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Klimaschutz kontrovers - was gibt es da noch zu diskutieren?

27.10.2016 - 20:10
Man sollte meinen, dass das Thema Klimaschutz keiner Debatten mehr bedarf, er ist ohne den geringsten Zweifel eine nicht zu übersehende Notwendigkeit. Möglicherweise ist diese Auffassung aber doch irgendwo im Bereich zwischen zu idealistisch und zu naiv anzusiedeln. Denn offenbar ist noch genug Spielraum für Kontroversen.
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Die Weltklimakonferenz in Paris wird gerne als Silberstreif am Horizont für den internationalen Klimaschutz betrachtet. Was in gewisser Weise seine Berechtigung hat, immerhin ist das vereinbarte Abkommen in dieser Form und gemessen an der Zahl der Unterzeichner bislang beispiellos. Ein Grund zur Freude, könnte man daher annehmen. Allerdings ist Papier geduldig und wenn es darum geht, Umwelt und Klima nachhaltig zu schützen, ist nun einmal das Engagement jedes Einzelnen gefragt. Was eben im ungünstigsten Szenario eine äußerst vielfältige Meinungslandschaft bedeutet.

Selbst das ist grundsätzlich nicht schlecht, denn in einem Umfeld, das verschiedenste Perspektiven zulässt, können schließlich genau die Innovationen und Initiativen entstehen, die es für ein Erreichen der globalen Klimaschutzziele braucht.

 

Das Engagement ist vorhanden… oder?

Am Bemühen um wirklich wirksame Lösungen beziehungsweise an der Bereitschaft für ein derartiges Bemühen fehlt es jedenfalls nicht. Die Forderungen von WWF und der angeschlossenen WWF CLIMATE GROUP – der neben namhaften international agierenden Unternehmen auch diverse regionale Firmen angehören –, die im Rahmen der besagten Klimakonferenz im letzten Jahr verlautbart wurden, sprechen eine eindeutige Sprache: Das Bewusstsein für die Notwendigkeit erheblicher Maßnahmen zum Erreichen der Zielsetzungen (allen voran die leidlich bekannte Zwei-Grad-Grenze) ist in Wirtschaftskreisen vorhanden. Gewünscht ist von dieser Seite jedoch die politische Unterstützung.

Aus dieser Richtung gibt es zumindest eigene Forderungen, nicht allein an die Vertreter der Wirtschaft, sondern auch an die betroffenen Staaten. Dieser Anspruchs- und Erwartungshaltung kann bei genauerer Betrachtung der Zahlen kaum ihre Berechtigung abgesprochen werden. Denn obwohl es gelungen ist, die Emissionen so gut wie aller Schadstoffe in der österreichischen Luft zu reduzieren, verzeichnet gerade das vielzitierte CO2 einen Anstieg.

 

Klimaschutzziele zwischen Notwendigkeit, Realität und verschiedenen Interessen

Jetzt mögen 1,4 Prozent über einen Zeitraum von 20 Jahren nach keiner dramatischen Angelegenheit klingen. Die Wirtschaft hat den Ausstoß von klimawirksamem Kohlendioxid in derselben Zeit aber sogar um 12,4 Prozent gesteigert. Ganz unabhängig von den Zahlenwerten ist allerdings gerade die Tendenz wenigstens unerfreulich. Und Maßnahmen für die Klimaschutzziele sind schon deswegen umso dringlicher:

- Die Vorgabe der Europäischen Union liegt immerhin bei 40 Prozent      weniger Treibhausgasemissionen auf der Vergleichsbasis der Werte       von 1990 – zu erreichen bis zum Jahr 2030.

- In der Langzeitperspektive bis 2050 steht für die Industrieländer eine      Verringerung um 80 Prozent an. Der WWF fordert an dieser Stelle sogar 90 Prozent.

Aus rein wirtschaftlicher Sicht gilt es selbstverständlich, diese ambitionierten Ziele möglichst mit dem Wunsch nach Wachstum zu vereinbaren. Was allen Akteuren klar sein sollte – und es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ist: Dafür ist Ärmelhochkrempeln angesagt, denn um beides zu bekommen, müssen erhebliche Veränderungen her. Im Angesicht einer solchen Herausforderung gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit ihr umzugehen.

Auf der einen Seite stehen etwa die Mitglieder privater Klimaschutzinitiativen, die ihre eigene Verantwortung erkannt haben und durch die Anpassungen ihres Wirtschaftens einen Beitrag zum Erhalt des Klimas zu leisten. So löblich das ist, so bedauerlich ist es andererseits, wie wenig repräsentativ diese Einstellung bisweilen ist. Als Paradebeispiel der Verweigerung müssen daher die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung angesehen werden, die erst Anfang September ihre Vorstellungen einer österreichischen Energie- und Klimapolitik formuliert haben.

