Quelle: ZAMG

Interviews

Weitere Meinungsthemen

Der Fall Greg Smith: Ein Banker packt aus

Alessandro Della Bella/EPA/picturedesk.com

relevant Redaktion

Der Fall Greg Smith: Ein Banker packt aus

23.10.2012
Der Trader hat mit seinem offenen Brief über das Geschäftsgebahren bei Goldman Sachs eine Debatte ausgelöst, die offenbar auch die angesprochene Bank mobilisiert. Nun lässt der 33-Jährige noch ein Buch folgen.

Seit am 14. März 2012 die Abrechnung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Goldman Sachs in der New York Times erschienen ist, ist der Name Greg Smith in vieler Munde. Nicht nur in der Bankenszene, in der der 33-jährige Derivatehändler rund zwölf Jahre lang tätig gewesen ist.

Denn die Kritik, die der aus Südafrika stammende Absolvent der renommierten Universität Stanford an Goldman Sachs übt, ist Wasser auf die Mühlen all jener, in deren Augen spätestens seit der Finanzkrise die großen Banken dieser Welt unter Generalverdacht stehen.

Wenig verwunderlich für Lars Halter von Der Tagesspiegel, denkt er an frühere Verhältnisse: "Das Risiko verschiedener Anlagen den Bedürfnissen der Kunden anzupassen, war wirklich einmal die Maxime vieler ehrlicher Banker. Von diesem Ruf ist nach der Finanzkrise nichts übrig geblieben."

Darauf lenkt auch Smith seinen Blick, wenn er Kritik am Gebahren seines einst von ihm verehrten Arbeitgebers ausformuliert: Goldman Sachs sei mittlerweile vor allem am eigenen Profit interessiert und propagiere dies auch gegenüber den Mitarbeitern; die ihren vertrauensseligen Kunden fragwürdige Anlageprodukte andrehen, jene als "Muppets" (engl. für Deppen) ansehen und daraus auch in internen Mails keinen Hehl machen würden.

Nils Rüdel vom Handelsblatt zeigt sich darüber schon wieder beinahe amüsiert: "Mehr als 1.200 Wörter lang war die öffentliche Abrechnung eines Goldman-Sachs-Bankers mit seinem Ex-Arbeitgeber, doch eines von ihnen bleibt besonders in Erinnerung: 'Muppets'."

 

Rätselraten um Motiv

Aufgrund Smiths deutlicher und offener Worte war es nur eine Frage der Zeit, bis erste Gerüchte um sein mögliches Motiv, an die Öffentlichkeit zu gehen, aufkamen. "In Finanzkreisen heißt es, dass er seine Position in der Bank zumindest übertrieben habe. Außerdem habe er vergeblich auf eine Beförderung gehofft" wissen Daniel Rettig und Cornelius Welp von der WirtschaftsWoche. Um zu betonen: "Doch das bedeutet noch lange nicht, dass die Vorwürfe falsch sind."

Davon geht auch die ehemalige Bankerin Nomi Prins aus, die ihre beruflichen Erfahrungen mittlerweile literarisch verarbeitet. Im Gespräch mit Walter Niederberger vom Schweizer Tages-Anzeiger untermauert sie vielmehr Smiths Punkte und ergänzt: "Weniger verbreitet ist das Bewusstsein darüber, dass die Banken mit ihren enormen Risiken den Rest der Wirtschaft immer und immer wieder an den Rand des Ruins treiben."

Wenig überraschend fordert sie daher die Wiedereinführung jener strengen Gesetze, die bis Ende der 90er-Jahre in den USA "die Durchmischung von Spekulation und Kreditgeschäft" strikt untersagten.

Als einstiger Jongleur von Kundengeldern in Milliardenhöhe zeichnet Smith die Folgen dieser Praxis nachdenklich und selbstkritisch nach: "Es ging nur darum, wie wir Kunden das meiste Geld aus der Tasche ziehen."

Eine Praxis, die Unternehmensexperte David Brodwin in seinem Gastkommentar für US News lange nicht nur in der Finanzbranche ortet, sondern quer durch alle Dienstleistungsbereiche. Wobei der zusehends profitorientiertere Zugang von Ärzten zu ihren Patienten ihm besonders schwerwiegend erscheint. Sein spürbar bitteres Resümee: "Greg Smiths Brief beleuchtet einen weit verbreiteten und verstörenden Trend in den USA: den Tod der Kultur des Berufsverständnisses."

Ein Beispiel dafür ist neben Smiths Enthüllung zweifelsfrei die Abacus-Affäre, in deren Zuge Goldman Sachs in den Verdacht geriet, wertlose Anlageprodukte an Kunden vermittelt zu haben und dafür von der Börsenaufsicht SEC zu einer empfindlichen Geldbuße verurteilt wurde.

 

Goldman Sachs reagiert

So sehr Smiths offener Brief auch von Branchenkollegen in Frage gestellt und verworfen wird, so sehr hat er offenbar die Vorstandsetage bei Goldman Sachs in Bewegung gebracht. Noch mehr, als diese Woche in den USA sein Enthüllungsbuch "Why I left Goldman Sachs: A Wall Street Story" (erscheint in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Mitarbeiter rechnet ab" bei Rowohlt am 2. November) auf den Markt gekommen ist und den Kritikern neue Nahrung liefert. 

Laut Angaben der Agentur Reuters ließ das Unternehmen zuletzt sämtliche internen Mails auf Kundenverhöhnungen hin überprüfen. Gleichzeitig beschäftige das Unternehmen, so Daniel Rettig und Cornelius Welp (WirtschaftsWoche) seit einiger Zeit einen neuen PR-Chef.

Ob das hilft, das angekratzte Image glatt zu polieren, bezweifelt zumindest Lisa Du von Business Insider, nachdem sie sich das Ergebnis der jüngsten BrandIndex-Studie von YouGov angesehen hat. Derzufolge steht Goldman Sachs derzeit bei -36. Auf einer Skala von 100 bis -100.

Ute Rossbacher

Home
Politik
Chronik
Wirtschaft
Sport
Kultur
Society
Life
Reise
Motor
Hightech