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Flying Steps: "Wollen das Theater entstauben"

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relevant Redaktion

Flying Steps: "Wollen das Theater entstauben"

04.11.2011
Powermoves im Burgtheater?! Die Breakdance-Gruppe beweist mit "Red Bull Flying Bach", dass Jugend- und Hochkultur einander nicht ausschließen müssen.

Dass klassische Musik und Breakdance miteinander Hand in Hand gehen können, beweisen die deutschen vierfachen Breakdance-Weltmeister Flying Steps, die mit ihrem Projekt "Red Bull Flying Bach" gerade auf Europatournee sind – und sich vom 5. bis 13. November im Wiener Burgtheater die Ehre geben (Konzerte restlos ausverkauft!).

Worum geht's? Gemeinsam mit dem Opernregisseur Christoph Hagel interpretiert die Breakdance-Gruppe Johann Sebastian Bachs "Wohltemperiertes Klavier" vollkommen neu, mixt Klavier und Cembalo mit elektronisch verfremdeten Beats. Unterstützt von einer Balletttänzerin wirbeln die Flying Steps über die Konzertbühne und stellen mit Powermoves, Headspins und dem Überlisten der Schwerkraft klar: Es wird Zeit, dass die Hochkultur wieder cooler wird!

Im Gespräch mit relevant-Journalist Manuel Simbürger spricht Flying Steps-Choreograph Vartan über das Zusammenspiel von Breakdance und Klassik, das Überschreiten von Grenzen und das Imageproblem der Hochkultur.


Vom 5. bis 13. November tretet ihr mit "Flying Bach" im Burgtheater auf. Spürt ihr Ehrfurcht?

Vartan: Natürlich. Das Burgtheater gehört zu den besten Kunsthäusern der Welt und hat einen hervorragenden Ruf. Künstler-Kollegen beneiden uns darum und reagierten mit Staunen, aber auch mit Respekt.

Der Erfolg gibt euch Recht. Ausverkaufte Häuser, wo immer ihr auch auftretet ...

Stimmt – und es fühlt sich toll an. Aber: Wir kommen aus der Hip-Hop-Szene, wo Battles an der Tagesordnung stehen. Wir sind es gewohnt, Leuten immer wieder von Neuem zu zeigen, was wir drauf haben. Deshalb beginnt der Kampf für uns mit jedem Auftritt aufs Neue. Was natürlich auch heißt, dass wir jedes Mal unser Bestes geben.


"Breakdance als Teil der Hochkultur"

Wie kommt man eigentlich auf die Idee, Breakdance mit klassischer Musik zu verbinden?

Die Grundidee war: Wir wollten Breakdance populärer machen, sogar zu einem Teil der Hochkultur werden lassen. Wir wollen den Menschen zeigen, dass Breakdance etwas ist, das mit Leidenschaft und viel Arbeit verbunden ist. Wir sind eine Gruppe, die sich über jeden einzelnen Move sehr viele Gedanken macht.

Außerdem: Gerade in Verbindung mit dem klassischen Gegenstück funktioniert der Breakdance-Style unheimlich gut. Zur Überraschung aller. Man muss sich das so vorstellen: Das, was die Ballerina auf den Füßen macht, machen wir auf dem Kopf.


"Stimmen zu visualisieren"

Wie war die Zusammenarbeit mit Opernregisseur Christoph Hagel? Gab es anfangs Berührungsängste?

Nein. Er war von unserer Idee und von unserer Leidenschaft bei den Proben sofort begeistert. Er war es, der uns Bach vorgeschlagen hat. Weil es hier im Präludium einzelne Stimmen gibt, die wir jeweils als einzelne Tänzer verkörpern können. Genau das war auch unsere Herausforderung: Nicht nur nach den Noten und nach der Musik zu tanzen, sondern die Stimmen im Stück zu verkörpern und zu visualisieren. Ich denke, das ist auch das Erfolgsgeheimnis von "Flying Bach".

Wie war denn das Feedback der Hochkultur?

Das war unsere größte Angst: Dass die sogenannte Hochkultur uns zerreißen würde. Schließlich wird Bach von vielen Leuten als Heiligtum angesehen. Deshalb war es uns von Anfang an wichtig, sehr respektvoll mit dem Stück umzugehen.

Wir waren uns sicher, dass die Hochkultur auf unsere Moves abfahren wird. Aber ob sie unsere Interpretation von Bach versteht, das machte uns Sorgen. Klavier und Breakdance – das gab's schließlich vorher noch nie! Gott sei Dank aber waren alle von uns begeistert. Die Auszeichnung "Klassik-Echo" spricht für sich, ein Ritterschlag für uns. Wir wurden sogar zum Bach-Festival in Leipzig eingeladen. Was will man mehr?!


"Brücke zwischen zwei Kulturen"

Gegenfrage: Wie reagierte man in der Hop Hop-/Breakdance-Szene auf "Flying Bach"?

Natürlich gab es Skeptiker. Aber alle waren neugierig, weil sich keiner unter dem Projekt was vorstellen konnte. Das Feedback bis jetzt ist von Breakdance-Kollegen sehr positiv. Wir haben es geschafft, eine Brücke zwischen Jugend- und Hochkultur zu schlagen. Darauf sind wir sehr stolz.

Wichtig ist uns, dass das Publikum offen ist. Wir treten für Open Mind ein: Kunst ist grenzenlos. Wir möchten, dass unser Publikum für einen Abend seinen Alltag vergisst und in eine fremde Welt eintaucht.

Hochkultur hat bei der Jugend einen sehr niedrigen Stellenwert. Wie erklärst du dir dieses Imageproblem? Kommt die "hohe" Kunstszene vielleicht zu elitär daher?

Ja, das glaube ich tatsächlich. Nochmals: In der Kunst muss man offen für Neues sein. Die Hochkultur müsste mehr darauf achten, was heutzutage "in" und "trendy" ist. Gerade im klassischen Bereich könnte und müsste man sehr viel mehr experimentieren.

Die Hochkultur lebt in ihrer eigenen Welt. Wir hoffen, dass wir es mit "Flying Bach" schaffen, zwei verschiedene Welten miteinander zu verbinden. Wir wollen das Theater entstauben.


"Wir fühlen uns erwachsener"

Flying Steps ist ja schon länger sehr erfolgreich. Hat euch das Projekt "Flying Bach" als Gruppe weitergebracht?

Auf jeden Fall. Es sind neue Wege, die wir erfolgreich eingeschlagen haben. Und: Wir fühlen uns durch "Flying Bach" erwachsener. Keine Ahnung, wieso. Wir haben das Gefühl, dass wir nun ernster genommen werden als zuvor. "Flying Bach" hat uns viele Türen geöffnet.

Wie geht's in Zukunft weiter? Dürfen wir uns auf "Flying Mozart" freuen?

Es ist einiges in Planung. Es wird sicher wieder etwas in die klassische Richtung geben, Anfragen dafür gibt es haufenweise. Das nächste Projekt soll noch größer werden als "Flying Bach."

Interview: Manuel Simbürger

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