 

Klimaschutz ist (k)eine Frage der Perspektive

Die darin vertretenen Standpunkte sind bestenfalls als nicht mehr zeitgemäß, in manchen Bereichen sogar als haarsträubend zu bezeichnen. Dass sowohl die WKO als auch die IV bereit sind, sich an der Ausarbeitung einer integrierten Energie- und Klimastrategie, ist ebenso erfreulich wie selbstverständlich. Die dahinterstehende Motivation hingegen lässt dieses Engagement jedoch fragwürdig erscheinen:

- Schwierig ist unter anderem, dass – bei aller signalisierten Bereitschaft  zum Mitwirken an der Klimastrategie der Bundesregierung – die Augen      vor den nationalen Erfordernissen verschlossen werden, die für die   Umsetzung der EU-Zielsetzungen notwendig sind. Eine Anpassung der       schon im Vorfeld der Klimakonferenz erarbeiteten Vorgaben scheint den      beiden Verbänden daher nicht mehr nötig, egal wie sehr sie es ist.

„Die übergeordneten volkswirtschaftlichen Ziele (Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftsstandort und Beschäftigungspolitik) sind dabei immer mit zu betrachten.“

WKO und IV, Eine integrierte Energie- und Klimastrategie für Österreich

- Aus dem breiten öffentlichen Interesse eine Gegenposition von        Wirtschaft und Industrie gegenüber der Zivilgesellschaft zu konstruieren, geht dabei sogar erschreckend weit an der Realität vorbei. Denn die Zivilgesellschaft hat ihre Erwartungen hinsichtlich eines größeren Einsatzes für mehr Nachhaltigkeit längst auch auf Wirtschaft und Industrie ausgedehnt – sich in dieser Frage zum Gegenpol zu den Verbrauchern (aus denen die Zivilgesellschaft nun einmal besteht), hieße schlichtweg deren Wünsche zu ignorieren.

Bis zu einem gewissen Punkt ist die Haltung von WKO und IV aber sogar nachvollziehbar. Auf Wirtschaft und Industrie kämen unter Umständen umfassende Umstrukturierungen zu, die nun mal mit Investitionen verbunden sind. Wirtschaften im Sinne der Nachhaltigkeit ist eben kein probates Mittel für ein schnelles Wachstum, hier ist langfristiges Denken gefragt. 

 

Nachhaltig = zukunftsfähig: Ein Wechselspiel auf vielen Ebenen

Das betrifft nicht nur die Wirksamkeit der zu ergreifenden Maßnahmen, sondern auch den wirtschaftlichen Erfolg: Mögliche Kosteneinsparungen, geringerer Ressourcenverbrauch und einiges mehr sorgen perspektivisch betrachtet für die Art von Wettbewerbsfähigkeit, die es für ein Fortbestehen zwingend braucht. Die gesetzlichen Anforderungen werden dabei nur eine Seite der Medaille sein, auf der anderen stehen – in immer größerem Ausmaß – die Erwartungen der Konsumenten an die Umsetzung nachhaltiger Konzepte durch die Unternehmen.

Insofern liegen Wirtschaftskammer und Industriellenverband mit ihrer Einschätzung ganz richtig: Nachhaltigkeit ist für die Verbraucher ein Thema von wachsender Bedeutung, weshalb es auch in zunehmendem Maße das Kaufverhalten beeinflussen wird. Sich dieser Entwicklung zu verschließen oder sich nur oberflächlich an ihr zu beteiligen, hieße früher oder später das Wohlwollen der Kunden zu riskieren – und damit womöglich auch die Existenz des Unternehmens.

 

Die öffentliche Meinung ist daher unbedingt ein wirtschaftlich relevanter Faktor, der nicht geringgeschätzt werden darf. Das erhöht den Druck auf die Unternehmen, nicht nur nachhaltige Maßnahmen zu ergreifen, sondern diese auch transparent zu machen. Auch das ist eine große Aufgabe, denn bei einem konsequenten Nachhaltigkeitskonzept beschränkt sich die Verantwortung eben nicht allein auf den Betrieb allein.

 

Verantwortung für den Klimaschutz – doch kein so kontroverses Thema

Sie umfasst die Gesamtheit der Wertschöpfungskette. Von der umweltschonenden der Rohstoffgewinnung über sozialverträglichen Arbeitsbedingungen bei Lieferanten oder bei der Weiterverarbeitung bis hin zu klimaneutralen Vertriebswegen  gilt es jede einzelne Etappe auf ihre jeweilige Nachhaltigkeit zu überprüfen – oder sie eben dahingehend zu gestalten. Im Zweifelsfall hin auf eigene Initiative. Die Mitglieder des Klimaneutralitätsbündnisses bieten ein gutes Beispiel dafür, wie ein solches Unterfangen in der konkreten Umsetzung aussehen kann: Der Zusammenschluss ergreift dazu verschiedene Maßnahmen, um die teilnehmenden Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen.

Mit den oben genannten Ausnahmen wird die Rolle eines nachhaltigen Klimaschutzes übrigens weitgehend als positiver Faktor hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums bewertet. Laut Befragungen der „Initiative Wachstum im Wandel sind sich Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, verschiedenen Interessenvertretungen und, last but not least, die Verbraucher selbst einig: Neben Steuersenkungen auf die Arbeit und besseren Möglichkeiten der beruflichen (Aus- und Weiter-)Bildung rangieren neue grüne Technologien unter den drei wichtigsten Bereichen, die für mehr Arbeitsplätze sorgen können. Letztere sind überdies, wenig verwunderlich, eines der am häufigsten genannten Mittel für einen effektiveren Klimaschutz. In dieser Hinsicht besteht also offenbar (und erfreulicherweise) kein Spielraum für Kontroversen.

(relevant Redaktion)

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