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"Friedliches 'Friendly Fire' - das gefällt mir"

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"Friedliches 'Friendly Fire' - das gefällt mir"

17.04.2012
Der bayerische Kabarettist Helmut Schleich im Interview mit relevant - über Humorgrenzen, allgemeine Verblödung und den Mythos Franz Josef Strauß.

Seine Kabarett-Programme tragen so launige Namen wie "Das Auge isst man mit" oder "Mutanfall - ein Angsthase schießt zurück" und sind - lange nicht nur in seiner bayerischen Heimat - Kult. Regelmäßig zu Gast in "Ottis Schlachthof" (Bayerischer Rundfunk) ist Weinkenner Helmut Schleich seinem Publikum mittlerweile in vielen Rollen bekannt - als Papst Benedikt XVI., Ex-Bayern-Trainer Louis van Gaal oder Franz Josef Strauß.

Mit seinem aktuellen Programm "Nicht mit mir" - ein Ausdruck des Protests - wird der Kabarettist ab Herbst auch in Österreich zu sehen sein. Über dessen Gemeinsamkeiten mit Bayern, seine populäre Fernsehserie "Spezlwirtschaft" und private Aufreger hat er sich mit relevant-Redakteurin Ute Rossbacher ausgetauscht.


relevant: Herr Schleich, seit rund 30 Jahren stehen Sie auf der Bühne, rund zehn davon sind Sie als Solokabarettist, Schauspieler und Parodist auch über die bayerischen Grenzen hinaus ein Publikumsliebling. Wie haben Sie die Zeit um 2001 in Erinnerung, als Sie sich vom Kollektiv "Kabarett Fernrohr" verabschiedeten und den Sprung zum Solo-Künstler machten? Hatten Sie da Ihren persönlichen "Mutanfall"?

Schleich: Das "Kollektiv" Kabarett Fernrohr, wie Sie es so schön nennen, hat 1997 aufgehört zu existieren. Seit 1983 waren viele, zum Teil auch kontroverse, Programme entstanden. Trotzdem war dann irgendwann die Luft raus.

Und weil ja jeder Handwerker - auch der Bühnenarbeiter - einmal sein Gesellenstück schaffen muss, habe ich mich 1998 an mein erstes Soloprogramm gemacht. Es hatte den etwas kryptischen Titel "Brauereifrei - der Rausch packt aus". Der "Mutanfall" kam erst sechs Jahre später, wobei ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe, ob es jetzt besonders mutig ist, kabarettistische Solopfade zu beschreiten.

Ich halte es da lieber Mit Karl Valentin: "Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit."

Wenn Sie kurz innehalten und zurückblicken auf die letzten Jahre: Mit welchen Ihrer Kabarett-Programme verbinden Sie besonders gelungene Momente oder persönliche Sternstunden auf der Bühne?

Da mein Ansatz ja stark aus dem Schauspiel kommt und ich auf der Bühne durch meine Figuren spreche und weniger als Helmut Schleich, habe ich an meinem aktuellen Programm "Nicht mit mir!" sehr große Freude, weil es sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, was das eigentlich mit einem macht, wenn die eigenen Bühnenfiguren von einem Besitz ergreifen und ein Eigenleben entwickeln.

Prinzipiell mochte ich aber alle meine Programme sehr gerne und habe ja auch immer mehrere parallel gespielt.


"Katholisch-barocke Lebensfreude"

Bayern, heißt es ja, hat mit Österreich mehr gemeinsam als mit dem Rest von Deutschland. Spüren Sie ihn bei Ihren Auftritten in Österreich - den "Bayern-Bonus"?

Natürlich ist in Österreich der bayerische Humor kompatibler als in manchen humorfreien Regionen Norddeutschlands - zum Beispiel Hannover, wo man sich manchmal fragt: Über was lachen die überhaupt?

Das Kabarett lebt in Bayern und auch Österreich auch von einer gemeinsamen Tradition des satirischen Volkstheaters. Das Publikum versteht sofort, wenn ihm Figuren etwas vorspielen - im wahrsten Sinne des Wortes. Das hat auch mit katholisch-barocker Lebensfreude zu tun. Der Katholik kann sündigen und anschließend beichten, der Protestant ist gezwungen, sein Leben lang mit einem schlechten Gewissen herumzulaufen. Das ist einfach nicht so lustig.

