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ESM und Co. - das Glossar zur Euro-Krise

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Das Glossar zur Euro-Krise

10.10.2012
Relevante Begriffe im Zusammenhang mit der Eurozone und der EU-Politik im Überblick.

 

A wie ... AEU-Vertrag

Anleihe siehe Staatsanleihe.

Anleiheversicherer erstatten - gegen eine Risikoprämie - Gläubigern die offene Summe, wenn der Schuldner zahlungsunfähig geworden ist. Gerade deshalb sind für Anleiheversicherer die Bewertungen von Ratingagenturen bindend; was wiederum zur Folge hat, dass Anleger - z.B. von Pensionsfonds - um sich versichern zu können, ausschließlich in Staaten, Immobilienwerte oder Unternehmen investieren dürfen, die die höchste Kreditwürdigkeit aufweisen.

Der AEUV oder AEU-Vertrag (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) legt in 358 Paragraphen den Handlungs- und Ermessensspielraum der EU fest. Durch die jüngste Erweiterung dieses Vertrages wurde die gesetzliche Grundlage für die Schaffung eines Euro-Rettungsschirmes unter verpflichtender Beteiligung der Mitglieder geschaffen.

 

B wie ... Bonität

Bail-Out heißt wörtlich übersetzt "aus der Klemme helfen" und bedeutet, dass für einen überschuldeten Staat andere Länder einspringen - sei es, dass sie seine Schulden tilgen oder dafür haften.

Bankenunion Bei diesem Modell werden alle Banken Europas unter eine zentrale Aufsicht gestellt und eine gemeinsame Haftung vereinbart. Verhindert werden soll damit, dass ein EU-Staat durch Pleiten systemrelevanter Banken in die abrutscht.

Die Bonität (Kreditwürdigkeit) von Staaten, Unternehmen und Institutionen wird von Ratingagenturen (CRA, Credit Rating Agency) erhoben. Vergleichbar einem Notensystem werden Ratingcodes vergeben, die potenzielle Gläubiger und Investoren auf einen Blick erkennen lassen, wie es um den Schuldner bestellt ist. Je nach Ratingagentur (die drei bedeutendsten sind die in New York ansässigen CRA Standard&Poor's (S&P), Fitch Ratings und Moody's) unterscheiden sich die Codes zwar leicht voneinander, grob kann aber von einer Skala von AAA bzw. Aaa (beste Qualität) bis D (zahlungsunfähig) gesprochen werden. Unter der Annahme, dass die amerikanischen Ratingagenturen europäische Staaten strenger als Firmen und Regierungen im eigenen Land bewerten, fordern immer mehr Politiker in Brüssel eine eigene europäische Ratingagentur.

 

C wie ... Credit Spread

Credit Default Swap (CDS, engl. Kreditausfall-Swap) ist der Wertpapierhandel mit Ausfallrisiken von Krediten und Anleihen, darunter auch jene von Staaten. Wikipedia vergleicht: "Der CDS ähnelt damit einer Kreditversicherung. Allerdings erhält der Sicherungsnehmer die Ausgleichzahlung unabhängig davon, ob ihm durch den Ausfall (des Referenzschuldners) überhaupt ein Schaden entsteht." Alltagssprachlich sind derlei Anleger besser als Spekulanten bekannt.

Credit Spread Ist eine höhere Rendite, die Investoren erhalten, wenn sie in Unternehmen oder Staaten investieren, die von Zahlungsunfähigkeit bedroht sind.

 

D wie ... Default

Default englisch für Bankrott und Zahlungsunfähigkeit.

 

E wie ... ESEF

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (Abk: ESM; auch Euro-Rettungsschirm genannt) wurde im Frühjahr 2010 unter Druck der griechischen Finanzkrise von der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion geschaffen. Um eine Staatspleite zu vermeiden, sieht der ESM für überschuldete Staaten Notkredite vor, die sich zu 60 Milliarden Euro aus Geldern von stabilen Euro-Mitgliedern, 440 Milliarden Euro aus der Kasse der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und 250 Milliarden Euro aus der Hand des Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammensetzen.

Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ist eine im Juni 2010 von der Euro-Gruppe gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Im Notfall kann die EFSF 440 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen und diese an Euro-Staaten weitergeben, die sich die Zinsen für allfällige Kredite am Kapitalmarkt selber nicht mehr leisten könnten. Dazu bedarf es jedoch immer eines einstimmigen Beschlusses der Euro-Gruppe. Um in der Gunst der Ratingagenturen zu bleiben, die die Kreditwürdigkeit von Staaten, Insitutionen und Unternehmen überprüfen, sichert die EFSF die Kredite für krisengeschüttelte Mitglieder zu 120 % ab. Der EFSF läuft noch bis 2013.

