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Chemie-Nobelpreis 2019 steckt in nahezu jeder Hosentasche

09.10.2019 - 14:18
Die Auszeichnung ist heuer mit rund 830.000 Euro dotiert© APA (AFP)Die Auszeichnung ist heuer mit rund 830.000 Euro dotiert

Der diesjährige Chemie-Nobelpreis steckt in nahezu jeder Hosen- und Handtasche: Für die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie erhalten der US-Forscher John Goodenough, der Brite Stanley Whittingham und der Japaner Akira Yoshino den heuer mit neun Millionen Schwedischen Kronen (rund 830.000 Euro) dotierten Preis, gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch bekannt.

Durch ihre Arbeit hätten die Preisträger eine "wiederaufladbare Welt geschaffen", begründete das Nobelpreis-Komitee seine Entscheidung. Die leistungsstarken Lithium-Ionen-Akkus würden überall verwendet, in Handys, Laptops und Elektrofahrzeugen. Zudem könnten sie signifikante Energiemengen aus Sonnen- und Windkraftanlagen speichern und damit eine Gesellschaft ohne fossile Brennstoffe ermöglichen.

Der Grundstein für Lithium-Ionen-Akkus wurde in den 1970er Jahren während der Ölkrise gelegt. Stanley Whittingham (77) von der Binghamton University im US-Bundesstaat New York begann zu dieser Zeit beim Mineralölkonzern Exxon an Supraleitern zu forschen - und entdeckte dabei mit Titandisulfid ein extrem energiereiches Material, das er als Kathode nutzte. Als Anode diente metallisches Lithium. Das ergab die erste funktionierende Lithium-Batterie. Das Problem war allerdings das sehr reaktive Lithium - die Batterie war höchst explosionsgefährdet.

Whittingham löste mit der Zugabe von Aluminium dieses Problem und 1976 gab es die erste kleine Produktion von Lithium-Ionen-Batterien. Doch nachdem der Ölpreis in den frühen 1980er Jahren wieder gefallen war und Exxon sparen musste, wurde die Technologie lizensiert.

John B. Goodenough von der University of Texas in Austin, mit 97 Jahren der älteste Wissenschafter, der bisher den Nobelpreis erhalten hat, sagte zu dieser Zeit vorher, dass die Kathode noch größeres Potenzial hätte, wenn sie aus einem Metalloxid statt eines Metallsulfids bestehen würde. Nach einer systematischen Suche zeigte er 1980, dass mit einer Kathode aus Kobaltoxid die bisherige Leistung auf vier Volt verdoppelt werden kann. Das Nobelpreis-Komitee bezeichnete das als "wichtigen Durchbruch, der zu deutlich leistungsfähigeren Batterien führte". Goodenough wusste zunächst nichts von seiner Auszeichnung. Man habe den US-Wissenschafter im Gegensatz zu den anderen beiden Preisträgern Mittwoch Früh nicht erreichen können, hieß es bei der Bekanntgabe.

Auf Basis der Kathode von Goodenough entwickelte Akira Yoshino (71) beim japanischen Chemiekonzern Asahi Kasei 1985 die erste kommerziell erhältliche Lithium-Ionen-Batterie. Statt reaktives Lithium in der Anode verwendete er ein Kohlenstoffmaterial (Ölkoks). Das Ergebnis sei ein strapazierfähiger Akku gewesen, der sich durch sein geringes Gewicht auszeichnet und Hunderte Male aufgeladen werden kann, bevor sich seine Leistung verschlechtert. Yoshino, mittlerweile Professor an der Meijo University in Nagoya freute sich über die Auszeichnung und sieht in seinem Beitrag zur Entwicklung eine Lösung für die Umweltprobleme unserer Zeit. Er hoffe, dass der Preis an ihn "den jungen Forschern Mut macht", sagte Yoshino im japanischen Fernsehen. Als Forscher brauche man "Flexibilität und Durchsetzungsvermögen".

Der Vorteil von Lithium-Ionen-Akkus besteht laut Nobelpreis-Komitee darin, dass bei der Verwendung und beim Laden nur Lithium-Ionen zwischen Anode und Kathode hin und her fließen, ohne Wechselwirkung mit ihrer Umgebung. Das verleiht den Batterien ihr langes Leben. 1991 brachte dann Sony die ersten Lithium-Ionen-Batterien auf den Markt.

Als "lange verdient" bezeichnete der Chemiker Nuno Maulide von der Universität Wien die Zuerkennung des Preises an die drei Forscher. Man habe sich in Fachkreisen bereits gefragt, "wann diese Entdeckung einmal anerkannt wird". "Begeistert" zeigte sich Markus Valtiner von der Technischen Universität (TU) Wien über die Vergabe, die Technologie liege auch im Hinblick auf den Klimawandel am Puls der Zeit, sagte er zur APA. Die breitere Anwendung in Elektro-Kraftfahrzeugen oder als leistungsfähige Energiespeicher seien "genau die Dinge, die wir jetzt brauchen".

(APA)

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