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Papermoon: "Österreich verschenkt Potenzial"

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relevant Redaktion

"Österreich verschenkt musikalisches Potenzial"

28.11.2011
Im Exklusiv-Interview blickt die Band Papermoon auf ihre Karriere zurück und spricht in puncto österreichische Musikszene Klartext.

Es war im Jahr 1991, als uns das erste Mal im Radio eine Stimme entgegenhallte, die an eine Fee erinnerte und uns gleichsam verzauberte. Dazu ein einfühlsamer Text und eine Melodie, die sofort in Ohr ging. "Tell me a poem" hieß das musikalische Meisterwerk, Papermoon hieß der Singer/Songwriter-Act. Aus Österreich, wohlbemerkt.

20 Jahre später haben Papermoon (Christof Straub und Edina Thalhammer) die österreichische Musikgeschichte mitgestaltet, waren mit insgesamt sieben Hitalben in den Charts vertreten (aktuelles Werk: "wake") und feierten nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland, Japan und sogar in den Vereinigten Arabischen Emiraten Erfolge. Auch 2011 sind Papermoon-Konzerte ausverkauft. Nicht genug damit: Seit 2009 zeichnet Christof Straub für die erfolgreiche Talentshow "Teenage Rockstar" (aktuell u.a. mit "Die große Chance"-Entdeckung Chiara) verantwortlich. Grund genug, um Papermoon zum ausführlichen Interview zu bitten.


20 Jahre Papermoon – was ist das für ein Gefühl?

Edina: Es fühlt sich gut an. Es ist wie ein Polster, auf dem man sich ausruhen kann. Man hat der Welt gezeigt, was man kann und dass das, was man tut, Bestand hat. Es ist ein Gefühl des Angekommen-Seins. Alles, was jetzt noch kommt, ist ein Bonus.

Fühlt man sich ein bisserl alt?

Christof: Nein, eigentlich nicht. Das liegt aber auch daran, dass wir sehr früh mit Papermoon begonnen haben. Wir sind jetzt beide knapp über 40, fühlen uns aber wesentlich jünger. Und natürlich sind wir sehr stolz, 20 Jahre in einem Business, wo Schnelllebigkeit an der Tagesordnung ist, bestanden zu haben. Edina und ich haben gemeinsam sehr viele tolle Sachen erlebt.

Ihr habt also etwas richtig gemacht.

Edina: Vielleicht nicht alles, aber manches. Wir waren nicht immer in dem Maß karriereorientiert, wie wir es vielleicht hätten sein sollen. Taktisch waren wir nicht immer klug. Aber wir haben ja immer noch Zeit, um etwaige verlorene Dinge aufzuholen.

Christof: Phasenweise wäre es vielleicht klüger gewesen, sich mit den Mächtigen in der Branche zu arrangieren, als stur sein Ding durchzuziehen.

Habt ihr das gemacht? Stur euer Ding durchgezogen?

Edina: Wir sind nie Kompromisse eingegangen.

Christof: Wir sind immer unserem Weg gefolgt.

Edina: Aber man weiß ja nicht, was sonst gewesen wäre. Vielleicht war's also schon gut so, wie es gelaufen ist. Man kann sowieso nie alles richtig machen.


"Musikgeschäft hat sich zum Negativen verändert"

Seid ihr Dominic Heinzl, der euch damals auf die Ö3-Playlist gesetzt hat, mittlerweile als Journalist aber sehr polarisiert, heute noch dankbar?

Christof: Sicher, wir sind jedem dankbar, der uns auf unserem Weg unterstützt hat. Wir haben genug Demut, um zu wissen, dass es ein riesengroßes Geschenk ist, wenn sich Leute für das, was du tust, interessieren. Sehr viele andere Künstler müssen um Aufmerksamkeit betteln.

Edina: Spezifisch zu Dominic: Ich denke, er macht seinen Job super und ist auch ansonsten ein toller Kerl. Er unterstützt bis heute immer wieder Projekte, die auch karikativen Ursprungs sind – wer kann das schon von sich behaupten?

Ö3 hat über all die Jahrzehnte seinen revolutionären Charakter verloren ...

Christof: Es ist natürlich für jedes Medium schwierig, sich neben all der Konkurrenz zu behaupten. Natürlich wird heute bei Ö3 strenger kontrolliert, was gespielt wird, als es noch vor 20 Jahren der Fall war. Aber das sind die Gesetze der Marktwirtschaft. Mag das Publikum das Programm nicht, dreht es ab. Das kann sich ein Medium heute nicht mehr leisten.

Wie hat sich das österreichische Musikgeschäft in den letzten 20 Jahren verändert?

Christof: Das Musikgeschäft hat sich weltweit zum Negativen verändert. Das liegt daran, dass es vor allem unter der jungen Generation als "uncool" gilt, CDs zu kaufen oder legal Songs downzuloaden. Das ist natürlich eine finanzielle Katastrophe für die Branche. Man müsste viel mehr in das Bewusstsein der Jugend investieren, um ihnen klarzumachen: Illegale Downloads ziehen den Künstlern den finanziellen Boden unter den Füßen weg.

