Quelle: ZAMG

Interviews

Weitere Meinungsthemen

"Pelinka gefährdete journalistische Freiheit"

Miriam Höhne

relevant Redaktion

Stöckl: "Pelinka gefährdete journalistische ORF-Freiheit!"

18.01.2012
Einmal umgekehrt: Claudia Stöckl im ausführlichen Talk über 15 Jahre "Frühstück bei mir", journalistische Tricks, die Pelinka-Affäre und worauf es im Leben wirklich ankommt.

Seit 15 Jahren gehört Sie zum österreichischen Frühstückstisch wie der Kaffee und das Butterkipferl: Claudia Stöckls Ö3-Sendung "Frühstück bei mir" hat sich als eine der wichtigsten Talkformate in der österreichischen Medienlandschaft etabliert. Nirgendwo anders vollziehen Prominente einen derartigen Seelen-Striptease wie beim Frühstück mit Claudia.

Beim Talk mit relevant-Journalist Manuel Simbürger spricht Claudia Stöckl über 15 Jahre "Frühstück bei mir", ihr neues Buch "Frühstück bei mir – Besondere Begegnungen", nervige Gäste und ihr soziales Engagement.


Gratulation: Ihre Jubiläumssendung "15 Jahre Frühstück bei mir" ist vergangen Sonntag erfolgreich über die Bühne gegangen. Wie war es, plötzlich in der Interviewrolle zu sein?

Claudia Stöckl: Schwieriger, als ich gedacht habe. Bei einem Interview geht es immer um die Motivation, Geschichten zu erzählen. Mir ist klar geworden, wie wichtig dabei für den Interviewten das Gegenüber ist. Michael Niavarani hat sich etwas schwer getan, was die Konzentration betrifft – er hat immer wieder seine Fragen vergessen! (lacht) Gerade bei schwierigen Themen wie Kalkutta konnte er mit seinen Pointen nicht ins Gespräch eingreifen – sehr ungewohnt für ihn!

Wieso haben Sie sich für Michael Niavarani als Interviewer entschieden?

Zum einen ist er ein sehr lustiger und liebenswerter Mensch. Unsere Idee war, mit der Sendung zu unterhalten, da ist Nia die perfekte Wahl. Bei ihm schießen die Pointen wie aus einem Maschinengewehr.

Der entscheidende Auslöser war aber der Niavarani-Fragebogen auf relevant.at, den ich vor einiger Zeit ausfüllen durfte. Er hat mir erzählt, dass er sich die Fragen alle selbst ausgedacht hat. Das hat mir sehr imponiert, weil der Fragebogen sehr gelungen ist. Großes Kompliment an euch!

Dass ein Top-Comedian wie Niavarani für eine solch ausgefallene Idee zusagt, spricht für den hohen Stellenwert von "Frühstück bei mir" in der österreichischen Medienlandschaft. Tun Sie sich überhaupt noch schwer, Gäste in Ihre Sendung zu bekommen?

Nein, überhaupt nicht. Es ist allerdings ein zweischneidiges Schwert: Hat jemand etwas zu promoten, bin ich sehr gefragt. Geht es jedoch um heikle Themen, wird sehr wohl nach wie vor gezögert, vor allem seitens der Politiker und Personen aus der Wirtschaft. Nicht allen liegt es, über private Dinge zu sprechen. Aber das ist nun mal Teil meiner Sendung.

Wer hat Ihnen zuletzt abgesagt?

René Benko. Er meinte, er spricht zwar gerne über seine Immobilien-Deals, aber nicht über sein Privatleben.


"Das Leben ist begrenzt"

Beginnen wir beim Anfang. 15 Jahre "Frühstück bei mir" – wie fühlt sich das eigentlich an?

Ein bisschen zwiespältig. Im Zuge meiner Arbeit an meinem Buch habe ich alle 750 Sendungen nochmal angehört und kann ehrlich sagen, dass ich stolz bin. In der heutigen Medienlandschaft ist es nicht selbstverständlich, dass sich ein Format so lange auf Hochglanz hält. Das hat sicherlich mit meinem großen Ehrgeiz zu tun, denn ich versuche stets, mein Bestes zu geben und die Sendung frisch zu halten.