Der dauerhafte Stabilitätsmechanismus (neuer ESM-Fonds), der seit 8. Oktober 2012 in Kraft ist, geht aus dem ESM hervor, der ursprünglich nur als Übergangslösung für drei Jahre gedacht war. Der Unterschied zur EFSF: Die Euro-Mitglieder müssen direkt in den Fonds für Krisenfälle einzahlen, jeweils mindestens 80 Milliarden Euro bis 2014. Weiters kann der neue ESM-Fonds Staatsanleihen der Mitgliedstaaten auch direkt kaufen bzw. unter bestimmten Bedingungen private Gläubiger beteiligen. Um die Euro-Staaten zu einer Beteiligung daran verpflichten zu können, bedurfte es gesetzlicher Anpassungen in den Gründungsverträgen der EU.

Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt wurde 1998 als Währungsbehörde der Eurozone gegründet. Ihre Aufgaben sind im Vertrag von Maastricht festgelegt. Mit Abstand ihre wichtigste: durch überlegte Finanzpolitik die Stabilität des Euro sicherzustellen. Die oberste Garde der Bank bildet der EZB-Rat, der durch die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Euro-Staaten repräsentiert ist. Ihr Chef ist der Italiener Mario Draghi.

Die Eurozone (die EU spricht offiziell von Euro-Währungsgebiet oder Euroraum) bezeichnet jene 17 EU-Staaten, die den Euro als Währung haben. Offiziell eingeführt wurde die Gemeinschaftswährung am 1. Jänner 2002 in den Staaten Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien; am 1. Jänner 2007 in Slowenien; am 1. Jänner 2008 in Malta und Zypern; am 1. Jänner 2009 in der Slowakei; und am 1. Jänner 2011 in Estland.

Eurobonds bedeuten eine Vergemeinschaftung der Schulden - alle Mitglieder haften füreinander. Gilt dieses Modell nur für befristete Zeit, spricht man von Euro-Bills.

 

F ... wie Fiskalunion

Fiskalunion Um die Schulden der Mitglieder zu begrenzen, soll es scharfe Obergrenzen für das Staatsdefizit geben (auch Schuldenbremse genannt).

 

G ... wie Geldmarkt

Geldmarkt siehe Kapitalmarkt.

 

H wie ... Haircut

Haircut Bei dieser Variante verzichten Gläubiger auf Teile ihres Geldes. Problem: Gesetzlich verpflichtet werden können sie dazu schwer. Andererseits, so Ann-Katrin Johannsmann vom NDR: "Der Vorteil des Haircut ist, dass die Gläubiger, also diejenigen, die (...) bewusst ein Risiko eingegangen sind, zur Kasse gebeten werden - und nicht die Steuerzahler." Die allerdings vielleicht am Ende doch noch einmal zahlen müssen: dann nämlich, wenn Banken durch den Verzicht auf Gelder ins Strudeln geraten.

 

I wie ... IWF

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist eine 1944 gegründete Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Washington DC. Zu ihren vielfältigen Aufgaben gehören, die Währungskurse zu stabilisieren und zu diesem Zweck zahlungsunfähigen Staaten zügig unter die Arme zu greifen. 187 Mitglieder weltweit sind derzeit im IWF vertreten, dessen Chefposten traditionell von einem Europäer bekleidet wird; aktuell der Französin Christine Lagarde.

 

K wie ... Kapitalmarkt

Am Kapitalmarkt (Wertpapiermarkt) erhalten Staaten Anleihen mit deutlich längeren Laufzeiten als vergleichsweise am Geldmarkt (Banken).

Kreditwürdigkeit siehe Bonität.

 

M wie ... Maastricht

Der Vertrag von Maastricht (offiziell Vertrag über die Europäische Union (EUV)), in dessen Mittelpunkt die Gründung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion steht, wurde 1992 verabschiedet. Das Vertragswerk definiert die wirtschaftlichen Kriterien (z.B. eine dauerhafte Defizitquote unter 3% bzw. Schuldenstandsquote unter 60% des BIP), die ein EU-Mitglied erfüllen muss, um den Euro einführen zu können. Dabei sieht der Vertrag von Maastricht vor, dass letztlich jeder EU-Staat über kurz oder lang der Eurozone beitritt. Eine Ausnahme gilt lediglich für Dänemark und Großbritannien, die sich vorbehalten, über diesen Schritt selbst zu entscheiden (opting out).

Moral Hazard bezeichnet die Haltung, neue Schulden zu machen, weil man sich darauf verlassen kann, zur Not von anderen finanziell aufgefangen zu werden.

