Radio gehört haben, haben Sie ihn jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit schon in den Fernseh-Nachrichten gesehen: Denn der deutsche Korrespondent und Börsenkenner Jens Korte versorgt seit mehr als zehn Jahren von New York aus diverse Medien im deutschsprachigen Raum mit Live-Berichten und Hintergrund-Reportagen.

Vor wenigen Jahren stellte der gebürtige Frankfurter mit seiner Partnerin Heike Buchter (Die Zeit) die Agentur new york german press (nygp) auf die Beine. Von seinem Leben und beruflichen Alltag in Big Apple hat der vielbeschäftigte Journalist und Familienvater relevant-Redakteurin Ute Rossbacher berichtet.


Sie waren noch nicht lange in New York, als es zur Dotcom-Krise und 9/11 kam. Wie haben Sie die Stadt in dieser Zeit erlebt?

Jens Korte: Ich war auch schon im März 1999 hier, als der Dow-Jones-Index erstmals über 10.000 Punkte kletterte, habe also den Boom und den Bust erlebt. Von diesen "Masters of the Universe" wurde das Selbstverständnis der Stadt, vor allem aber der Finanzgemeinde, stark geprägt. Wobei die Finanzkrise im Jahr 2008 fast noch stärker nachwirkte als 9/11, so furchtbar es war. Ich selbst stand ja neben dem Turm, als das zweite Flugzeug einschlug. Auch an den Kriegen und Sicherheitsvorkehrungen wird heute noch ersichtlich, welche Auswirkungen dieses Ereignis hatte. Nur haben die Menschen damals sofort gesagt: jetzt erst recht!

Bei der Finanzkrise dagegen war die Verunsicherung deutlich größer. Denn es ging um die Jobs, die Zukunft und das Geld. Erst in den letzten Monaten scheint das Land wieder aus der Starre zu erwachen.

2003 haben Sie die Agentur new york german press (nygp) ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?

Das hing indirekt mit 9/11 und der dotcom-Blase zusammen. Damals war ich Teilhaber des Büros von Markus Koch (Wall Street Correspondents). Einige Kunden aus Deutschland bekamen kalte Füße, die Auftragslage ließ nach. Auch die Märkte hatten sich verändert.

Markus und ich haben uns dann freundschaftlich entschieden, die Firma zu verkleinern. Jeder von uns hatte seine Vorstellungen, worauf er sich konzentrieren will. Das lief alles extrem locker. Wir sehen uns auch heute noch regelmäßig.

Zusammen mit Heike Buchter (US-Wirtschaftskorrespondentin für Die Zeit) habe ich dann nygp gegründet. Bislang waren es wilde Jahre - inhaltlich, unternehmerisch, arbeitstechnisch. Sehr spannend!


"Ordentliche Schulbildung und Apfelwein"

Haben die Jahre, die Sie mittlerweile in den USA leben, Ihren Blick auf Ihre Heimat Deutschland verändert?

Ja, es gibt zum Beispiel ein paar Dinge, die ich vermisse - und das ist nicht gutes Brot. Denn auf dem Wochenmarkt in Brooklyn, wo ich wohne, gibt es exzellentes! Schön hingegen wäre eine ordentliche und bezahlbare Schulausbildung für meinen Sohn. In New York kostet das nämlich ein Wahnsinnsgeld.

Manchmal vermisse ich einen Äppler (Apfelwein) in einem Gartenlokal, wie ich es aus meiner Heimatstadt Frankfurt kenne. Weiters kann einen eine gewisse Schludrigkeit - etwa bei Handwerkern - in Amerika zum Wahnsinn treiben.

Gleichzeitig gibt es hier so vieles, das mich hält. Es gibt wenig Vorurteile - zumindest in New York. Die Menschen hier sind extrem aufgeschlossen. Auch das etwas, was ich an Deutschland vermisse. Die USA sind außerdem noch ein verhältnismäßig junges Land. Dadurch sind die Strukturen sind nicht so starr wie in Europa. Das alles macht meine Arbeit als Journalist sehr abwechslungsreich.

Sie liefern Ihre Berichte von der Wall Street bzw. Analysen und Hintergründe zur Finanzwelt an verschiedene Medien in Deutschland und in der Schweiz. Wie darf man sich Ihren beruflichen Alltag in New York vorstellen?

Das A und O sind Kontakte. Wir, nygp, beschäftigten insgesamt fünf Journalisten, versuchen, noch ganz klassichen Journalismus zu betreiben. Das habe ich damals in der Lokalredaktion in Berlin so gelernt. Meine Partnerin Heike Buchter übrigens auch. Das heißt, wir recherchieren. Wir wollen die Informationen aus erster Hand und nicht aus Agenturmeldungen. Klar sind das Internet oder Fernsehen wichtige Quellen. Aber wir haben über die Jahre eine eigene Datenbank mit mehr als 4.000 Kontakten aufgebaut. Ich rede täglich mit den Jungs auf dem Parkett. Mein Tag ist geprägt von Einspielungen für Radio und TV, die meistens live sind.

Ihre Berichte sind online und print zu lesen, Ihre Analysen im Radio zu hören und im Fernsehen zu sehen. Welchem dieser Medien fühlen Sie sich besonders verbunden?

Das Schöne an meinem Job ist, dass ich eben für alle diese Medien arbeiten kann. Denn jeder Kunde und jedes Medium hat seine ganz speziellen Anforderungen und Reize. Persönlich höre ich extrem viel Radio (national public radio). Ich habe noch nicht einmal einen TV-Kabelanschluss in meiner Wohnung. Generell: Fernsehen bezahlt am besten, Print macht die meiste Arbeit, erfordert die beste Recherche. Die uns aber wiederum bei TV- und Radioberichten zugutekommt.


"Am Wochenende nur wegen Bundesliga online"

Gerade wenn es um die Entwicklungen an der Wall Street geht, ist es als Journalist vermutlich gar nicht so einfach, eine Pause einzulegen oder den Notebook einmal zu- bzw. gar nicht erst aufzuklappen. Wie finden Sie Ihre Balance zwischen Privatem und Beruflichem?

Wir wollten eigentlich den ersten Geburtstag unseres Sohns mit Freunden im Park feiern. Das war am 15. September 2008. Das war auch der Tag der Lehman-Pleite. Wir haben das Picknick abgesagt und haben probiert, vor der New Yorker Notenbank an Informationen zu kommen. Reicht das als Antwort?

Die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit ist eben bei jedem kleinen Familienbetrieb schwer. Aber wenn man seinen Job gerne macht, dann ist das auch nicht so schlimm. Mein Tag wird stark vom Tagesgeschäft und den Live-Auftritten bestimmt. Am Wochenende kann ich da gut abschalten. Den Computer benutze ich da nur, um die Bundesliga-Ergebnisse mit meinem Sohn zu verfolgen.

Interview: Ute Rossbacher


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