Andererseits ist es natürlich auch ein melancholisches Gefühl. Udo Jürgens hat einmal in meiner Sendung gesagt: "Der Weg nach vorne ist kürzer als der, den man schon zurückgelegt hat." Ich denke nicht, dass es "Frühstück bei mir" noch weitere 15 Jahre geben wird. Das bedeutet jedoch auch, dass man die Gegenwart intensiver erlebt. Das Leben ist begrenzt und es kann auch spannend sein, neue Aufgaben zu übernehmen.

Sind Sie ein melancholischer Mensch?

Nein, überhaupt nicht. Ich denke, ich bin ein sehr positiver und glücklicher Mensch. Aber gerade beim Schreiben meines Buches habe ich sehr stark in der Vergangenheit gelebt. Nun wird es wieder Zeit, nach vorne zu blicken! (lacht)

Lassen Sie uns trotzdem noch ein bisschen in der Vergangenheit bleiben. Wie ist die Idee zu "Frühstück bei mir" entstanden?

Der damalige Ö3-Chef Bogdan Roscic hatte die Idee, im Rahmen des Ö3-Weckers eine aktuelle Interviewreihe zu machen unter dem Motto "Persönlichkeit interviewt Persönlichkeit". Zuerst habe ich nicht begriffen, dass ich eine der beiden Persönlichkeiten sein soll! (lacht) Ich war zu dieser Zeit bereits vier Jahre als Society-Reporterin tätig, hatte aber keinerlei Radioerfahrung. Also musste ich erst 'mal zwei Nachtflüge auf Ö3 moderieren. Und Gott sei Dank habe ich mich dabei gut geschlagen.

Bereits die erste Sendung am 19.1.1997 war legendär ...

Genau, sie stand unter einem sehr guten Stern. Zu Gast war Viktor Klima, der eigentlich nur meine dritte Wahl war. Einen Tag vor Ausstrahlung der Sendung kam plötzlich die Nachricht, dass Franz Vranitzky überraschend zurückgetreten ist und Klima nun Bundeskanzler war. Aktueller kann ein Interview nicht sein.

Wer war Ihr Lieblingsgast?

Ich finde jene Gäste am interessantesten, die nicht nur sich selbst im Fokus haben - wie es bei Prominenten oft der Fall ist -, sondern für andere etwas bewirken wollen. Pater Sporschill zum Beispiel hat mich in seinem Gottesbild sehr geprägt.

Welcher Gast hat Sie am meisten überrascht?

Campino von den Toten Hosen. Man hat natürlich das Bild des wilden Punk-Rockers und den vielen Drogenexzessen im Kopf. In Wirklichkeit aber war das Gespräch höchst interessant, tiefgreifend und selbstkritisch. U.a. ging es auch um sein Engagement in Afrika, wovon ich sehr angetan war.

Welcher Gast ist Ihnen sehr negativ im Gedächtnis geblieben?

Ben Becker war beim Interview sehr unwillig, überheblich und bei jeder Frage sofort eingeschnappt. Das Wort "Scheiße" kam in jedem zweiten Satz vor. Becker gehört zu jener Sorte Mensch, die sich zu wichtig nehmen und glauben, ihr Star-Sein hervorkehren zu müssen. Ich habe seitdem auch keinerlei Kontakt mit ihm.

Überraschend, dass Sie Marlene Krenn nicht erwähnen. Dafür, dass Sie der Schwindlerin, die sich als Coach von Sebastian Vettel ausgab, ihre Lügengeschichten glaubten, mussten Sie herbe Kritik einstecken ...

Wobei die Kritik nicht berechtigt ist. Zum einen sind alle meine KollegInnen vor mir auch auf sie hereingefallen, haben große Geschichten über sie gemacht. Zum anderen habe ich sehr viele persönliche Gespräche mit ihr im Vorfeld geführt, habe bei Red Bull angerufen, mich über sie informiert. Ich bin meiner journalistischen Pflicht voll und ganz nachgekommen.

