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Moser: "Das hat begonnen im Jahr 2000 ..."

Hans Hochstöger/Grüne

relevant Redaktion

Moser: "Das hat begonnen im Jahr 2000 ..."

20.02.2012
Gabriela Moser, die Vorsitzende des Korruptions-Untersuchungs-Ausschusses, im ausführlichen relevant-Gespräch: über die täglichen Herausforderungen im U-Ausschuss, ihre persönlichen Erwartungen und Hoffnungen.

Am 26. Jänner 2012 begann der Untersuchungsausschuss zu den Korruptionsaffären (Buwog, Telekom, Behördenfunk, Glücksspiel-Gesetz, Staatsbürgerschaften-Vergabe, Inserate Faymann) mit der Befragung ehemaliger Regierungsmitglieder und Beamter. Das sie belastende Aktenmaterial umfasst stolze 150.000 Seiten. Grüne-Politikerin Gabriela Moser, die den U-Ausschuss leitet und mit ihren Recherchen die Ermittlungen in der Causa Buwog oder Telekom mit ins Rollen gebracht hat, steht im Dauereinsatz.

Seit 1997 sitzt die gebürtige Oberösterreicherin für ihre Partei als Abgeordnete im Nationalrat und hat sich als Bauten-, Tourismus- und Verkehrssprecherin einen Ruf als sachpolitische Kennerin mit Bevölkerungsnähe erarbeitet. Mit Akribie und Beharrlichkeit deckt sie politische Affären auf und führt darüber, wie auch ihre politische Arbeit und Beobachtungen im Alltag in ihrem Blog mosermobil.at Buch.

Von Linz aus pendelt die mit einem deutschen Physiker verheiratete Politikerin per Bahn und Bus nach Wien. Dass die öffentlichen Verbindungen im Regionalverkehr eher schlechter als besser werden, nimmt sie der Umwelt zuliebe in Kauf, aber nicht unwidersprochen hin. Mit Verweis auf unsere Schweizer und bayerischen Nachbarn plädiert sie für eine gezieltere Förderung und den Ausbau des Schienenverkehrs.

Mit relevant-Redakteurin Ute Rossbacher hat sich die Politikerin in ihrem Büro zu einem Gespräch getroffen.


Frau Moser, Sie sind am 28. Oktober 2011 zur Vorsitzenden des Korruptions-Untersuchungsausschusses ernannt worden. Wie haben Sie diesen Moment in Erinnerung?

Moser: Bereits Ende September/Anfang Oktober hatte mich Eva Glawischnig wissen lassen, dass ich von Seiten der anderen Parteien für diese Aufgabe vorgeschlagen worden war. Das war schon eine kleine Überraschung für mich. Die offizielle Wahl am 28. Oktober schließlich war für mich das Ende eines Prozesses.

Prinzipiell betrachte ich meine Ernennung als logische Fortsetzung meiner Recherchen, die ja sowohl in der Causa Buwog wie auch Telekom zu einer Anzeige durch mich geführt haben, wodurch die Ermittlungen in Richtung Strafprozess in beiden Fällen in Gang gekommen sind.


"Warten auf das Ende der Durststrecke"

In Ihrem Weblog mosermobil.at ist gut dokumentiert, wie lange Sie bereits diesen Untersuchungsausschuss gefordert haben. Hatten Sie nach dieser langen Zeit überhaupt noch den Glauben, dass es eines Tages dazu kommen würde?

Nun, bereits im Zuge des Immofinanz-Skandals im Herbst 2009 haben wir den ersten Antrag auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt. Peter Pilz hatte mir damals gesagt, dass dieser aufgrund seiner Informationen und Erfahrungen unausweichlich sei. Ich wusste also, dass es vielleicht eine Durststrecke geben, aber der U-Ausschuss letztlich kommen wird, weil einfach die Dimensionen entsprechende waren, sich die Politik daran interessiert zeigte und die Angelegenheit auch medial ein zentrales Thema war. Insofern konnte sich das Parlament bzw. konnten sich die Regierungsparteien auf Dauer nicht einer genaueren Untersuchung der politischen Umstände entschlagen.

So gesehen also keine Übertreibung in Ihrem Weblog, dass uns allen noch "spannende Stunden" bevorstehen?