Der große deutsche Kabarettist Hanns-Dieter Hüsch hat einmal gesagt: "Kabarettisten sind Protestanten". Dem möchte ich, was mich angeht, entschieden widersprechen!

Sie verstehen es, zahlreiche Prominente gekonnt zu parodieren (Helmut Schmidt, Alfred Biolek, Karl-Heinz Wildmoser, Papst Benedikt XVI, Louis van Gaal oder Franz Josef Strauß). Wer davon hat es Ihnen besonders angetan?

Die Figur des Franz Josef Strauß hat 2010 beim Starkbieranstich auf dem Münchener Nockherberg ein unglaublich großes Aufsehen erregt. Seither bin ich in Bayern bekannt. Und es macht natürlich auch große Freude, diesen bayerischen Mythos FJS (Franz Josef Strauß, Anm.) sozusagen feindlich zu besetzen und hinterfotzig gegen die eigenen Leute zu richten. An dieser friedlichen Form von "friendly fire" habe ich großen Gefallen gefunden.


"Allgemeine Verblödung nimmt rapide zu"

Der Charme der beliebten Bayern-Serie "Spezlwirtschaft", zu deren Stammbesetzung Sie zählen, liegt - habe ich das Gefühl - auch daran, dass sie ein bisschen an das urige München erinnert, das es so immer weniger gibt. Wie empfinden Sie das?

Wenn wir dieses Interview führen ist die "Spezlwirtschaft" im Bayerischen Rundfunk (BR) leider schon Geschichte. Man hat mich vor die Alternative gestellt, entweder das oder Kabarett im BR zu zeigen, da habe ich mich natürlich fürs Kabarett entschieden.

Aber es freut mich, wenn dieses Bild vom urigen München in der "Spezlwirtschaft" vermittelt werden konnte, wobei ich das nicht folkloristisch meine. Wir haben versucht, Menschliches zu zeigen, eine kleine Welt, wie es sie immer weniger gibt, weil die Vereinzelung stark zunimmt, zumindest in München.

Ich beobachte, dass Versuche, mit anderen ins Gespräch zu kommen - lediglich im Sinne einer Nettigkeit gegenüber Fremden, sei es in der Trambahn oder an der Kasse im Supermarkt - schon als Bedrohung empfunden werden. Man muss schon über Facebook kommen, dann aber jederzeit. Die allgemeine Verblödung nimmt einfach rapide zu ...

Was regt Sie sonst noch privat so richtig auf?

Ach je. Vieles. Sonst wäre ich nicht auf der Kabarettbühne gelandet. Besonders schlimm ist Arroganz, am besten noch gepaart mit Dummheit. Eine verbreitete Mischung, leider.


"Volksschauspieler - das war eine andere Zeit"

Wenn Sie an die großen bayerischen Komödianten von früher denken: Gibt es eine/n darunter, mit dem Sie gerne gemeinsam vor der Kamera oder auf der Bühne gestanden wären?

In Bayern sind wir Kabarettisten heute das, was früher die Volksschauspieler von Sedlmayr bis Bayrhammer waren - Identifikationsfiguren. Aber das war eine andere Zeit. Ob ich mit denen auf der Bühne hätte stehen wollen, weiß ich nicht, da wäre - glaube ich - kaum Platz gewesen. Aber zum Trinken wäre ich schon einmal gerne mit denen gegangen - ist ja auch lustiger als Arbeiten ...

Stichwort Trinken: Auf Ihrer Website gibt es den Weintipp des Monats zu lesen. In "Ottis Schlachthof", wo Sie häufig zu Gast sind, geht's eher bierig zu. Wann ist Ihrer Meinung nach der ideale Moment für ein gutes Glas Wein?

Soviel Zeit sollte immer sein, aber je besser der Wein, desto schwerer ist's, bei EINEM Glas zu bleiben ...

Interview: Ute Rossbacher


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