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Theater an der Wien eröffnete Wagner-Jubiläumsjahr

06.01.2013 - 13:40
Feeling des 19. Jahrhunderts wurde vermittelt© APA (dpa)Feeling des 19. Jahrhunderts wurde vermittelt

Das Wagner-Jubiläumsjahr in Wien ist eröffnet - und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet das Theater an der Wien den Reigen einläutet? Im für gewöhnlich dem Bayreuther abholden und stattdessen dem Barock und Zeitgenössischen zugewandten Haus erklang am Samstagabend Wagner pur.

Intendant Roland Geyer hat ein 1863 gespieltes Konzert des Opernerneuerers in seinem Haus vom Originalklangexperten Marc Minkowski mit seinen Musiciens du Louvre Grenoble rekonstruieren lassen. Mit einem für wagnersche Verhältnisse nachgerade schlanken Orchester von 84 Musikern auf Instrumenten der Mitte des 19. Jahrhunderts, erklang da ein für Ohren des 21. Jahrhunderts praktisch unbekannter Wagner, der das Publikum jedoch zu überzeugen wusste.

Nach der Pleite mit der gescheiterten Uraufführung von "Tristan und Isolde" an der Wiener Hofoper, die nach 77 Proben abgebrochen werden musste, war von Wagner dringend ein künstlerisches Lebenszeichen gefragt. Dieses lieferte er, als er am 26. Dezember 1862, sowie am 1. und 11. Jänner 1863 erstmals in der Donaumetropole Ausschnitte verschiedener neuer Werke selbst dirigierte. So jährt sich der Tag dieses Konzert heuer zum 150. Mal - neben dem 200. Geburtstag Wagners am 22. Mai und dem 130. Todestag am 13. Februar.

Den Eindruck der damaligen Konzertbesucher versuchte Barockexperte Minkowski wiederzubeleben. Sein Wagner entstammt einer Zeit, in der Symphonieorchester noch nicht auf 445 Hz gestimmt waren, um heller zu klingen. Das Ergebnis in der trockenen Akustik des Theaters an der Wien ist deutlich dumpfer, letztlich gedämpfter als man die Werke heutzutage kennt.

Das Vorspiel zu den "Meistersingern" nahm Minkowski gleichsam im barocken Durchmarsch, sodass manche Streicherpassagen impressionistisch hingehaucht daherkamen. Die Ouvertüre zu "Tannhäuser" war hingegen so getragen, dass man streckenweise einen Basso Continuo zu hören glaubte. Und beim "Walkürenritt" hechelte das Blech der im Eilgalopp fliehenden Brünnhilde hörbar hinterher.

Wagners Monumentalwerken geht in dieser reduzierten Form bisweilen das unbedingt Drängende, das Eruptive verloren. Zugleich offenbarten die solistischen Passagen eine Sensibilität, die verblüfft, wenn Minkowski sein Orchester wie ein Kätzchen mit einer an einen Stab gebundene Schnur lenkt.

Als stimmliche Begleitung fungierte ein ungleiches Duo. Während Siegmund-Interpret Endrik Wottrich als Tenor im Frack die Bühne betrat, hatte Wotan/Pognar Evgeny Nikitin als Bassbariton ein ausgewaschenes Hemd in die Hose gesteckt.

Das Erlebnis, die ganz eigene Wagner-Interpretation der Musiciens du Louvre Grenoble in Wien zu erleben, muss kein Einzelfall bleiben, auch wenn das Jubiläumskonzert anders als 1863 nicht wiederholt wird: Am 1. Juni kehrt Minkowski mit seinem Orchester und abermals Nikitin im Schlepptau zurück, um im Wiener Konzerthaus eine konzertante Aufführung von "Der fliegende Holländer" zu geben.

(APA)

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