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Dr. Erdal Cetin

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Keine offiziellen Titel: Wie finde ich trotzdem den richtigen Kieferorthopäden?

29.01.2015 - 16:04
Die Kieferorthopädie wird in Österreich immer noch nicht als offiziell anerkannter Berufsstand gelistet. Was Kieferorthopäden von ihren Zahnarztkollegen unterscheidet, ist deshalb für Patienten oft unklar.

Grundsätzliches vorweg: Kieferorthopädie ist ein Teilbereich und Spezialgebiet der Zahnmedizin. Sie befasst sich mit der Diagnose, der Prävention und der Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen. Ziel einer kieferorthopädischen Behandlung sind nicht nur ein schöneres Aussehen und gerade stehende Zähne, sondern auch die Erhaltung oder Wiederherstellung der Zahngesundheit. Der Kieferorthopäde behandelt hauptsächlich Zahn- und Kieferfehlstellungen, die regelmäßige, halbjährige Kontroll- und Prophylaxeuntersuchung führt der behandelnde Zahnarzt durch.

 

Kieferorthopäde oder Zahnarzt – worin liegt der Unterschied?

In Österreich darf prinzipiell jeder Zahnarzt, der sich dazu befähigt fühlt, kieferorthopädisch behandeln. Anders als in anderen europäischen Ländern sind Kieferorthopäden hierzulande nicht dazu verpflichtet, nach ihrem Zahnmedizinstudium eine spezielle Zusatzausbildung abzulegen. In Deutschland etwa müssen Kieferorthopäden nach ihrem Zahnmedizinstudium mindestens ein Jahr als Zahnarzt gearbeitet haben. "Danach absolvieren sie eine dreijährige Spezialausbildung an einer Universität oder in einer kieferorthopädischen Fachpraxis und schließen diese mit einer entsprechenden Facharztprüfung ab", erklärt Prof. DDr. med. Erwin Jonke, Leiter einer kieferorthopädischen Zahnklinik in Wien und wissenschaftlicher Sekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kieferorthopädie.

In Österreich gibt es bis heute keine staatlich geregelte und offiziell anerkannte Ausbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Erst im März des vergangenen Jahres fand der Entschließungsantrag hierfür bei einer Sitzung des Gesundheitsausschusses keine Mehrheit im Parlament.

"Damit bleibt Österreich neben Spanien das einzige Land in der EU, in dem es keinen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie gibt", kritisierte der Präsident des Verbandes Österreichischer Kieferorthopäden (VÖK) Martin Brock. In Österreich existiert zwar eine dreijährige Ausbildung zum Fachzahnarzt – offiziell führen darf man den Titel aber trotzdem nicht.

Trotz fehlender verpflichtender Ausbildung gibt es genügend Spezialisten, die freiwillig eine vertiefende Weiterbildung im In- und Ausland absolvieren. Wegen der nicht vorhandenen staatlichen Anerkennung und aufgrund des geltenden Zahnärztegesetzes ist es Spezialisten in Österreich aber nicht gestattet, eine auf ihre Spezialisierung hinweisende Bezeichnung zu führen! Für Patienten ist es daher schwierig zu erkennen, ob es sich um einen Zahnarzt mit theoretischem Basiswissen oder einen Spezialisten mit vertiefender Ausbildung handelt.

 

Warum eine Ausbildung wichtig ist

Um komplexe Zahn- und Kieferfehlstellungen erkennen und behandeln zu können, wird umfangreiches, theoretisches Fachwissen vorausgesetzt. Kieferorthopädische Behandlungen setzen zudem eine mehrjährige praktische Tätigkeit unter der Aufsicht erfahrener Kieferorthopäden voraus, um die entsprechenden manuellen Fertigkeiten zu erlernen. Die Behandlung eines einzelnen Patienten zieht sich nämlich gewöhnlich über einige Jahre.

