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Zypern im Bann der griechischen Krise

Katia Christodoulou/EPA/picturedesk.com

relevant Redaktion

Zypern droht die griechische Krise

17.09.2012
Euro-Land Zypern pflegt mit Griechenland enge wirtschaftliche Beziehungen. Diese dürften dem kleinen Inselstaat zum Verhängnis werden - sind die Ratingagenturen überzeugt.

Mehrmalige Herabstufung des Euro-Landes durch die Ratingagenturen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit; eine Explosion, die die Stromversorgung des Landes beinahe zum Erliegen bringt; Proteste auf den Straßen mit bis zu 10.000 Teilnehmern gegen die Regierung. - In Zypern überschlugen sich in den vergangenen Monaten die Ereignisse.

Die Brisanz der Lage bringt Bernd Riegert in seinem Report für die Deutsche Welle auf eine einfache Formel: "Geht es Griechenland schlecht, leidet auch Zypern."

Ähnlich bewerten das die Ratingagenturen in den USA, die die Kreditwürdigkeit der Insel im östlichen Mittelmeer seit Beginn dieses Jahres sukzessive heruntergestuft haben. Der Tiefpunkt wurde im März dieses Jahres erreicht, als Moody's den Inselstaat auf Ramsch-Status herabstufte.

Dabei steht Zypern mit einem staatlichen Defizit von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Vergleich zu anderen verschuldeten Staaten in der Eurozone nicht einmal so schlecht da. Zum Stolperstein werden jedoch die 14 Milliarden Euro an griechischen Anleihen, die - so Klaus Hillenbrand von die taz unter Berufung auf Moody's - rund 40 Prozent der zypriotischen Kredite ausmachen. Cyprus Popular Bank - die zweitgrößte Bank des Landes - musste bereits zwei Milliarden Euro abschreiben.

Besorgniserregende Parallelen zur Enwicklung in Athen aus Sicht von Finanzexperte Matthias Kullas. Im Gespräch mit euractiv.de rechnet er vor: "Die zypriotische Volkswirtschaft hat sich seit ihrem Beitritt zur Eurozone im Jahr 2008 jährlich durchschnittlich mit 11,3 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt, Anm.) im Ausland verschuldet. Dies entspricht ziemlich genau dem Wert Griechenlands seit dessen Euro-Beitritt im Jahr 2001."

Vor diesem Hintergrund wundert sich die Redaktion der führenden zypriotischen Tageszeitung Cyprus Mail, "dass die Herabstufung (durch Moody's, Anm.) nicht schon viel eher erfolgt ist.

 

Dramatische Wende im Sommer 2011

Bereits Anfang Juli des vergangenen Jahres wollte die Mitte-Links-Regierung unter Präsident Dimitris Christofias unter dem Druck der Märkte eigentlich ein millionenschweres Sparpaket mit folgenden Eckpunkten durchbringen: "Weg mit Stellen im öffentlichen Dienst, ganzen Regierungsbehörden, Kürzung und Streichung von staatlichen Vergünstigungen", weiß Markus Bernath von Der Standard.

Doch bevor es dazu kommen konnen, explodierten am 11. Juli Container mit beschlagnahmter Munition im Hafen der zypriotischen Hafenstadt Limassol: mehrere Menschen wurden getötet; Vasilikou - das wichtigste Kraftwerk der Insel - zerstört. Dieses deckt zu 50 Prozent die Energieversorgung des geteilten Landes.

"Darüber hinaus kommt erschwerend hinzu, dass das Trinkwasser der Insel über elektrisch betriebene Entsalzungsanlagen gewonnen wird. Es ist touristische Hochsaison, darüber hinaus sorgt die anhaltende Hitzewelle für einen hohen Energiebedarf der Klimaanlagen", schildert Wassilis Aswestopoulos in seinem Bericht für Telepolis im Bann der Ereignisse.

In der Not behalf sich Zypern mit Dieselgeneratoren und ließ sich vorübergehend sogar vom türkischen Norden der Insel mitversorgen. Damit waren die eigentlichen Probleme allerdings noch nicht gelöst: Der Schaden, der durch die Explosion entstanden war, belief sich auf rund eine Milliarde Euro; Geld, das in seiner finanziell angespannten Situation für Zypern nicht leicht aufzutreiben ist.

Zudem gab es Gerüchte, wonach sich noch weitere Container mit unsachgemäß gelagerter Munition in den Häfen befänden, und Regierungsmitglieder davon auch Kenntnis gehabt haben sollen. Der Verdacht wurde erhärtet, als gleich zwei Minister unmittelbar nach der Explosion ihren Rücktritt erklärten; worauf auch die restliche Regierungsmannschaft unter Druck geriet. Im Gespräch mit Markus Bernath (Der Standard) spricht der Politwissenschafter Christophoros Christophorou von einer tiefen Vertrauenskrise zwischen der Bevölkerung und ihren politischen Vertretern.

Jene wird übrigens auch in den jüngsten Leitartikeln der zypriotischen Medien spürbar. "Die Parteien haben die Pflicht, den Anfang zu machen und das Land von einem Präsidenten zu befreien, der zur größten Belastung geworden ist", wird die bereits zitierte Cyprus Mail diese Woche deutlich.

Doch Regierungschef Dimitris Christofias schließt einen Rücktritt aus und will sich bis zu den nächsten Wahlen im 2013 halten - gegen den Widerstand der Menschen, die aus Verdruss immer öfter den Wahlurnen fernbleiben.

 

Ärger mit der Türkei

Diplomatisches Ungemach droht Zypern in dieser ohnehin schwierigen Lage von der Türkei, deren Regierung die Beitrittsgespräche mit der EU boykottieren will, seit Zypern am 1. Juli dieses Jahres für sechs Monate die Ratspräsidentschaft übernahm. (Die Türkei, die den Norden des Inselstaates beherrscht, erkennt dessen Süden nicht als eigenen Staat an. Dieser ist seit 2004 EU-Mitglied und seit 2008 in der Eurozone.)

 

Hilfe aus Brüssel

Immer wahrscheinlicher wird es daher, dass Zypern schon in Kürze nicht nur bald diplomatischen, sondern auch finanziellen Beistand der EU benötigt und unter den Rettungsschirm der EU schlüpft. Auch vor dem Hintergrund, dass die Lage in Griechenland von Tag zu Tag dramatischer wird.

Ute Rossbacher

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