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Antibiotika-Resistenz: Rettet die Hühner ...

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Antibiotika-Resistenz: Rettet die Hühner ...

23.03.2012
Weil in Massentierhaltung erzeugtes Fleisch zu günstigen Preisen angeboten werden kann, essen die Konsumenten auch mehr davon. Die Auswirkungen dieser Entwicklung spüren am Ende alle.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt sich ob der wachsenden Resistenz gegen Antibiotika bei Patienten alarmiert: "Heute sterben in den Ländern der Europäischen Union jährlich 25 000 Menschen an schweren Infektionen mit resistenten Bakterien."

Die Organisation führt das auf die leichtfertige Verschreibung von Antibiotika durch Ärzte zurück. Aber auch die Patienten selbst, wenn sie vorzeitig Antibiotika-Behandlungen abbrechen. Und die Fleischproduzenten, die in der Massentierhaltung in großen Mengen Antibiotika einsetzen.

Die WHO fürchtet infolge dieser globalen Entwicklung eine "Rückkehr zu Verhältnissen, wie sie vor der Entdeckung der Antibiotika herrschten, als Kinder oft an einer einfachen Lungenentzündung starben und Ärzte gegen Meningitis machtlos waren".

Das war im April 2011.


Gesundheitsrisiko Hühnerfleisch?

Ein Jahr später sorgt eine alarmierende Untersuchung von Global 2000 für Aufsehen. Überprüft wurden verschiedene Hühnerteile aus den vier Supermarktketten Hofer, Billa, Zielpunkt und Spar. Bis auf eine Ausnahme wurden in allen Proben gesundheitsgefährdende Keime entdeckt, die auf eine Antibiotika-Resistenz der betreffenden Tiere zurückzuführen sind. Bei Konsumenten mit schwachem Immunsystem, so Global 2000, könne der Verzehr des Fleisches zu "Lungenentzündungen, Harnwegsinfekten oder schweren Blutvergiftungen" führen.

Wie es auch in Österreich zu dieser Entwicklung kommen konnte, erläutert Heidemarie Porstner, Landwirtschaftsexpertin von Global 2000: "Das Problem ist, dass bei der Erkrankung einzelner Tiere in der Massentierhaltung gleich der gesamte Stall mit Antibiotika behandelt wird."

Vor dieser Problematik sind auch Biofleisch-Konsumenten nicht gefeit, ergänzt Verena Kainrath von Der Standard: "Der bestehende Fleischbedarf lässt sich nur mit Massentierhaltung decken, das gilt auch für den Biomarkt."


Massenware Fleisch

Warum der heimische Fleischbedarf so hoch ist, liegt daran, dass die Österreicher pro Kopf im Jahr 100 Kilogramm Fleisch verzehren. Zu viel, wirft Christian Willim von der Tiroler Tageszeitung ein und erinnert daran, dass noch vor 50 Jahren gerade einmal 47 Kilogramm Fleisch pro Jahr pro Kopf anfielen: "Fleisch war ein Luxusgut, das sich der Großteil der Bevölkerung nur zu besonderen Anlässen leisten konnte. Und genau so sollte es sein."

Um Mensch, Tier und Umwelt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, bedarf es daher drastischer Maßnahmen. Erklärt der amerikanische Autor Jonathan Safran Foer, der mit seinem Bestseller "Tiere essen" die Praktiken der Industrie, zu der die Fleischproduktion mittlerweile weltweit angewachsen ist, offenlegt.

Sein Resümee im Gespräch mit Johanna Adorjan von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Massentierhaltung ist eine 140-Milliarden-Dollar-Industrie; nahezu ein Drittel der Erdfläche wird für Viehzucht genutzt, der Regenwald wird abgeholzt, um Tierfutter anzubauen. Es geht hier einfach um sehr viel."

Österreich ist als Importeur von Futtermitteln keine Insel der Seligen.

Das geht auch aus dem Kommentar von Martin Kugler von Die Presse hervor, der betont: "Allen Beteiligten muss klar sein, dass sie eine riesige Verantwortung gegenüber der gesamten Menschheit haben."


Ernährung - eine Überlebensfrage

Für den Konsumenten wird damit die Entscheidung, womit er sich ernährt, zu einer ähnlich strategischen Überlegung, wie die Frage, ob und welche Partei bzw. welche Lebensform er wählt. Dieser Gesinnungswandel wird eines Tages noch sein Überleben sichern, glaubt Jonathan Safran Foer und steht damit offenbar nicht alleine da, wie er im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu bedenken gibt: "Der Klimaexperte Lord Stern sagte kürzlich, der einzige Weg, den Planeten zu retten, sei eine globale Bewegung hin zum Vegetariertum. Und auch Al Gore fängt an, darüber zu reden ...

Ute Rossbacher


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