Während des Zahnmedizinstudiums wird im Fachbereich der Kieferorthopädie nur theoretisches Basiswissen und keine Praxis vermittelt. Daher gibt es seit Jahrzehnten europa- und weltweit nach dem Studium der Zahnheilkunde die Möglichkeit einer vertiefenden Ausbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie – meist in Form einer drei- bis vierjährigen universitären Weiterbildung."Zur Sicherung des Berufsstandes und der medizinischen Qualität wäre dies auch in Österreich ein wünschenswerter Ausbildungsweg", so Dr. Jonke.

 

Wie Sie dennoch einen guten Kieferorthopäden erkennen

Wer sich auf die Suche nach einem Kieferorthopäden begibt, sieht sich mit einer Unzahl an Zahnärzten konfrontiert, die kieferorthopädische Leistungen anbieten. Eine wahre Flut unterschiedlichster Qualifikationsbezeichnungen, die fachliche Kompetenz suggerieren, hinterlässt den Laien oft ratlos. Von"Master of Science", "Zahnarzt mit Tätigkeitsschwerpunkt", oder schlicht "Fachzahnarzt" ist die Rede.

Nur der Titel "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" oder kurz "Kieferorthopäde" gibt dem Patienten die Sicherheit, dass er eine fachgerechte kieferorthopädische Behandlung erhält. In Österreich gibt das "Austrian Board of Othodontists" Auskunft über eine kieferorthopädische Zusatzprüfung.

Österreichweit gibt es bestens ausgebildete Spezialisten, die sich aber nicht als solche deklarieren können. Deshalb wurde 1998 der VÖK gegründet und unter anderem eine umfangreiche, freiwillige Prüfung eingeführt. Mit "Austrian Board of Orthodontists" besitzen geprüfte österreichische Orthopäden nach außen hin ein dem internationalen Standard entsprechendes Instrument der Qualitätssicherung. Patienten können davon ausgehen, dass ein Arzt, der das Austrian oder European Board absolviert hat, zu den Besten seines Fachs gehört.

 

Kieferorthopäde vs. Zahnarzt

Bei unkomplizierten und einfachen Fehlstellungen ist es im Grunde kein Problem, sich von einem Zahnarzt behandeln zu lassen. Für eine erfolgreiche Therapie ist es aber entscheidend zu erkennen, ob es sich um eine einfache oder um eine komplexe Fehlstellung handelt. Klarerweise hat ein Spezialist in solchen diagnostischen Fragen viel mehr Erfahrung.

Ein eindeutig schlechtes Zeichen ist es, wenn der Zahnarzt bei der Erstuntersuchung nur in den Mund hineinschaut und erklärt, dass der Patient eine Zahnspange benötigt, keinen Abdruck macht und beim nächsten Mal schon die Spange einsetzt. Eine aussagekräftige Diagnose kann in der Regel nur mithilfe eines Abdrucks, mit einem Panorama- und Schädelröntgen, mit Fotografien der Zähne und des Gesichts erfolgen.

 

Wann Sie einen Kieferorthopäden aufsuchen sollten

Die kieferorthopädische Behandlung ist keine Frage des Alters. Die Notwendigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung ergibt sich nicht nur aus ästhetischen Ansprüchen, sondern es sprechen auch zahlreiche gesundheitliche Aspekte dafür. So erschweren etwa eng stehende Zähne die Zahnpflege – Karies kann die Folge sein. Laut Dr. Jonke gibt es zudem eine Reihe an Fehlstellungen, die deutlich für eine kieferorthopädische Behandlung sprechen. Dazu zählen etwa Distal-, Kreuz- und lutschoffener Biss. Bei ersterer Variante ragen die oberen Vorderzähne über die unteren hinaus, bei einem Kreuzbiss liegen sie hingegen hinter den unteren Zähnen. Bei einem lutschoffenen Biss schließt dieser hingegen nicht richtig. Auch dann, wenn die Mittellinien der oberen und unteren Vorderzähne nicht zusammenpassen, sollte man einen Kieferorthopäden konsultieren, betont Dr. Jonke.

Links:

Verband Österreichischer Kieferorthopäden

Dr. Jonke – Klinik für Kieferorthopädie in Wien

Österreichische Gesellschaft für Kieferorthopädie

red/ag

 

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