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Causa Bawag: Freispruch für "Mister Flottl"

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relevant Redaktion

Causa Bawag: Freispruch für "Mister Flottl"

18.12.2012
Der heute (Dienstag) freigesprochene Investmentbanker im Porträt.

"Das war das dümmste Investment, das ich je gemacht habe." Als der Investmentbanker Wolfgang Flöttl 2008 diese Feststellung vor dem Wiener Straflandesgericht macht, spricht er nicht von seinen Spekulationsgeschäften, die der Bawag einen Verlust von rund 1,2 Milliarden Euro bescherten, "sondern vom Kauf eines kleinen Schiffs, das er wegen seiner Seekrankheit dann nicht nutzen konnte", wie sich die Wiener Zeitung nur zu gut erinnert.

 

Flöttl-Causa "vom Tisch"

Nicht die einzige Ohrfeige für jene, die nicht (recht) an die Unschuld des in New York lebenden Österreichers glauben konnten, der sich im Bawag-Prozess darauf zurückzog, über seine Spekulationen keine Angaben machen zu können, da ein Computerabsturz die Daten vernichtet hätte: Denn das Urteil gegen Flöttl (2,5 Jahre - davon 20 Monate auf Bewährung wegen Beteiligung an Untreue) wurde im Februar 2011 vom Obersten Gerichtshof aufgehoben.

Josef Urschitz von Die Presse analysierte damals vorausschauend: "Die Flöttl-Causa ist in Österreich damit praktisch vom Tisch."

Mit dem heutigen Freispruch ist die Sache für Wolfgang Flöttl jun. und vier seiner fünf Mitangeklagten erledigt (Ex-Bawag-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger wurde zu einem Monat bedingter Haft verurteilt - Urteil nicht rechtskräftig).

 

Leben an der Wall Street

Dass Wolfgang Flöttl alles andere als ein kleiner Fisch im großen Teich ist, beweist: In ihrer Serie "Die großen Spekulanten" ist Wolfgang Flöttl der Süddeutschen Zeitung ein umfangreiches Porträt wert. Und das kommt nicht von ungefähr: Während der Börsenkrimi "Wall Street" mit Michael Douglas 1987 die dunkle Seite des Investmentbankings enthüllt, hat der Sohn des ehemaligen Bawag-Generaldirektors Walter Flöttl an der New Yorker Börse gerade seinen ersten beruflichen Höhepunkt erreicht.

Der Harvard-Absolvent hat es innerhalb weniger Jahre zum Vizepräsidenten bei der Investmentbank Kidder, Peabody & Co. gebracht und gründet gerade seinen ersten eigenen Hedge Fonds - Ross Capital Markets. Und: seine Rechnungen gehen auf, zollt ihm Beatrice Uerlings von Der Standard Anerkennung: "Auf seiner Habenseite steht ein fast unschlagbares Gespür für Wirtschaftszyklen: Er orchestriert Übernahmen und Firmenzukäufe, wenn der Markt boomt, und sattelt rechtzeitig vor dem Zusammenbruch auf sicherere Schuldverschreibungen und Staatsanleihen um."

Auch privat spielt Flöttl in der obersten Liga: Als Ehemann von Anne Eisenhower, der Enkelin des ehemaligen US-Präsidenten, stehen ihm alle Türen zu New Yorks High Society offen.

Die Zeit skizziert in wenigen Stichworten eindrucksvoll seinen damaligen Lebensstil: "Weißer Rolls Royce, Butler, Yacht, Luxusappartement in der New Yorker Park Avenue, ein Sommerhäuschen auf Long Island im exklusiven Southhampton, erstanden für 5,6 Millionen Dollar von Ex-Sony-Chef Mickey Schulhof, und natürlich zwei Gulfstream-Jets – für sich und seine Frau."

 

Money and The City

Flöttl scheint sein Leben aus der Westentasche zu finanzieren: Im Vorübergehen kauft er sich 1992 im teuersten Gebäude der USA - an der 740 Park Avenue in New York - das Appartement 8/9B um acht Millionen Dollar; als Kunstsammler veräußert er teure Gemälde von Picasso oder Degas zu einem Vielfachen des ursprünglichen Kaufpreises. Für den Investmentbanker läuft es wie geschmiert.

Bis Anfang der 90er-Jahre die Bawag kommt, die - so Alexander Mühlauer von der Süddeutschen Zeitung launig - "Kammer- und Kommerzialrat Walter Flöttl seinem Sohn Wolfgang zum Spielen" überlässt. Letzterer soll, heißt es damals, laut Anklageschrift 468,82 Millionen Euro in den Sand gesetzt haben. Statt die Reißleine zu ziehen, lässt die Bawag Flöttl jun. jedoch weiterspekulieren und -verlieren. Nach einem weiteren Verlustgeschäft fehlen insgesamt 1,2 Milliarden Euro in der Portokassa der Bank. 2000 ist diese de facto pleite.

 

Stolperstein Bawag

Als die Affäre 2006 publik wird und es ein Jahr später zum Prozess kommt, bezeichnet sich Flöttl als "nahezu mittellos"; von den einst 200 bis 300 Millionen Dollar seien ihm nur zwei Millionen geblieben. Vieles um seine Person bleibt - wie seine unternehmerischen Aktivitäten - undurchschaubar; er selbst ist kaum greifbar.

Immer noch ist Flöttl mit seiner Ehefrau bei gesellschaftlichen Events in den USA zu sehen; die jüngsten Meldungen über "Mr. Flottl", wie er in seiner Wahlheimat genannt wird, handeln maximal vom Verkauf seiner Villa in den noblen Hamptons an der amerikanischen Ostküste in der kolportierten Höhe von umgerechnet 27 Millionen Euro.

 

Flöttl - kennt man

Wenn sich auch die Causa Bawag für ihn erledigt hat, zweifelhafte Berühmtheit hat sie Flöttl fraglos eingebracht: In der von der renommierten Londoner Cass Business School erstellten Liste der "größten Handelsverluste" seit den 1990er-Jahren scheint auch sein Name auf, weiß Michael Nikbakhsh von profil - und zieht daraus seine eigenen Schlüsse: "Einst haben die Herren Millionen verballert, jetzt sind sie Fallstudien."

Ute Rossbacher

 

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