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Krisenblues: Filme über die Finanzwelt

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relevant Redaktion

Krisenblues: Filme über die Finanzwelt

15.11.2012
Pleiteszenarien sind en vogue. Ein Streifzug durch filmische Auseinandersetzungen.

Beiträge, die sich kritisch mit den Ursachen und vor allem den Verursachern der Finanzkrise beschäftigen, stehen derzeit hoch im Kurs, wie ein Blick auf die Kinobesucherzahlen zeigt. Aus aktuellem Anlass haben wir eine Übersicht von Klassikern, Dokumentationen und filmischen Abrechnungen mit dem globalen Wirtschaftssystem zusammengestellt - die im übrigen alle auf DVD erhältlich sind. In diesem Sinn: Film ab!

 

Für Einsteiger: Kapitalismus - eine Liebesgeschichte

Am Beispiel von Familien zeigt Michael Moore in seinem 2009 produzierten Film die schleichende Verarmung der amerikanischen Mittelschicht auf und geht den Ursachen der Finanzkrise von 2007/08 auf den Grund.

Auch wenn der amerikanische Autor und Regisseur ob seiner grob vereinfachten und damit mitunter verzerrenden Darstellung der Problematik nicht ganz zu Unrecht kritisiert wird, trifft er in diesem Film doch den Nerv der Zeit und bestätigt allfällige Befindlichkeiten des Unbehagens ob der Macht gänzlich liberalisierter Märkte. - Bietet Diskussionsstoff.

 

Der sachlichere Moore-Film: Inside Job

Wem Moore nicht glaubwürdig genug erscheint, der ist mit diesem faktentreuen Dokumentarfilm von Charles Ferguson vermutlich besser bedient. Der 2010 erschienene Film erklärt - ausgehend von der isländischen Bankenpleite - die Ursachen und Wirkungen der Finanzkrise und entwirrt die intransparenten Verflechtungen von Politik und Wirtschaft, die nebenbei auch die Expertise amerikanischer Ökonomen in neuem Licht erscheinen lassen.

Für Interviews konnte Ferguson immerhin Finanzgrößen wie Nouriel Roubini, Christine Lagarde oder Barney Frank gewinnen, die auch kritische Fragen nicht scheuen.

Der Film wurde nicht synchronisiert und ist daher derzeit nur in englischer Sprache mit deutschen Untertiteln zu sehen. Gesprochen wird er von Schauspieler Matt Damon. - Schließt Verständnislücken.

 

Beklemmend: Let's Make Money

Der preisgekrönte Dokumentarfilm des Österreichers Erwin Wagenhofer aus dem Jahr 2008 zeigt die Parallelwelten von einer entfesselten Finanzwelt und ihren Profiteuren auf der einen bzw. der verelendenden Dritten Welt auf der anderen Seite; und stellt die Frage, wie der Reichtum des einen die Armut des anderen bedingt. Neben dem Fondsmanager Mark Mobius kommen der Unternehmer Mirko Kovats, der Finanzminister von Jersey Terry le Sueur oder der erst kürzlich verstorbene SPD-Politiker und Gesellschaftskritiker Hermann Scheer zu Wort.

Der Zynismus ist beabsichtigt, wenn Mirko Kovats die Billiglohnländer preist und in der nächsten Sequenz ausgebeutete Arbeiter gezeigt werden, die anderen zu Wohlstand verhelfen, ohne diesen durch Lohnarbeit für sich erreichen zu können. Ernüchternd die Marktphilosophie von Mark Mobius: "Die beste Zeit zu kaufen ist, wenn das Blut auf den Straßen klebt." - Aufrüttelnd.

 

Immer noch gut: Wall Street

Aus dem Jahr 1987 ist der Börsenkrimi von Oliver Stone in Anbetracht der Blasen und Finanzkrisen der vergangenen 15 Jahre brisanter und erhellender denn je. Bei der Zeichnung des Gordon Gekko hatte sich der Regisseur von lebenden Beispielen der Finanzwelt inspirieren lassen und damit seiner Geschichte große Authenzität verliehen. Umso ernüchternder für ihn und Schauspieler Michael Douglas, die mit ihrer Darstellung eigentlich abschrecken wollten, zu erfahren, wie viele allein dieses Films wegen Investmentbanker wurden. - Zündender Klassiker.

 

Packend - trotz Schwächen: Der Große Bellheim

Wer die Dialoge aus "Wall Street" abrufen kann, wird sich über die unverkennbaren Anleihen, die Regisseur Dieter Wedel in diesem ZDF-Vierteiler aus dem Jahr 1992 nimmt, vermutlich ärgern. Kann man darüber jedoch großzügig hinwegsehen, bleibt immer noch eine spannende Geschichte übrig, die vom Versuch einer feindlichen Übernahme einer verlustträchtigen Kaufhauskette handelt. Anlass für Eigentümer Peter Bellheim (Mario Adorf), der sich schon im Alterswohnsitz auf Mallorca eingerichtet hat, noch einmal alle seine Kräfte und geschäftlichen Kontakte zu mobilisieren.

Der mehrstündige Wirtschaftskrimi hat seine Längen, aber auch großen Momente, z.B., als es Bellheim gelingt, seinen Widersacher Rottmann (Heinz Hönig) auszubremsen. Einen kleinen Gastauftritt hat übrigens auch SPD-Politiker Gerhard Schröder, der damals noch Ministerpräsident von Niedersachsen war. - Gut recherchiert, glaubwürdig gespielt.

 

Bitterböse: Louise Hires A Contract Killer

Der französische Film aus dem Jahr 2008 - von Matthieu Kassovitz produziert, von den Regisseuren Gustave Kervern und Benoît Delépine gestaltet - wurde mit dem Spezialpreis der Jury beim Sundance Film Festival ausgezeichnet.

Er zeigt den freudlosen Alltag schlecht bezahlter Näherinnen, die ihre Textilfabrik eines Tages überraschend verschlossen und verlassen vorfinden. Wie ihre Nachforschungen ergeben, haben die Eigentümer das Unternehmen veräußert und sich abgesetzt, ohne die Arbeiterinnen darüber im Vorfeld zu informieren.

Die Frauen, die vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen, sinnen auf Rache: Mit ihren Abfertigungen wollen sie einen Killer anheuern, der die Bosse beseitigen soll. Doch wie sich zeigt, ist das gar nicht so einfach. Denn die Fabrik gehört einem Hedgefonds, der seinen Sitz auf Jersey hat.

Bitterböse und szenenweise grenzwertig wird die Racheaktion, die von der Arbeiterin Louise (gespielt von Yolande Moreau) und ihrem Kompagnon Michel ausgeführt wird, geschildert. Allerdings: befriedigendes Ende inklusive. - Geschmackssache.

Ute Rossbacher

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