Edina: Illegale Downloads sind ethisch unvertretbar. Es ist Diebstahl. Wenn die Künstler nichts mehr zu essen haben, können sie auch nichts mehr schreiben. Kann der Maler nicht mehr ins Atelier gehen, gibt's auch keine Bilder mehr.


"Outlaws der österreichischen Musiklandschaft"

Meiner Meinung nach kann man österreichische Musik in zwei Kategorien einteilen: In "Austropop" mit Klassikern wie Fendrich, Danzer, Mendt, etc., und in die "Neue Österreichische Welle" mit jungen Künstlern wie Christina Stürmer, Nadine Beiler, Anna F., Trackshittaz, etc., die sich allesamt sehr international präsentieren. Wo reiht ihr euch ein?

Edina: Nirgends. Wir sind eine eigene Kategorie. Wir fallen vollkommen durch den Rost. Dafür werden wir einerseits geachtet, andererseits sind wir dadurch schwerer zu verkaufen. Wir passen nirgends hinein, sind die Outlaws der österreichischen Musiklandschaft. Das befremdet viele Leute, die Masse hat Berührungsängste, auch nach 20 Jahren. Das finde ich sehr schade. Beim Ambros weiß jeder, was er macht, Papermoon muss man nach wie vor erklären.

Christof: Es war Zufall, dass wir von Anfang an einen ganz eigenen Sound hatten. Ich sehe unsere Unverwechselbarkeit als unsere größte Stärke. Es gibt keinen Künstler weltweit, der so klingt wie wir. Selten in der Musikbranche ...

Edina: Auf jeden Fall. Erst heute haben wir im Radio den Song "Should have let you love me" von Cornelia Mooswalder gehört. Großartiger Song, ganz tolle Stimme. Aber absolut verwechselbar.

Was haltet ihr von Lukas Plöchl?

Christof: Ich finde den cool.

Edina: Wen ich super finde, ist der Andreas Gabalier! (lacht)

Wie alle Frauen in Österreich zurzeit.

Edina: Als Mann gefällt er mir nicht, aber er hat eine sehr sexy Stimme und eine tolle Ausstrahlung.


"In Österreich wird zu wenig gefördert"

Mooswalder, Gabalier, Plöchl, Beiler, etc. – eure Meinung zu den jungen österreichischen Künstlern?

Edina: Es sind viel zu wenige. Es gibt nach wie vor keine Szene, sondern bloß Einzelerscheinungen, die viel Talent und manchmal auch Erfolg haben. Nadine Beiler zum Beispiel hat eine großartige Stimme, schafft es aber scheinbar nicht, eine passende Erfolgsnische zu finden. Kurz: In Österreich wird zu wenig gefördert und Potenzial verschenkt.

Wobei es ja seit schon seit vielen Jahren Castingshows gibt, und das meist mit großem (Quoten-)Erfolg ...

Edina: Stimmt. Aber im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien bringen wir keine echten Stars hervor. Kelly Clarkson von "American Idol" oder Leona Lewis von "X Factor" kennt jeder. Aber wo sind die Gewinner der österreichischen Castingshows?

Christof: Das muss man relativieren. Christina Stürmer und Trackshittaz, wenn auch je nur Zweitplatzierte, haben eine tolle Karriere hingelegt. Weil sie sich selbst treu geblieben sind.


"Quote statt Talente"

Christof, du bist Erfinder der Talentshow "Teenage Rockstar". Bist du ein Fan von Castingshows?

Christof: Das Konzept funktioniert immer wieder, und zwar weltweit. Menschen lieben es, eine Heldengeschichte zu verfolgen und zu beobachten, wie ein Nobody mit einem dramatischen Background auf der Bühne plötzlich alle umhaut. Man darf aber nicht vergessen: Diese Shows sind dazu da, um Quote zu machen und nicht, um Talente zu entdecken. Das ist bestenfalls ein Nebeneffekt. Der Grund, wieso ich "Teenage Rockstar" erfunden habe, war, nachhaltig tolle Künstler zu entdecken und ihr Talent zu fördern. Das geht auch ohne Dramatik und dem Zur-Sau-Machen der jeweiligen Person.

Wobei ehrlich zu sagen ist: Es ist eine langsame Veränderung bei Castingshows zu bemerken. Das Talent des Künstlers steht wieder stärker im Vordergrund. "X Factor" und "The Voice of Germany" sind hier sehr gute Beispiele.

Papermoon fördert also Nachwuchstalente?

Edina: Ich unterstütze zwar auch "Teenage Rockstar", es ist aber vor allem Christofs Projekt. Wir beide finden es toll, Kindern eine sinnvolle Beschäftigung zu geben, bei der sie herausfinden können, was sie besonders gut können. Das Projekt hat auch einen psychologischen Background: Man fördert nicht nur das Talent der Kinder, sondern auch ihr Selbstwertgefühl.

