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Sechs Monate Asyl: Assange kämpferisch

Kerim Okten/EPA/picturedesk.com

relevant Redaktion

Sechs Monate Asyl: Assange in "Kampfstimmung"

21.12.2012
Der WikiLeaks-Mitbegründer kann sich der Unterstützung Südamerikas versichern. Diplomatische Verwicklungen mit Großbritannien und den USA sind garantiert.

Seit die Botschaft von Ecuador in London Julian Assange vor sechs Monaten "diplomatisches Asyl" gewährt hat, steht der 41-jährige Australier unter dem Schutz des Landes und ist dem Zugriff der britischen Behörden vorerst entzogen. Denn diesen ist es völkerrechtlich untersagt, Assange im Hoheitsgebiet Ecuadors (zu dem auch die Botschaften weltweit zählen) zu verhaften.

Auch in seiner jüngsten öffentlichen Rede sprach der Australier vom Balkon des Botschaftsgebäudes und nicht von der Straße aus, wo man ihn jederzeit in Gewahrsam hätte nehmen können.

Entsprechend zürnt die britische Regierung, die den streitbaren Australier lieber heute als morgen nach Schweden ausliefern würde, wo ihm wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung von zwei Frauen die Anklage droht. Und, wie Assange fürchtet, mehr als das: ein politisches Komplott - sprich: die Auslieferung an die USA, die dem Australier wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente den Prozess machen wollen.

Eine Sorge, die das höchste Gericht in London nicht teilt und Assanges Einspruch vor wenigen Monaten abgelehnt hat.

 

"Verdacht der Heuchelei"

Der 41-Jährige, der sich seit Dezember 2010 in Gewahrsam der britischen Behörden befand und auf dem Anwesen eines befreundeten Millionärs mit Fußfesseln lebte, verspielte mit seiner Weigerung, sich in Schweden einer Befragung zu stellen (nicht zuletzt, um seine Unschuld zu beweisen), viele Sympathien.

Und liefert nebenbei noch Karin Olsson einen willkommenen Anlass, in ihrem Kommentar für The Guardian eine Lanze für ihre Heimat zu brechen: "Man kann Schweden ja einiges vorhalten: sein schlechtes Wetter, seine überbewerteten Krimiromane und seine Ikea-Möbel - aber nicht, dass es eine Bananenrepublik ist, die Assange in die USA verschifft."

Auch das Verständnis von David Allen Green (New Statesman) für Assange ist erschöpft: "Es ist schwer einzusehen, warum es gute Gründe dafür geben sollte, Assanges Rückkehr nach Schweden weiter zu verzögern, noch dazu, da er karge Mittel hat, um seine Verteidigung zu finanzieren."

Denn da sein Einspruch abgewiesen wurde, muss er die Prozesskosten - auch der Gegenseite - tragen, wozu er wirtschaftlich nicht mehr imstande sein dürfte.

In ihrem Leitartikel windet sich auch The Independent, seine Partei für Assange aufrechtzuerhalten: "Dass ein selbsternannter Meister der weltweiten Offenheit die Offenheit in eigener Sache scheut - und alles dazu tut, um sie zu umgehen - damit setzt er sich dem Verdacht der Heuchelei aus."

An seinem Vorgehen hängt letztlich auch die Zukunft von WikiLeaks. Denn, bestätigt Atika Shubert von CNN: "Eine Finanzblockade von Bank of America, VISA, MasterCard, PayPal und der Western Union soll laut Assange 95 Prozent von WikiLeaks' Einnahmen vernichtet haben."

In seiner Analyse hält dazu The Economist fest: "WikiLeaks hat auch eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingebracht, in der sie darlegt, dass Visa und MasterCard widerrechtlich handeln (Visa sagt dazu, es friere Zahlungen ein - 'wenn erforderlich' - wenn ein Händler gegen 'anwendbare Gesetze' verstoße)."

Bereits Ende Oktober 2011 ließ die Plattform die Öffentlichkeit wissen, ihre Aktivitäten vorerst auf Eis zu legen. Ihren Vertrauensbonus haben die Betreiber obendrein verspielt, als sie wenige Wochen zuvor irrtümlich geheime Unterlagen veröffentlichten, ohne die Namen der Informanten zu schwärzen. Was für einige von diesen einem Todesurteil gleichkommt. (Siehe dazu WikiLeaks zeigt Schwächen, Assange Nerven)

 

Zwangspause für WikiLeaks

So scheint der Kult um Julian Assange und seine Erfindung zwar verflogen; der Mitleidsbonus für einen Getriebenen, der auf der Flucht vor Regierungen und Behörden ist, nahezu aufgebraucht. Seine Chancen, einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen, sind seit dem Tag, als ihm von Ecuador "diplomatisches Asyl" gewährt wurde, jedoch wieder gestiegen. Zumal das südamerikanische Staatenbündnis UNASUR Ecuador in dieser Angelegenheit offiziell unterstützt und den Westen zu einer für alle Seiten annehmbaren Lösung drängt. Sehr zum Ärger der USA und Großbritanniens.

Auf seine politischen Fürsprecher in Übersee allein wird sich Assange dennoch nicht verlassen. Laut Angaben seines Rechtsberaters zeigt er "Kampfbereitschaft" und plant weitere juristische Schritte. Welche, wird die Öffentlichkeit noch erfahren.

Ute Rossbacher

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