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"Diktatur ist mehr Verführung als Gewalt"

© Diane Ducret

relevant Redaktion

Ducret: "Diktatur ist mehr Verführung als Gewalt"

16.03.2012
Die französische Autorin Diane Ducret über ihr Buch "Die Frauen der Diktatoren" im exklusiven relevant-Interview.

Ihr ausgeprägtes Interesse an Geschichte und Geschichten hat Diane Ducret zu ihrem im Verlag Ecowin erschienenen Buch "Die Frauen der Diktatoren" inspiriert. Dazu hat die französische Fernsehjournalistin und Autorin umfassend recherchiert und die Biografien der Geliebten und Ehefrauen von Lenin über Mussolini, Mao und Ceausescu bis Hitler zusammengetragen und lebendig nacherzählt.

relevant-Redakteurin Ute Rossbacher fragte bei Ducret nach. Herausgekommen ist ein Gespräch über die Faszination der Macht und Verführung als politisches Instrument.


relevant: Frau Ducret, was hat Sie zu Ihrem Buch "Die Frauen der Diktatoren" inspiriert?

Ducret: Vor allem die Tatsache, dass die Informationen über das Privatleben der schlimmsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts und das jener Frauen, die hinter ihnen standen, lückenhaft sind. Ich fragte mich: Diese Männer unterdrückten und zerstörten Menschen - auch ihre Frauen?

Zum zweiten fiel mir auf, dass diese Männer große Verführer waren. Allein die Tausenden Briefe, die Hitler oder Mussolini erhalten haben - mehr als die Rolling Stones und die Beatles zusammen! Ich hatte keine Vorstellung von den Verführungskräften, die die Diktatoren hatten.

Als Frau fragte ich mich schließlich: Wie weit geht man für Liebe? Und: Können wir wirklich jemanden um jeden Preis lieben, auch wenn er uns zerstört?

Welche Biografie in "Die Frauen der Diktatoren" hat Sie persönlich am meisten fasziniert?

Alle, muss ich sagen! (lacht) Im Ernst: die Geschichte von Magda Goebbels, Hitlers "First Lady", deren Leben mit einem jüdischen Stiefvater begann und damit endet, dass sie ihre Kinder und sich aus Liebe zu Hitler tötet. Margarita Sarfatti, Geliebte und Ideologin von Mussolini, die wegen der anti-jüdischen Gesetze zur Flucht gezwungen war. Nadia Stalin, die sich das Leben nahm, als sie begriff, welche Greueltaten ihr Mann beging. Inessa Armand, die Geliebte Lenins, die in einer Dreiecksbeziehung mit seiner Ehefrau lebte und eine leidenschaftliche Frau und Feministin war. Und nicht zu vergessen Elena Ceausescu oder Frau Mao - wirklich mächtige Frauen, deren Eifersucht keine Grenzen kannte.


"Keine totale Macht ohne die Frauen"

Es ist schwer nachvollziehen, was Frauen zu Männern wie Hitler oder Stalin hinzog. Haben Sie während der Arbeit an Ihrem Buch eine Erklärung für dieses Phänomen gefunden?

In meinem Buch zeige ich, wie sich die Frauen in diese Männer verliebten, aber warum, das ist unmöglich zu sagen: Das bleibt ein Mysterium des menschlichen Geistes.

Was wir sagen können ist, dass diese Diktatoren Verführung als politisches Instrument einsetzten: Sie wussten, dass es keine totale Macht ohne die Hälfte der Bevölkerung – sprich die Frauen - geben kann. Sie wussten, wie sie sich kleiden mussten, die Hände von Frauen küssen, ansprechend auf Fotografien wirken. Diktatur ist mehr ein Akt der Verführung als der Gewalt. Eine Macht, die auf Männlichkeit beruht. Und diese Männer wussten sie einzusetzen.

Sie haben bereits einige Geschichtsdokumentationen für das Fernsehen produziert, verfügen über ein umfassendes historisches Wissen. In welchem Jahrhundert wollten Sie leben, wenn Sie die Wahl hätten?

Häufig frage ich mich, ob die Menschheit im Lauf ihrer Geschichte tatsächlich humaner geworden ist, und es in dieser Hinsicht ein Jahrhundert gibt, das besser als andere war ... Ich für mich würde sagen: am liebsten im alten Rom, um zu sehen, wie das Kolosseum entsteht. Oder in der Zeit der Renaissance, um die größten Künstler aller Zeiten zu treffen.


Buchtipp

Diane Ducret: Die Frauen der Diktatoren – Verlag Ecowin


Interview: Ute Rossbacher


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