Quelle: ZAMG

Interviews

Weitere Meinungsthemen

"Manager-Boni - eine Frage des Maßstabs"

Handelsblatt

relevant Redaktion

"Boni für Manager - eine Frage des Maßstabs"

15.03.2012
Der deutsche Wirtschaftsjournalist Sönke Iwersen im exklusiven relevant-Interview über seine Arbeit als investigativer Journalist, hohe Prämien für Führungskräfte und die Causa Telekom.

Wirtschaftsaffären und -skandale aufzudecken ist eine Spezialität von Sönke Iwersen, der seit 2006 für das Handelsblatt tätig ist und dort seit Anfang 2012 das Investigativ-Team leitet. Für seine journalistischen Leistungen wurde der gebürtige Hamburger in den vergangenen zwei Jahren mehrfach ausgezeichnet, 2011 überdies von den Lesern des Fachmagazins "Der Wirtschaftsjournalist" zum Wirtschaftsjournalisten des Jahres gekürt.

Aus aktuellem Anlass nahm sich Iwersen Zeit, die Fragen von relevant-Redakteurin Ute Rossbacher zu beantworten.


relevant: Herr Iwersen, in Ihren Berichten decken Sie immer wieder Affären in der Welt der Wirtschaft auf, andererseits dringen Sie tief in die Lebensgeschichten von Unternehmern - Beispiel: Lars Windhorst - ein. Was reizt Sie persönlich an diesem Themenfeld?

Sönke Iwersen: Da geht es mir wohl wie den meisten Menschen: Ein Flugzeug, das abstürzt, ist spannender als eines, das normal landet. Beim Absturz will jeder sofort wissen: Warum? War es schlecht gewartet? War der Pilot betrunken?

Zum Thema Wirtschaft bin ich als Journalist relativ zufällig gekommen. Ich habe aber schnell gemerkt: Da läuft längst nicht alles so rund, wie man glauben möchte. So ging es von einer Geschichte zur nächsten.

Wie erleben Sie den Moment, wenn durch Sie ein Wirtschaftsskandal oder eine -affäre aufgedeckt wurde? Empfinden Sie Genugtuung?

Genugtuung klingt ein bisschen übertrieben. Ich habe ja keine persönliche Beziehung zu den Personen, die in den Artikeln auftauchen. Aber natürlich freue ich mich über ein gelungenes Stück - so wie sich jeder über eine gelungene Arbeit freut - ob es nun ein Architekt ist oder ein Musiker. Und wenn sich dann aus einem Artikel weitere Artikel ergeben, wenn Sachen in Bewegung geraten und vielleicht Missstände beseitigt werden, dann umso besser.


"Ein Höhepunkt: die Teldafax-Affäre"

Sie wurden mehrfach ausgezeichnet und 2011 in Deutschland zum Wirtschaftsjournalisten des Jahres ernannt. Ein kurzer Rückblick aus aktuellem Anlass: Gibt es einen Artikel, den Sie geschrieben, oder ein Thema, das Sie bearbeitet haben, die für Sie von besonderer Bedeutung sind?

Die Teldafax-Affäre war sicherlich ein Höhepunkt. Vor dem ersten Artikel habe ich zusammen mit meinem Kollegen Jürgen Flauger tausende von internen Dokumenten durchgesehen. Nach Erscheinen hat Teldafax dann erstmal alles abgestritten und uns vorgeworfen, wir würden gemeinsame Sache mit Verbrechern machen.

Die Lage war wirklich seltsam. Wir hatten nachgewiesen, dass Teldafax insolvenzreif war, aber das Unternehmen machte einfach weiter. Wir legten dann mit Dutzenden weiterer Artikel nach und mussten uns anhören, wir würden eine Kampagne fahren.

Der Insolvenzverwalter von Teldafax hat inzwischen sein Gutachten vorgelegt. das uns in allen Punkten bestätigt. Aber zwischen diesem Gutachten und dem ersten Handelsblatt-Artikel lag ein Jahr.

Eine Reihe an Korruptionsaffären - etwa die Causa Telekom - beschäftigt Österreichs Politik und Justiz schon seit längerer Zeit. Wie nehmen Sie diese Ereignisse von Deutschland aus wahr?

Ich fürchte, der breiten Bevölkerung in Deutschland ist der österreichische Telekom-Skandal kein Begriff. Dabei ist das natürlich ein sehr spannender Fall, der alles hat, was eine große Affäre braucht. Aber Affären werden oft nur lokal wahrgenommen, gerade wenn sie in kleineren Ländern passieren.


"Boni - Verhältnis radikal verändert"

In den Kommentaren aber auch in der öffentlichen Meinung ist die Haltung zu den Mechanismen der Finanzwirtschaft gespalten. Erfolge werden bedingt bewundert oder anerkannt, hohe Gehälter oder üppige Boni-Systeme dagegen in Frage gestellt. Aus Ihrer Sicht nachvollziehbar?

Alles ist eine Frage des Maßstabs. In den USA, die Vorreiter dieser Entwicklung sind, verdiente ein Vorstandschef vor 30 Jahren rund 40 Mal so viel wie ein durchschnittlicher Mitarbeiter. Auch damals musste kein Vorstandschef Not leiden. Trotzdem hat sich dieses Verhältnis radikal geändert - zugunsten der Vorstände. Sie verdienen nun mehr als 300 Mal so viel wie ihre Mitarbeiter. Bei den Banken ist es noch absurder. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise zahlten sie ihren Spitzenmanagern mehr als 1,5 Milliarden Dollar an Boni aus. Ich kann jeden verstehen, der sich über solche Zahlen aufregt.

Soweit Sie es verraten wollen: Welches Thema brennt Ihnen aktuell unter den Nägeln?

Da gibt es eine ganze Reihe. Aber für die Recherche ist es besser, wenn man vor dem Schreiben nicht darüber spricht.


"Mit echten Kriminellen gut ausgelastet"

Ihre Hintergrundberichte und Porträts lesen sich bisweilen wie Wirtschaftskrimis. Haben Sie aufgrund der vielen Informationen, die Ihnen über die Jahre vorliegen, schon darüber nachgedacht, eines Tages einen zu schreiben?

Dazu fehlt mir ehrlich gesagt die Geduld. Ich bin zwar oft länger mit Geschichten beschäftigt, aber ein Buchprojekt braucht doch noch mal einen ganz anderen Zeithorizont. Mit den echten Kriminellen bin ich außerdem gut ausgelastet.

Interview: Ute Rossbacher

Home
Politik
Chronik
Wirtschaft
Sport
Kultur
Society
Life
Reise
Motor
Hightech