Ich denke aber, dass sie selbst ihre Geschichten geglaubt hat. Auch nach dem Auffliegen der Lügen hat sie von sich als Vettels Mental Coach gesprochen. Vielleicht steckt hier auch eine ernste psychische Krankheit dahinter.

Mit welchem Promi würden Sie gerne mal frühstücken?

Dietrich Mateschitz, weil ich seine Erfolgsgeschichte sehr spannend finde. Er hat mir aber persönlich bereits abgesagt. Auch ein Gespräch mit dem Papst und die Frage, warum er weiterhin an solch erzkonservativen Regeln festhält, würde mich überaus reizen. Und mit Sebastian Vettel könnte ich über Marlene Krenn sprechen! (lacht laut)

"Frühstück bei mir" ist bekannt für die intimen Geständnisse der Gäste. Arbeiten Sie mit speziellen journalistischen Tricks, die ich mir von Ihnen abschauen kann?

(lacht) Ich habe kein allgemein gültiges Rezept. Was man sagen kann: Je länger und intensiver ein Gespräch ist, desto spannender sind die Antworten. Ich möchte bei Interviews mein Gegenüber ganz genau kennenlernen. Und: Eine detailgenaue Vorbereitung ist das A und O eines jeden guten Interviews! Je mehr man weiß, desto weniger kommt einem der Gast aus.

Eva Glawischnig meinte, man müsse besonders aufpassen, wenn Sie zu lächeln beginnen ...

(lacht) Für mich ist es ganz normal, Menschen offen und freundlich zu begegnen. Ich lasse mir bei Gesprächen nicht anmerken, wenn mich etwas schockiert oder befremdet. Passiert das, zieht sich der Gast sofort zurück. Ich bewerte Menschen nicht.


"Im Leben anderer zuhause sein"

Welche Lebensweisheiten von 750 "Frühstück bei mir"-Sendungen nehmen Sie für sich selbst mit?

Sehr viele. Das war auch ein Grund, wieso ich das Buch geschrieben habe – um all die tollen Lebensweisheiten und -modelle zu sammeln. Rolando Villazon zum Beispiel hat gesagt, es gehe um die Intensität des Lebens und dass auch traurige Momente und Langeweile willkommen seien. Man dürfe nicht den Anspruch haben, immer nur glücklich zu sein. Das hat mich sehr berührt. Auch David Steindl-Rasts tiefe Dankbarkeit war sehr imponierend, genauso wie Pater Sporschills Zitat, man könne sich durch die Not berühren lassen.

Im Allgemeinen habe ich gelernt, dass man durch aktives Zuhören, auch im privaten Bereich, sehr viel lernen und in seinem eigenen Leben Impulse setzen kann. Jeder Mensch kann einem etwas mitgeben, egal, ob er prominent ist oder nicht. Man hat sehr viel davon, im Leben anderer zuhause zu sein.

"Frühstück bei mir" ist mittlerweile mehr Lebensratgeber als Society-Magazin ...

Ganz genau. Das ist mir sehr wichtig. Ich frage nicht "Wer mit Wem?", sondern "Wieso ging Ihre Beziehung in die Brüche und was macht Ihre jetzige Beziehung aus?" Gefühle und Prägungen interessieren mich viel mehr als der neueste Klatsch. Auch mein neues Buch ist ein Lebensratgeber.

Haben Sie jemals überlegt, Psychologie zu studieren?

Ich habe es neben meinem Publizistik-Studium, das ich mit 38 Jahren wieder aufgenommen hatte, sogar einige Zeit probiert. Der Lernstoff ist allerdings mit derart vielen Statistiken überfrachtet, dass ich eher enttäuscht als begeistert war.

Ich lese jedoch leidenschaftlich gerne psychologische Bücher. In meiner Sendung habe ich immer wieder Psychologen oder Pädagogen zu Gast. Die menschliche Psyche ist ein sehr spannendes Feld.

Würden Sie "Frühstück bei mir" auch vollkommen ohne Prominente, stattdessen mit unbekannten Menschen, machen?