Christof: Die Kinder jammen zusammen, bilden eine Band. Die Kids sind wahnsinnig talentiert. Bei einigen von ihnen werden wir eines Tages stolz sein, dass wir die ersten waren, die sie live gehört haben.

Hätte es vor 20 Jahren bereits TV-Castingshows gegeben: Hättet ihr mitgemacht?

Christof: Nein, denn wir wären bereits bei den Vorausscheidungen gescheitert. Castingshows berücksichtigen meist keine Individualität. Stelle einen Mick Jagger, einen Leonard Cohen, einen Bob Dylan auf eine Castingbühne – sie würden alle kläglich scheitern. Weil sie in ihrem eigenen Ding, aber nicht universal gut sind. Bob Dylan singt und tanzt wie Robbie Williams? Unmöglich.


"Immer das Positive sehen"

Themenwechsel: Künstler behaupten bei ihrem neuen Album gerne, es sei das Beste, das sie je gemacht haben. Ist das bei euch und "wake" auch so?

Edina: Jetzt sagen wir es und denken es auch! (lacht) Man soll ja jedes seiner Kinder gleich lieben. "wake" ist aber sicherlich das freieste und losgelösteste Album, das wir bisher produziert haben. Es ist ein sehr buntes und positives Album.

War es euch wichtig, in Krisenzeiten ein positives Album aufzunehmen?

Edina: Auf jeden Fall. Es ist generell wichtig, am Ende des Tages immer das Gute zu sehen. Ansonsten hat das Leben keinen Sinn mehr.

Euer voriges Album "When the lights go down" habt ihr als Selbstfindungsprozess beschrieben. Wie würdet ihr "wake" beschreiben?

Edina: Als Abschluss des Selbstfindungsprozesses. (lacht) "When the lights go down" sowie die Vorgänger waren der Schmetterling im Kokon, mit "wake" ist der Schmetterling endlich geschlüpft und kann fliegen.

Außerhalb von Österreich habt ihr nicht nur in Deutschland, sondern sogar in Japan und den Vereinigten Arabischen Emiraten Erfolg. Überrascht euch das immer noch?

Christof: Natürlich. Sehr viele Philippinen, die in unserem Alter sind, kennen "Tell me a poem". Das ist Wahnsinn!

Edina: Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich hatte damals furchtbare Angst, dort auf die Bühne zu gehen. Kann man "Dancing Again" einfach so in den Arabischen Emiraten singen? (lacht) Das Publikum war aber wirklich toll, hat zu tanzen begonnen und uns auf Händen getragen. Ich habe geweint vor Rührung. Vielleicht DAS Highlight unserer Karriere.

Christof: Ich bin aber genauso überrascht, wenn uns Amerikaner für unsere Songs loben. Anscheinend sind unsere englischen Texte gar nicht so schlecht! (lacht)

Ein Gästebucheintrag auf eurer Homepage nimmt Bezug auf ein aktuelles Konzert von euch: "Wir haben euch noch nie mit so voller Harmonie und Freude, mit so großartiger Perfektion, mit so viel Ausdruck und voller Liebe gehört." Was macht ihr anders als vor 20 Jahren?

Edina: Wir sind viel lockerer. Ich möchte nach wie vor beste Qualität liefern, aber der Druck, den du mit 20 Jahren hast, ist nicht mehr da. Die Weisheit, die mit dem Alter kommt, wirkt sich auf viele Aspekte deines Lebens aus. Wenn man mit 40 nicht entspannt ist, hat man irgendwas nicht kapiert.


"Mehr Rechte für Väter!"

Im Laufe eurer Karriere habt ihr euch immer wieder für soziale Themen oder für Hilfe bei Umweltkatastrophen eingesetzt. Gibt es ein aktuelles Ereignis oder Thema, das euch besonders am Herzen liegt?

Edina: Die Rechtelosigkeit eines Vaters. Ist zum Beispiel das Kind das Ergebnis eines One night stands und beschließt die Mutter daraufhin, dass der Vater das Kind nicht sehen darf, kann dieser absolut nichts dagegen machen. Er ist rechtelos. Das ist ein Skandal! Ich habe in meinem Freundeskreis solch einen Fall und es wirklich tragisch. Außerdem bin ich selbst ohne Vater aufgewachsen und weiß, dass dies sehr schwer sein kann. Mütter und Väter müssen dieselben Rechte haben.

Aus aktuellem Anlass eine letzte Frage: Wie habt ihr auf den Tod von Ludwig Hirsch reagiert?

Christof: Ich war sehr überrascht. Wirklich furchtbar, was geschehen ist. Sein erstes Album "Dunkelgraue Lieder" liebe ich heute noch.

Edina: Wir haben ihn leider nie persönlich kennengelernt, aber wir schätzten ihn als Künstler sehr.

Interview: Manuel Simbürger

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