(lacht) Nein! Die erlebe ich täglich. Wenn auch mit gewissen mühsamen Etiketten und organisatorischen Notwendigkeiten.

Was ist dabei konkret das Herausfordernde und Unerwartete an Ihrer Arbeit als U-Ausschuss-Vorsitzende?

Auf der einen Seite ist es eine Herausforderung, in der Fülle des Aktenmaterials den roten Faden zu behalten, das Augenmerk auf die politische Verantwortung zu legen und die entsprechenden Ladungsbeschlüsse zustande zu bringen. Auf der anderen Seite ist es das organisatorisch-protokollarische Ambiente, das sich um diese fachliche Recherche-Arbeit rankt. Etwas unterschätzt habe ich zum Beispiel, wieviel es an interner Kommunikation und Abstimmungen zwischen den Fraktionen bedarf, und auf welche Details man dabei Rücksicht nehmen muss. Das ist für mich das Unerwartete.


"Schon früher interveniert - leider ergebnislos"

Wie sind Sie eigentlich in die Rolle derjenigen hineingewachsen, die Fährten zu politischen Affären und Skandalen aufnimmt und die Spur akribisch und sachlich bis zum Ende verfolgt?

Das hat begonnen im Jahr 2000, als die ersten Informationen an die Öffentlichkeit gelangten, dass die gesamten bundeseigenen Wohnbaugesellschaften verkauft werden sollen. Wie bekannt wurde, dass ein Makler (Karl Plech, Anm.) aus dem engen Freundeskreis rund um Haider und Grasser in alle entscheidenden Aufsichtsratspositionen gesetzt wurde, da wurde ich hellhörig. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich bereits wiederholt auf diese Unvereinbarkeit hingewiesen. Leider ergebnislos. Hätte man darauf früher geachtet, würde das Ganze heute anders aussehen.

Ich schrieb seitdem zahlreiche parlamentarische Anfragen, weil ich den Eindruck gewonnen hatte - und das sehr früh - dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Hinzu kam, dass ich auch Hinweise aus informierten Kreisen erhalten hatte. Das hat mich bestärkt, hartnäckig immer wieder nachzustoßen.

Durch den Rechnungshofbericht 2007 hat sich dann vieles bestätigt, was ich vermutet hatte. Aber die Behandlung dieses besagten Berichts im Nationalrat war unbefriedigend. Da blieben offene Fragen, da blieben Widersprüche. Als ich den Fall an die Staatsanwaltschaft übermitteln wollte, sind dann die Finanzkrise und die Neuwahl dazwischengekommen. Die neuen Verdachtsmomente im Herbst 2009 haben dann dazu geführt, dass der Verkauf der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften wieder ein Thema wurde. Und da habe ich gleich im Oktober 2009 die Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwalt geschickt, die ich eigentlich schon fertig, aber aufgrund der verschiedenen Zwischenfälle noch nicht weggeschickt hatte.

Durch die Aussage von Michael Ramprecht (ehemaliger Kabinett-Mitarbeiter, Anm.) hat der Fall eine Dynamik bekommen, und durch den Prozess, den Grasser gegen ihn führte, bekam man plötzlich Akteneinsicht. Dadurch kamen immer mehr Details an die Öffentlichkeit. Dadurch bekam auch ich Einsicht, konnte Anfragen einbringen und dadurch die Öffentlichkeit informieren. Bis hin zum Höhepunkt - der Veröffentlichung der Tonbandprotokolle im Dezember 2010. Durch sie ist es dann politisch derart heiß geworden, dass der Untersuchungsausschuss eigentlich schon im Raum stand.

Nur wurde die Affäre überschattet von dem Telekom-Skandal. Im Februar 2011 erstattete ich Anzeige wegen Kursmanipulation der Aktien im Jahr 2004. Hinzu kamen die Details über das ganze Geflecht Hochegger - mit diesen verschiedenen Beraterverträgen, dem Weiterleiten von Geldern in alle Richtungen. Und das hat in seiner Dimension, die auch die Behördenfunk-Affäre betroffen hat, bis Ende August/Anfang September einen Gesamtkomplex ergeben. Da war klar: Wir brauchen einen Korruptions-Untersuchungsausschuss für alle diese Fälle.

