Quelle: ZAMG

Interviews

Weitere Meinungsthemen

Hödl: "Es zählt Musik, nicht Homosexualität"

Ali Schafler/First Look/picturedesk.com

relevant Redaktion

Hödl: "Es zählt meine Musik, nicht meine Homosexualität"

12.12.2011
"Die Große Chance"-Gewinnerin Christine Hödl über ihr neues Album, Sido und das leidige Thema Homosexualität.

Es war die Überraschung der ORF-Erfolgsshow "Die Große Chance" (knapp eine Million Zuseher verfolgten das Finale am 22. Oktober): Christine Hödl, die trotz außergewöhnlicher Stimme, eigenen Songs und Sido-Support bis zuletzt nur Außenseiterchancen zugestanden wurden, räumte die 100.000 Euro ab. Und verwies die Favoriten Conchita Wurst und Nina Gartler auf die Plätze.

Nach dem Sieg ging's erst richtig los: Interviews, Fotoshootings und vor allem das Einspielen des ersten Albums mit Starproduzent Thomas Rabitsch (Falco, Nadine Beiler) in Rekordzeit standen in den letzten Wochen auf Hödls Terminplan. Aber nun ist es endlich fertig, das Erstlingswerk mit dem simplen Namen "Pure", das am 16. Dezember erscheint. Am selben Tag gibt die erdige Sängerin, die ihren Beruf als Kindergärtnerin nicht an den Nagel hängen möchte, ihr erstes Live-Konzert im Wiener Szenelokal Chelsea. relevant-Journalist Manuel Simbürger bat Christine Hödl zum Gespräch.


Erste Frage: Wie geht's dir?

Christine Hödl: Alles gut, vielen Dank. Nach den letzten Wochen täglichen Stresses tut es gut, einmal etwas durchatmen zu können. Aber sowohl mir als auch meiner Familie geht es sehr gut.

Am 16. Dezember präsentierst du dein neues Album das erste Mal live im Wiener Szenelokal "Chelsea". Schon nervös?

Ich freue mich eher, als dass ich nervös bin. Die Aufregung kommt erst eine Minute vor dem Auftritt. Ich glaube, dass dieses Adrenalin sehr wichtig ist, um einen wirklich guten Auftritt abliefern zu können.

Konntest du deinen Sieg bei "Die Große Chance" bereits verdauen oder fällt das Realisieren immer noch schwer?

Mittlerweile konnte ich es bereits realisieren, aber glauben kann ich's immer noch nicht ganz. Es sind so schnell so viele wunderschöne Dinge passiert, wie das Aufnehmen des neuen Albums, dass ich immer noch ganz baff bin. Aber ich brauche sicher noch Zeit ganz für mich und meine Familie, in der ich mich mit dem Geschehenen auseinandersetzen kann.

Hast du dein Preisgeld mittlerweile bekommen?

Ja, alles bereits auf meinem Konto! (lacht) Da gab's keine falschen Spielchen, es ist alles mit rechten Dingen zugegangen.

Kommt die Familie gerade etwas zu kurz?

Nein, das würde ich auch gar nicht zulassen. Ich teile mir meine Zeit genau ein und werde dabei Gott sei Dank auch von allen Seiten unterstützt.


"Teilnahme war harte Arbeit"

Bist du jetzt dort angekommen, wo du immer schon hinwolltest?

Eigentlich mache ich ja bereits seit 20 Jahren Musik. Aber natürlich ist mit dem Aufnahmen des Albums und der Zusammenarbeit mit Thomas Rabitsch ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Im Normalfall, also ohne "DGC", wäre das sicher nicht möglich gewesen, schon gar nicht in dieser Geschwindigkeit. Ich kann es gar nicht mehr erwarten, was die Fans zu meiner CD sagen werden. Und natürlich freue ich mich schon sehr auf all die Live-Auftritte, die in Zukunft folgen werden.

Wie hast du deine Teilnahme bei "DGC" erlebt?

Es war eine sehr spannende Zeit, ich habe sehr viel erlebt. Eine Castingshow hinter den Kulissen zu erleben ist ganz etwas anderes, als sie sich am Abend von der Couch aus anzusehen. Es war aber auch mit sehr viel Arbeit verbunden, es war mehr als einfach auf die Bühne zu gehen und ein Liedchen zu trällern.


"Starmania ließ mich zweifeln"

Was hältst du von Castingshows generell?

Ich habe mich bereits bei der dritten "Starmania"-Staffel vor fünf Jahren beworben. Damals war ich 30 und dachte mir "Wenn nicht jetzt – wann dann?!" Ich bin aber nicht einmal in die zweite Runde gekommen, wurde sofort nachhause geschickt. Daraufhin habe ich für einige Zeit zum Singen aufgehört, weil ich ein sehr selbstkritischer Mensch bin, und mich die Niederlage stark an mir selbst und meiner Musikalität zweifeln ließ.

Prinzipiell muss ich sagen: Ich komme aus Musikerkreisen, wo Castingshows natürlich sehr verpönt sind. Da gilt das Motto "Entweder du schaffst es ohne Fernsehen oder gar nicht". Rückblickend aber bin ich meiner Frau sehr dankbar, dass sie mich dazu überredet hat, an "DGC" teilzunehmen. Es haben sich durch meinen Gewinn sehr viele musikalische Türen geöffnet. Ich sehe die Show als großes Trittbrett in eine musikalische Zukunft. Heutzutage ist es ohne TV-Show gar nicht mehr möglich, in solch rasantem Tempo Karriere zu machen.