(mit leuchtenden Augen) Sehr gerne! Wir arbeiten gerade an einem Konzept, in dem es darum geht, ein- oder zweimal jährlich unbekannte Menschen mit einer spannenden Lebensgeschichte zu interviewen. Eventuell wird man via Voting abstimmen dürfen, welcher Gast das sein wird.

Ich würde generell gerne stärker in Richtung "Sozialreportage" gehen, unterschiedliche Lebenswelten betrachten. Ein Paradebeispiel für mich ist Xavier Raj Arul, der Leiter des "Projektes Kalkutta" meiner Charity-Organisation "ZUKI – Zukunft für Kinder". Er hat bereits mit Mutter Teresa zusammen gearbeitet und ist ein sehr faszinierender Mensch. In der Art und Weise, wie Xavier Raj Arul mich beeindruckt, übertrifft er viele meiner Frühstücks-Gäste.

Und wie wär's mit einer TV-Version von "Frühstück bei mir"? A la "Kratky"?

Auch eine gute Idee, die mich sehr reizen würde! Es war die Entscheidung des ORF, meinem Kollegen Robert eine Talkshow zu geben, und die funktioniert auch wunderbar. Was ich mitbringen würde, ist meine jahrelange Interview-Erfahrung und mein großes Wissen über die Gäste.


"Mehr Frauen in Führungspositionen!"

Mittlerweile sind Sie selbst ein Star. Beeinflusst Ihr Promi-Status Ihre Arbeit bei "Frühstück bei mir"? Bereiten sich Gäste nun viel intensiver auf ein Gespräch mit Ihnen vor?

Sie haben Recht, diese intensive Vorbereitung ist mir in letzter Zeit immer öfter aufgefallen. Manchmal hat man das Gefühl, der Gast hätte die Antworten auf mögliche Fragen bereits zuhause geübt. Mein Bekannt-Sein hat mich zudem sensibilisiert, was Society-Klatsch anbelangt. Er fällt mir negativer als früher auf. Traurig, wie in bestimmten Kreisen jedes mögliche menschliche Klischee breitgetreten wird.

Sie sind eine der wenigen Top-Journalistinnen in Österreich und sind bekannt dafür, Ihre Meinung zu sagen. Haben Sie sich zu Beginn Ihrer Karriere als Frau stärker durchsetzen müssen als männliche Kollegen?

Prinzipiell ist das Geschlechterverhältnis in der Medienbranche sehr ausgewogen. Allerdings stimmt es, dass man als Frau zum Teil stärker kämpfen muss. Zum Beispiel, wenn man männliche Politiker als Gast in der Sendung hat.

Ich stelle auch mit Bedauern fest, dass es in der Chefetage von Ö3 nur eine einzige Frau gibt. Woran das liegt? Vielleicht am nachwievor bestehenden Interessenskonflikt Karriere-Familie, dem sich viele Frauen stellen müssen. Es muss viel mehr Frauen in Führungspositionen geben!


"Pelinka trägt zur schiefen ORF-Optik bei"

Was halten Sie vom viel zitierten Networking?

Manche Menschen beherrschen dies mit Bravour und setzen es für ihren persönlichen Vorteil ein. Networking ist Teil meiner Arbeit, aber nicht Teil meines Privatlebens. Ich bereichere mich privat nicht daran.

Und was sagen Sie zur aktuellen „Pelinka-Affäre“ im ORF?

(seufzt) Alexander Wrabetz sollte sich einen anderen Büroleiter suchen. Durch Pelinka ist die journalistische Freiheit im ORF gefährdet. Der ORF hat ohnehin einen schlechten Ruf, was politische Eingriffe betrifft. Pelinka trägt zur schiefen Optik noch zusätzlich bei. Ich verstehe nicht, dass Wrabetz, der tausende von journalistischen MitarbeiterInnen hat, die sich um objektive Berichterstattung bemühen, solche Schritte setzt.


Home
Politik
Chronik
Wirtschaft
Sport
Kultur
Society
Life
Reise
Motor
Hightech