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Wahlkampf: kraft-, lust-, ideenlos

HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com

relevant Redaktion

Wahlkampf: kraft-, lust-, ideenlos

08.08.2013
Bisher gilt: Wer nicht auffällt, ist noch positiv unterwegs.

Es sind noch ein paar Wochen hin bis zum 29. September. Und genauso träge wie die sommerlich sedierten Menschen schleppt sich der Wahlkampf den bevorstehenden Nationalratswahlen entgegen. Lustlos und jede unnötige Bewegung vermeidend.

 

Nach dem Hochsommer kommt der Herbst – nach den Nationalratswahlen die große Koalition?

Dass heuer immerhin 9 Listen (SPÖ, ÖVP, FPÖ, BZÖ, Die Grünen, KPÖ, NEOS, Piratenpartei und Team Stronach) antreten, vermag die Stimmung nicht so recht aufzuheizen. Für manche Kommentatoren steht sogar schon fest, was nach dem Wahlkampfgeplänkel stehen wird: "Beide Parteien (SPÖ plus ÖVP, Anm.) werden locker über 50 Prozent springen...", so ein resignierender Reinhard Göweil in der Wiener Zeitung.

Andere Analysten wagen noch nicht derart konkrete Prognosen den Wahlausgang betreffend. Hinsichtlich des Wahlkampfes indes wird einhellig unter der Last einer hanebüchenen Vorhersehbarkeit gestöhnt.

 

Teuer und fad zugleich

Helmut Brandstätter etwa fasst im Kurier in einem Absatz zusammen, was die wahlkämpfenden Parteien mit einem Gesamtbudget jenseits der 30 Millionen Euro zu kommunizieren versuchen: "Im Wahlkampf 2013 geht es aber nur noch um das Umwerben der Kernwähler. Das gilt nicht nur für die ÖVP. Die SPÖ setzt bewährter Maßen auf die Pensionisten, die FPÖ auf die Zornigen, die Ausländer für ihre Probleme verantwortlich machen. Den Grünen bleiben die Radfahrer."

Auch Christian Ortner macht in seinem Gastkommentar in der Presse wenig Anstalten, sein Gähnen zu unterdrücken: "Wer nicht gedanklich genügsam genug ist, sich grobschlächtige Arguments-Surrogate wie 'Millionärssteuer' (SPÖ) oder 'Billigerer Strom' (ÖVP) als wirtschaftspolitische Überlegungen andrehen zu lassen, der wird sich überhaupt schwer tun bei der Spurensuche nach einem ernsthaften ökonomischen Masterplan für 2014 bis 2019, bei Schwarz wie Rot."

Einziger Aufreger in dieser Lethargie sind Akzente der Orientierungslosigkeit seitens der ÖVP. Rot kann sich derzeit zurücklehnen und zusehen, wie sich Schwarz, durch maue Umfragewerte nervös gemacht, ein Eigentor nach dem anderen schießt.

Den kleineren Fauxpas beschreibt Michael Fleischhacker trefflich in der (allzu großer SPÖ-Affinität unverdächtigen) Presse: "Michael Spindelegger hat die Grenzen dieser Peinlichkeit bereits ausgelotet, als er sinngemäß erklärte, dass dieses Land, das seit Jahrzehnten von seiner Partei (mit)regiert wird, eine 'Entfesselung' nötig hätte."

 

Von "Bösartigen" und "Erbärmlichen"

Weit größer war aber der Fehltritt der Volkspartei, sich mit – von eigenen Ressorts umgesetzten – Abschiebungen pakistanischer Asylwerber als Law-and-Order-Partei zu inszenieren.  Robert Misik hinterfragt in seinem Videoblog auf Der Standard online sogar, ob mit diesem Missbrauch der Gewalten für parteiliche Interessen nicht sogar schon die Grenzen zum Putsch übertreten werden! Die Grenzen des Anstands sind es allemal. Denn Misik fasst das traurige Schauspiel der Großparteien so zusammen: "Die Bösartigen lassen abschieben, die Erbärmlichen machen ihnen auch noch die Mauer."

Wolfgang Fellner analysiert in Österreich neutraler: "Politisch ist es aus Sicht der ÖVP dumm: Denn wenn das Ausländerthema nun wieder hochkocht, sich die 'Gutmenschen' um Kardinal Schönborn mit den 'Bösmenschen' um Strache wieder Duelle liefern, dann hilft das erfahrungsgemäß nur einem: Strache und seiner FPÖ."

Peter Filzmaier gibt sich immerhin amüsiert in den Salzburger Nachrichten: "Glaubt man, mit Hausdurchsuchungen im Kloster Kirchgänger als Stammwähler zu halten?" Und weiter: "Vielleicht sollten wir der ÖVP einfach mit ironischem Unterton glauben, dass in ihrer Partei nichts inszeniert oder geplant wird."

 

Rot zieht müde nach, Blau wirr

Bei einem frühen Wahlkampfauftritt Anfang August hat Kanzler Werner Faymann deutlich gemacht, dass er nicht gedenkt, Spindelegger alleine schlecht aussehen zu lassen. Gerald John im Standard: "Statt die Probleme auch nur ansatzweise anzusprechen, verlor er (Faymann, Anm.) sich in oberflächlichen Bekenntnissen zu sicheren Pensionen und eingeübten Klagen über 'Superreiche, die immer reicher werden'. Da fällt das Anecken leicht, da tritt man niemandem auf die Zehen, der einen wählen könnte."

Die FPÖ wiederum irritiert mit ihrem Wahlkampfslogan "Liebe deine Nächsten". Ist dieser werbliche Auftritt als radikaler Kurswechsel, als Eigentor gegenüber den nicht ganz so nächstenverliebten Kernwählern oder als selbstironische Avantgarde zu werten? Strache als Hippie? - Vor Blau musste man sich jedenfalls schon mal mehr fürchten. 

 

Das war's leider noch nicht

Bei den bisherigen Entscheidungshilfen im Hinblick auf den Urnengang stellt Christian Ortner (Presse) die berechtigten Frage: "Kommt da noch was?" Angesichts dessen, was bisher gekommen ist, könnte das fast eine Drohung sein.

Misik (Der Standard) mutmaßt: "Wird das der dreckigste Wahlkampf aller Zeiten? Schaut so aus."

In diesem Sinne ist wohl der Hitzewelle zu danken, dass sie die Wahlkämpfenden zumindest eine Weile sedierte.

 

sb

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