Aber was sagen deine Musikerfreunde zu deiner Teilnahme bei "DGC"? Bist du bei ihnen jetzt unten durch?

(lacht) Nein, es ist nie großartig zum Thema gemacht worden. Sie freuen sich alle für mich und stehen hinter mir.

Mit wem hättest du als "DGC"-Sieger gerechnet?

Eine schwierige Frage. Ich kann nur von den Top 3 sprechen, und da hätte ich fix mit Valerian Kapeller gerechnet. Aber ich hätte den Sieg natürlich jedem gegönnt.

Themenwechsel: Wenn über dich berichtet wird, ist deine Homosexualität stets ein Thema. Stört dich das?

Ich stehe natürlich voll und ganz dazu. Aber mittlerweile denke ich mir, man könnte die Sache auf sich beruhen lassen. Man hat in den letzten Wochen sehr viel über mich und meine Familie erfahren. Das muss reichen. Es sollten nur meine Musik, mein Album und meine Live-Auftritte zählen, nicht das Lesbisch-Sein. Das möchte ich zukünftig nicht im Mittelpunkt stehen haben. Es zählt Christine Hödl, die Musikerin, und nicht Christine Hödl, die Lesbe.

Viele homosexuelle Künstler betonen, dass sie nicht als schwuler Künstler bzw. lesbische Künstlerin abgestempelt werden wollen ...

Das sehe ich genauso. Ich muss zugeben, dass ich anfangs zu naiv war, was mein Outing in "DGC" betrifft. Ich hätte wissen sollen, dass dies zu einem sehr großen Thema gemacht wird. Aber: Es hat mich ganz Österreich gewählt, also gönne ich Herrn und Frau Österreicher auch die neugierigen Fragen – bis zu einem gewissen Grad haben sie das Recht zu wissen, wie "die" so leben. Nun muss die Zeit der Neugierde allerdings vorbei sein und es soll sich endlich nur noch um die Musik drehen. Alles andere hat für mich einen negativen Beigeschmack.

Trotzdem: "DGC" hat bis dato zwei Stars hervorgebracht – dich und Conchita Wurst. Ihr beide seid geoutet homosexuell. Was sagt das über Österreich aus?

Bis zu einem gewissen Grad zeugt das sicher von Toleranz. Vielleicht tun wir der österreichischen Gesellschaft Unrecht und wir müssen ihr gegenüber offener werden! (lacht)

Wie hast du Conchita Wurst erlebt?

Wir sind uns nur paar Mal über den Weg gelaufen, haben ein bisschen Small Talk miteinander geführt. Wenn ich so sagen darf: Ein ganz ein lieber Kerl, sehr zurückhaltend. Als Conchita Wurst spielt sie ihre Rolle perfekt, zieht sie beinhart durch, auch abseits der Kameras. Ich ziehe meine Kappe vor ihr!

Und deine Meinung zu Sido?

Wir Kandidaten hatten zu den Jury-Mitgliedern backstage überhaupt keinen Kontakt. Deshalb kann ich über Sido nur sagen: Er war einer der ehrlichsten und kritischsten Jurymitglieder – und einer meiner größten Fans! Sido hat mich sehr unterstützt, worauf ich sehr stolz war und bin. Ein "harter Rapper", der auf die kleine Christine Hödl steht, die auf der Bühne ihre Songs trällert – damit hätte ich niemals gerechnet!


"Geschmack von ÖsterreicherInnen aufpolieren"

Wie empfindest du die heimische Musikszene?

Es fehlt jede Art von Plattform. Wenn ich an österreichische Künstler denke, fallen mir Fendrich, Ambros und Co. spontan ein, aber nicht mehr. Und natürlich Christl Stürmer, aber die ist ja mittlerweile auch schon nach Deutschland gegangen.

Ich denke, es ist sehr schwer, sich am österreichischen Musikmarkt durchzusetzen. Besonders dann, wenn man solche Musik wie ich macht, die sich nicht am Mainstream orientiert, vielleicht sogar eine eigenwillige Musik ist. Vielleicht schaffe ich es, den Geschmack von Herrn und Frau Österreicher etwas aufzupolieren. Ich bin aber sicher, dass meine Musik polarisiert. Entweder man mag sie oder man mag sie nicht – dazwischen gibt's nix.

Letzte Frage: Thomas Rabitsch hat auch das Album von Nadine Beiler, unserer diesjährigen Song-Contest-Vertreterin, produziert. War eine mögliche Teilnahme am European Song Contest (ESC) jemals Thema zwischen euch?

Thema war es durchaus. Aber um ehrlich zu sein: Der Song Contest ist nicht wirklich meines. Ich habe ihn die letzten Jahre via Stermann & Grissemann verfolgt, stehe dem Spektakel also eher kritisch gegenüber. Abgesehen davon wäre der Song Contest noch ein i-Tüpfelchen zu viel für mich. Jetzt lege ich meinen beruflichen Fokus voll und ganz auf mein erstes Album.

Interview: Manuel Simbürger

Home
Politik
Chronik
Wirtschaft
Sport
Kultur
Society
Life
Reise
Motor
Hightech