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Koalition: Vorwärts in die Vergangenheit

HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com
Was vom Regierungsprogramm erkennbar ist, bewegt sich zwischen retro und zirka.

Mit "Entfesselung" und "Neustart" wurde geworben, jetzt muss Bundespräsident Fischer sich schützend vor das Kabinett Faymann II stellen und um einen "Vertrauensvorschuss" bitten.

Die (vormals) Große Koalition hat mit einer Kombination aus trotzig-dilettantischer Außenkommunikation während der Regierungsverhandlungen und einem Programm, das sich zwischen retro und zirka bewegt, nun endgültig aus der Wählergunst geschossen. Den Gegenwind, der dieser neuen Regierung ins Gesicht bläst, haben Rot und Schwarz selbst gesät.

Dass jetzt Medienmacher als alles schlecht machende Spielverderber hingestellt werden, ist in diesem konkreten Fall wehleidig, unreflektiert und bequem. Es steckt keine Verschwörung dahinter, dass sich Analysten dermaßen einig sind.

 

Kritik unisono

Die mangelnde Konkretheit des Regierungsprogramms stößt Josef Votzi vom Kurier sauer auf: "Nach der Wahl ist vor der Wahl: Steuersenkung – schau ma mal; Förderungen kürzen, Verwaltung entrümpeln – schau ma mal ..." Reinhard Göweil stimmt in der Wiener Zeitung ein: "Was in der Bevölkerung und den Parteien selbst Zorn weckt, ist die weltanschauliche Richtungslosigkeit, die im Papier steckt. Es ist darin weder eine soziale noch eine liberale Lenkung erkennbar."

Konkreter, aber um nichts positiver sieht Josef Urschitz in der Presse die Auswirkungen der "Steuer- und Gebührenorgien". Nämlich: "Mutwillig gedrückte Massenkaufkraft in einer am Rande der Deflation dahinschrammenden Konsumgesellschaft – das wird die Wirtschaft mit Sicherheit so richtig entfesseln."

 

Fatale Signale

Kein gutes Haar lässt Wolfgang Fellner (Österreich) an der perspektivischen Ausrichtung dieser Regierung: "Keine Rede von der großen Umweltoffensive, keine Rede vom Zukunftsministerium. Stattdessen wurde das einzige Zukunftsressort – Wissenschaft und Forschung – weggespart." Blattlinie hin oder her – hier ist Fellner einer Meinung mit Alexandra Föderl-Schmid (Der Standard): "Die Wissenschaft wird der Wirtschaft untergeordnet. Für die Freiheit des Denkens und die Geisteswissenschaften ist das damit einhergehende Signal fatal."

Apropos Signal: Der neue Landwirtschaftsminister Andrä "Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe und vor dem heiligen Herzen Jesu Christi" Rupprechter hat schon im Rahmen der Angelobung sein Potenzial als Sympathieträger und Zukunftsmensch bewiesen. Wer ein Problem mit seiner Fundi-Gelöbnisformel samt Referenz auf das 18. Jahrhundert hat, könne mit einem Besuch seiner "Schützen" rechnen. Selten wurde so schnell und effizient für die Opposition gearbeitet.

Bei aller Kritik – eine überraschende positive Stimme schwingt dennoch im Medienecho mit: Ausgerechnet Andreas Koller, sonst nicht für Schmeicheleien bekannt, zeigt in den Salzburger Nachrichten Mitleid mit der Regierung: "Österreich ist ein Land, in dem jeder ständig Reformen einfordert, aber sofort 'Halt!' schreit, wenn eine Reform konkret spürbar wird. Ein solches Land ist unreformierbar, sei die Regierung noch so gut."

Es ist wohl kein Zufall, dass Letzteres im Konjunktiv formuliert ist.

sb

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