 

N wie ... No-Bailout

Nichtbeistands-Klausel (No-Bailout) Im Vertrag von Maastricht sind keine Szenarien festgeschrieben, was geschehen soll, wenn ein Euro-Land sich in die Zahlungsunfähigkeit manövriert. Dafür jedoch eine Nichtbeistands-Klausel, die besagt, dass für seinen Staatshaushalt jedes Land ausschließlich selbst verantwortlich sei, und kein anderes zu Haftungen verpflichtet werden könne. Damit einher geht der Passus, das die Entscheidungskompetenz für Budgetplanung und Reformpolitik weiterhin den einzelnen Mitgliedern obliegt und nicht an Brüssel abgegeben wird. Spätestens seit der Griechenland-Krise wird dieser Punkt als größte Schwäche des Vertragswerks diskutiert.

 

P wie ... Pariser Modell

Pariser Modell Die Federation Bancaire Francaise (französischer Bankenverband) hat unter Mitwirkung Deutschlands einen Plan zur Rettung Griechenlands erstellt. Dieser sieht im Wesentlichen drei Punkte vor: Gläubiger gezielt einzubinden, z.B. indem diese weitere Gelder für Athen locker machen; die Laufzeiten für griechische Kredite zu verlängern; und Gläubiger zu verpflichten, einen Teil ihrer Gelder in einen Fonds anzulegen, um griechische Anleihen zu besichern. Heftige Kritik erntete das Pariser Modell von amerikanischen Ratingagenturen.

Pakt für den Euro Diesen arbeitete Herman van Rompuy, erster ständiger Präsident des Europäischen Rates, im März 2011 im Auftrag von Deutschland und Frankreich aus. Das Ziel der Initiative: den Zusammenhalt der Euro-Staaten zu stärken. Die im Pakt festgehaltenen Grundsätze sind allerdings bisher nur Absichtsbekundungen. Da auch Nicht-Euro-Länder ihn begrüßen, wird auch von einem Euro-Plus-Pakt gesprochen.

 

R wie ... Rendite

Ratingagenturen siehe Bonität.

Rendite Anteilige Erträge, die die Wertpapiere am Kapitalmarkt für den Aktionär abwerfen.

 

S wie ... Staatsanleihen

Staatsanleihen sind Gelder, die sich ein Staat von Banken aber auch Investoren borgt. Wie wahrscheinlich es ist, dass jener die Beträge bzw. die Zinsen überhaupt bzw. fristgerecht zurückzahlen kann, geht aus den Bewertungen internationaler Ratingagenturen hervor. Je schlechter jene ausfallen, desto mehr Zinsen muss ein Land in Kauf nehmen, um frisches Geld zu bekommen.

Staatsinsolvenzordnung Durch die Griechenland-Krise wurde deutlich, dass mit dem Euro keine Negativ-Szenarien berücksichtigt wurden bzw. eine klare Schritt-Abfolge, was im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Staates zu machen ist (was es für Unternehmen und Privatpersonen gibt), fehlt. Die Forderung, mehr Transparenz für Gläubiger zu schaffen, wird in den Reihen der EU immer lauter.

Schuldenbremse siehe Fiskalunion.

 

T wie ... Transferunion

Transferunion Um die Finanzpolitik der Euro-Staaten zu vergemeinschaften, werden derzeit verschiedene Modelle diskutiert. Während Deutschland für die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds als Gegenstück zum IWF plädiert, fordert dieser wiederum eine stärkere Kontrolle der Budgets der einzelnen Mitglieder. Immer wieder ist auch von Eurobonds die Rede: Staatsanleihen, für die letztlich alle Euro-Staaten geradestehen.

 

U wie ... Umschuldung

Umschuldung Um einen zahlungsunfähigen Staat wieder zur Kreditwürdigkeit zu verhelfen, werden neue Anleihen zu niedrigen Zinsen gewährt, damit die bestehenden Schulden getilgt werden können. Im Fall Griechenlands ist mit einer Umschuldung allerdings eher eine Verlängerung der Laufzeiten und ein Teilverzicht der Gläubiger gemeint - ein Schuldenschnitt (Haircut) im Kleinen also.

 

W ... wie Wachstumspaket

Wachstumspaket Als Zugeständnis an Frankreich willigte Deutschland in diesen Beschluss ein. Die Maßnahmen sehen gezielte Investitionen in den Schuldenstaaten vor, um deren Konjunktur zu beleben und die Arbeitslosigkeit zu senken. 130 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um zusätzliches Geld; vielmehr wurde es aus den Töpfen für bereits bestehende Programme genommen.

Ute Rossbacher

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