Was kann dieser U-Ausschuss im besten Fall bewirken?

Ziel des U-Ausschusses ist es, Österreich korruptionsfreier und -resistenter zu gestalten. Deshalb streben wir gesetzliche Änderungen an, damit Korruption früher aufgedeckt und schärfer geahndet wird. Das fordert übrigens auch der Greco-Bericht, der in Brüssel erstellt wird. Dieser attestiert auf drei Seiten Österreich Mängel bei der Korruptionsbekämpfung und Parteienfinanzierung.

Wenn wir diese Mängel beseitigen, sprich: gläserne Parteienkassen schaffen, die Anfütterungsmöglichkeit für Abgeordnete streichen, ein Lobbyistengesetz und im Strafgesetzbuch schärfere Korruptionsregelungen verankern, dann sieht die Gesamtlandschaft anders aus. Dann kann hoffentlich auch eine entsprechend aufgestockte Staatsanwaltschaft umgehend ans Werk gehen. Dann ziehen nicht erst wie im Fall Buwog sechs oder sieben Jahre ins Land.


"Republik mit einer gewissen Bananenform"

In Ihrem Weblog haben Sie im vergangenen März festgehalten, dass die Korruptionsfälle in Österreich auch im Ausland viel diskutiert werden. Wie nehmen Sie diese Reaktionen wahr? Was bekommen Sie da zu hören oder lesen?

In den Berichten von Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Die Zeit oder Der Spiegel zeichnet sich ein feuilletonistisch getöntes Bild von einer Republik ab, die eine gewisse Bananenform annimmt. Auch unter Abgeordneten, die ich auf internationalen Tagungen treffe, wird süffisant in Nebensätzen auf Österreich Bezug genommen.

Wo es vielleicht eine noch größere Rolle spielt, ist die internationale Geschäftswelt. Gerade von der ÖVP wird ja immer wieder argumentiert, dass wir es dem Standort Österreich schuldig seien, transparente Regelungen zu schaffen. Da sag' ich dann: Ja, dann fangt an bei der Parteienfinanzierung und Korruptionsbekämpfung. Übrigens auch das Leib-und-Leben-Thema des ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten Franz Fiedler.

Hat sich das Verhalten Ihrer KollegInnen Ihnen gegenüber verändert, seit Sie Vorsitzende des Korruptions-Untersuchuchungsausschusses sind? Mehr Schmeicheleien, mehr Komplimente?

Mir wird mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht. Das ist schon ein deutlicher Unterschied zu früher. Einmal abgesehen von den scherzhaft gemeinten "Grüßi, Frau Vorsitzende!".

In Ihrem Weblog sprechen Sie von einem "U-Ausschuss über die Freunderlwirtschaft". Die ja in Österreich im Kleinen und Großen bestens funktioniert. Hat man Ihrer Meinung nach gegen politische Netzwerke überhaupt eine Chance?

Ja. Optimistisch bin ich auch deshalb, weil ich von verschiedenen Vertretern der Wirtschaft sehr darin bestärkt werde, die sagen: "Bitte, machen Sie weiter mit dem Aufdecken! Wir halten uns an die Regeln, und unsere Konkurrenten richten es sich über Freunderl etc. Das finden wir nicht korrekt. Das ist unfair. Das widerspricht den gesetzlichen Regelungen. Und wenn Sie jetzt Ihre Arbeit systematisch fortsetzen, dann hilft das uns."

Woher mein Optimismus noch rührt: Wenn wir den U-Ausschuss jetzt nicht machen, dann nehmen wir unsere Chance nicht wahr. Ob sie aufgeht, ob jetzt wirklich ein Anti-Korruptions-Paket im Parlament systematisch umgesetzt wird, das bleibt dahingestellt. Dafür sind Mehrheiten notwendig. Und ich finde, dass die Chance auf Mehrheiten vor einer Nationalratswahl im Hinblick auf etwas, was die Menschen in Österreich wollen, größer als nach einer Wahl ist. Insofern ist der Zeitpunkt des Ausschusses mit Blick auf bessere gesetzliche Rahmenbedingungen günstig. Die Gefahr ist dabei freilich, dass die Untersuchung abgedreht wird, sobald sie unliebsam wird.

Interview: Ute Rossbacher


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